Dortmunder Terror-"Tatort" "Sturm" am Borsigplatz
16.04.2017, 14:31 Uhr
Begibt sich freiwillig in die Hände eines vermeintlichen Selbstmordattentäters: Kommissar Faber (Jörg Hartmann, r.)
(Foto: WDR/Frank Dicks)
Tote Polizisten und ein Islamist mit Sprengstoffgürtel: Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verschiebt die ARD ihren Terror-"Tatort" aus Dortmund auf das Osterwochenende - und wird erneut von der Realität eingeholt.
Selten hat ein "Tatort" im Vorfeld für so viel Wirbel gesorgt wie der neue Fall aus Dortmund: Eigentlich sollte "Sturm" bereits am 1. Januar ausgestrahlt werden, wurde dann aber von der Realität eingeholt und aus Pietätsgründen ins Frühjahr verlegt. Nun soll der Film wenige Tage nach dem Anschlag auf den BVB-Bus laufen - und nur Wochen nach den Attentaten von Stockholm und St. Petersburg. Diesmal will die ARD nicht weiter verschieben, die große Frage bleibt indes dieselbe: Wann darf man einen Film über den Terror zeigen, wenn der eigentliche Terror da draußen schon allgegenwärtig ist?

Der kaltblütige Mord an zwei Kollegen ruft mitten in der Nacht die Kommissare Faber (r.) und Bönisch auf den Plan.
(Foto: WDR/Frank Dicks)
Die Debatte um "Sturm" versteht eigentlich nur so richtig, wer die Schlussszene des Streifens kennt - weil wir damit aber einen der spannendsten "Tatorte" der vergangenen Monate über die Maßen spoilern würden, hoffen wir, dass Sie sich auf unser Urteil verlassen, das da lautet: Den Film diesmal zu senden war genauso richtig wie ihn damals zu verschieben. Aber worum geht es eigentlich?
Packend bis zum schockierenden Ende
Am frühen Morgen werden in der Dortmunder Innenstadt zwei Polizisten aus nächster Nähe erschossen. Unweit vom Tatort entdeckt Kommissar Faber (Jörg Hartmann) einen Mann, der in den abgedunkelten Geschäftsräumen einer Bank Befehle in einen Computer hackt. Es ist der zum Islam konvertierte Muhammad Hövermann (Felix Vörtler), der in ebenjener Bank angestellt ist und nun offenbar eifrig Überweisungen an den IS ausstellt. Obwohl der Mann einen Sprengstoffgürtel trägt und damit droht, sich selbst und alle um ihn herum in die Luft zu jagen, klettert der nicht weniger lebensmüde Faber - quasi die Atombombe unter den Chefunterhändlern - zu Hövermann in die Bank, um den mutmaßlichen Terroristen zur Vernunft zu bringen. Draußen machen derweil Fabers Kollegen und das SEK Jagd auf die vermeintlichen Komplizen des Terrorbankers.
"Sturm" ist ein fast in Echtzeit erzählter und hochspannender Thriller, der die Zuschauer von der ersten Sekunde an packt und bis zum schockierenden Ende nicht mehr loslässt - einer von diesen Filmen, bei denen man selbst nach dem Abspann noch ein paar Minuten vor dem Bildschirm sitzen bleibt, weil man erst einmal verarbeiten muss, was hier eigentlich gerade passiert ist. Die Drehbuchautoren Lars Neuwöhner und Martin Eigler spielen mit Vorurteilen und drehen die Geschichte mit fortlaufender Dauer immer weiter in eine Richtung, die man nicht erwartet hätte - nur um am Ende, genau dann, wenn die Polizei alles im Griff zu haben scheint, den Spieß wieder um 180 Grad zu drehen.
Im Dortmunder Ermittlerteam selbst herrscht dabei nicht wie gewohnt Ausnahmestimmung, sondern seltene Harmonie - fast so, als würden die vier Ermittler im Angesicht der ganz großen Bedrohung ihren Kleinkrieg untereinander vergessen. Gut, dass Faber selbst in Höchstform ist: "Das Allergeilste ist doch, ihre Angst zu sehen, Herr Hövermann", treibt der Bulle mit dem preisverdächtig irren Blick den vermeintlichen Terroristen vor sich her. Dass am Ende aber selbst Faber mit Horror in den Augen durch die Szenerie schlafwandelt, ist bezeichnend für die Relevanz dieses "Tatorts".
Quelle: ntv.de