
Er pichelt wieder: Nino de Angelo.
(Foto: picture alliance / zb)
Das Jahr ist noch jung, aber Nino de Angelo ist emotional schon auf den Barrikaden. Der Grund: dumme und anmaßende Kommentare auf seinem Social- Media-Account, weil der Sänger wieder Alkohol trinkt. Sein Motto: "Wer klüger trinkt, hat mehr vom Leben."
Als wäre es gestern gewesen, sehe ich noch heute folgende Szene vor mir: Es sind die 80er-Jahre, mein Bruder und ich sitzen mit den Eltern auf der blauen Klappcouch und in der Glotze läuft die Hitparade mit Dieter Thomas Heck. Nino de Angelo schmettert seinen Erfolgssong "Jenseits von Eden" und Mutter sagt schwärmend und drohend zugleich: "So, jetzt bitte absolute Ruhe!" Auf dem Tisch stehen zwei leere Bierflaschen von Vater. Es war die Zeit vor seinen Besuchen bei den Anonymen Alkoholikern und damit, liebe Leserinnen und Leser - Vip Vip, Hurra! Willkommen zur ersten Kolumne 2023, verbunden mit den besten Wünschen fürs neue Jahr.
Und? Haben Sie sich Silvester auch das eine oder andere Gläschen Schampus gegönnt? Mit dieser Frage sind wir nämlich direkt bei unserem heutigen Promi: Nino de Angelo. Als Nino in den 80ern seine Hits zum Besten gab und damit viele Fan-Herzen höherschlagen ließ, war an ein digitales Irrenhaus namens Instagram noch nicht zu denken. Stars gaben Interviews in Zeitschriften, die man sich am Kiosk kaufte, und ihre Konterfeis prangten als große "Bravo"-Starschnitte an den Wänden unzähliger Kinder- und Jugendzimmer. Heute nutzen natürlich auch Promis fleißig die verschiedenen Social-Media-Plattformen, aber oft tun sie sich mit ihren selbst gefilmten Tänzen, Ausrastern, Botschaften oder Schmink-Tutorials keinen Gefallen. Die angestrebte Nahbarkeit geht nicht selten mit einer kompletten Entzauberung der Person einher.
"Wer klüger trinkt, hat mehr vom Leben"
Auch Nino de Angelo nutzt die sozialen Medien für den Austausch mit seinen Fans. Zu sehen: Bilder des Sängers mit Kollegen, philosophische Sprüche, vielseitige Ausschnitte aus dem Leben des Künstlers. Nun ist dem 59-Jährigen aber der Kragen geplatzt. Der Grund: Er pichelt wieder. Dass der Schlager-Star Alkohol konsumiert, ist hinlänglich bekannt. Er selbst sprach davon, mehrere Monate trocken gewesen zu sein, sagte aber auch: "Nüchtern betrachtet war es besoffen doch besser."
Der Deutsch-Italiener hat ein bewegtes Leben hinter sich. Ein bisschen scheint es, als habe er drei Leben gleichzeitig geführt - positiv wie negativ. Er kämpfte gegen Lymphknotenkrebs, eine Spiel- und Kokainsucht, leidet an einer Autoimmunkrankheit und als wäre das noch nicht genug, musste er sich auch einer Herz-OP unterziehen, bei der ihm zwei Bypässe gelegt wurden.
Nino de Angelo scheint, wie viele Künstler, ein Mensch der Extreme zu sein. Als solchem ähnelt seine Einstellung zum Alkohol der von vielen Menschen, nicht nur kreativen. Nicht erst seit Amy Winehouse wissen wir: Saufen gilt seit jeher als Droge für das Künstlerdasein. Schon F. Scott Fitzgerald sagte einst: "Trinken ist das Laster des Schriftstellers."
Der große Hemingway soll auch schon mal mehr als 50 Martini-Cocktails die ewig durstende Kehle heruntergespült haben, Jackson Pollock, bedeutendster Maler des abstrakten Expressionismus, war nicht der Einzige, der sich vollgetankt hinters Lenkrad setzte und so sein Leben mit 44 Jahren verlor. Und bei Charles Bukowski soll der Rausch nicht die Ausnahme, sondern die Regel gewesen sein. Alkoholkonsum gehört - wie gesagt - nicht nur für Künstler zum Alltag. Doch wie sooft geht mit der Trunksucht eine Verharmlosung und Romantisierung einher, gefolgt von der Annahme, ein Gläschen Rotwein oder Schnaps steigere die kreative Schaffenskraft. Für viele ist exzessiver Alkoholmissbrauch gar die Grundvoraussetzung, dass überhaupt der Motor anspringt.
Und so sehen wir eben auch Nino de Angelo dabei zu, wie er sich am Alkohol berauscht, und wie er sich, wenn er krank ist, seine ganz eigene "Medizin" braut und der Meinung ist: "Wer klüger trinkt, hat mehr vom Leben."
"Leben und leben lassen"
Zu Silvester gab es "Williamsbirne mit Wodka. Supi! Mit süßem Saft die beste Basis für den Rotwein." Leider sei die Flasche sehr schnell leer gewesen. Und wie es nun mal so ist, wenn man seinen Lebensstil und die Freude am Alk nach außen propagiert: Die gutgemeinten Ratschläge und bösen Kommentare lassen nicht lange auf sich warten. Wer den Sänger verfolgt, weiß, wie schlecht es um seine Gesundheit steht und das sein Künstlerdasein auch ein Kampf gegen die Sucht ist. Mit Beschimpfungen oder Beleidigungen erreicht man aber vor allem eines: Betroffene negativ zu triggern.
Wegen all der vielen Kommentare, die sich unter seinen Suff-Posts befinden, flog Nino de Angelo nun sprichwörtlich die Hutkrempe weg: "Könnt Ihr nicht alle vor eurer eigenen Haustür kehren und mich mein Leben so leben lassen, wie ich will? (…) Und wenn ich einen Wodka-Shot trinke an Silvester und ein Glas Rotwein, dann ist das meine Sache. (…) Eure dummen Kommentare gehen mir auf den Sack. (…) Lasst Menschen in Ruhe! (…) Ich bin weder Alkoholiker noch sonst irgendeine Scheiße, die ihr euch in eurer Kack-Birne ausmalt. Ich bin ich und ihr seid ihr! Ich kümmere mich auch nicht, um den Scheiß, den ihr macht. (...)"
Selbstredend sorgt das Feedback des Sängers auf die Kommentare nicht für die gewünschte Ruhe - im Gegenteil. Es polarisiert. So sagen die einen: "Er hat vollkommen recht. Jeder ist für sein eigenes Leben verantwortlich und sollte die Energie lieber da reinstecken." Und die anderen: "Alk-Posts sprechen für sich. Genauso wie die Stimmungsschwankungen. Diese Ambivalenz ist pathologisch. Als Vorbild dient man so nicht, Alkohol-Überkonsum ist nicht zu relativieren. Traurig." Und: "Wenn es dich nervt, was andere denken, dann höre auf, so was zu posten. Du machst doch alles öffentlich. Melde dich in den sozialen Medien ab und dann hast du deine Ruhe. (…) Du bist total aggressiv. Aber dein Problem. Dann poste aber nicht ständig, dass du am Saufen bist."
Die Illusion vom kontrollierten Trinken
Viele Fans wollen den Sänger für seine Einstellung einfach nur "umarmen", frei nach dem Motto: "Leben und leben lassen." Sie sind dankbar, dass Nino ausspricht, was sich viele nicht trauen. ("Du bist ein erwachsener Mann und kannst alleine entscheiden, was du tust.") Die meisten aber eint die sorgenvolle Frage: "Was glaubst du, wie lange dein Körper das noch mitmacht? (…) 59 Jahre und ein uralter Mann. Lass dir helfen!"
Ratschläge hin, Beleidigungen her: Alkohol wird in unserer Gesellschaft immens verharmlost. Aus eigenen Erfahrungen kann ich sagen, es ist eine Illusion zu glauben, als (trockener) Alkoholiker "kontrolliert" trinken zu können. Wer das nicht einsehen will, den hat diese Sucht schon längst in den Abgrund gerissen. Es ist nicht die Aufgabe von Social Media, Nino de Angelo zu maßregeln, dass er sich im freien Fall befindet. Natürlich ist es nicht sonderlich schlau, irgendwelche Alk-Postings ins Netz zu blasen. De Angelo selbst sagt, er wolle niemanden zum Trinken animieren. Er habe für sich aber entschieden: "Das Leben ist zu kurz, um auf die schönen Dinge des Lebens zu verzichten. Dazu gehören für mich nun mal ein guter Drink und eine edle Zigarre."
Quelle: ntv.de