
Captain Berlin im Kampf gegen Nazis - er ist der Urvater aktueller deutscher Superhelden.
(Foto: Weissblech Comics)
Ja, es gibt sie: die Beschützer deutscher Städte und Schlafzimmer, die Konkurrenz für Superman und Captain America. Auf dem nun beginnenden Comic-Salon in Erlangen präsentieren sich mehrere deutsche Superhelden-Serien, mit Humor und viel Lokalkolorit.
An Wonder Woman und Batman, an Deadpool und den Avengers kommt man heutzutage nicht mehr vorbei. Aber was ist eigentlich mit deutschen Superhelden? Wer beschützt Berlin, Köln und München gegen Schurken und Verbrecher? Auf dem nun beginnenden Internationalen Comic-Salon in Erlangen kann man sich überzeugen, dass es sie gibt: deutsche Superhelden.

Die Helden machen sich bereit - Szene aus dem ersten Heft der LDH.
(Foto: LDH - Liga Deutscher Helden)
Da wäre etwa die Liga deutscher Helden, kurz LDH, deren drittes Heft druckfrisch auf dem Comic-Salon präsentiert wird. Damit endet die erste Miniserie mit dem Superhelden-Team um Captain, Gamsbart, Lorelei, Chimäre und Jeck. Die LDH ist ein ambitioniertes Projekt mehrerer deutscher Comic-Künstler. Inspiriert wurden sie aber von Kollegen aus Österreich, denn die LDH existiert im selben Universum wie die etwas älteren Austrian Superheroes (ASH). Ziel beider Serien ist es, heimische Superhelden zu etablieren und ein Universum ähnlich dem der US-Verlage Marvel und DC zu schaffen.
Dem US-Vorbild eifert man durch die Veröffentlichung in Heftform nach und durch Variant-Cover von Künstlern wie Ralf König und Fil. Zudem will man die amerikanischen Kollegen nicht parodieren. Die LDH will eine ernstzunehmende Comicserie sein, die in einer logisch abgeschlossenen Welt spielt. Betont wird aber auch das heimische Element: Deutsche Städte werden zu Schlachtfeldern, es gibt kulturelle Anspielungen. Der kölsche Jeck, Gamsbart aus Bayern oder Chimäre aus der ehemaligen DDR stehen für regionale Besonderheiten und ihre Geschichte. In den ersten Heften erhalten sie noch Unterstützung durch lokale Helden wie Watzmann, Göre oder den Blanken Hans.
Allerdings wirken all diese Namen etwas altbacken. Auch die Mutanten-Geschichte der ersten Hefte kann nicht wirklich überzeugen, zu oft bedient man Klischees. Etwas jünger, etwas frischer hätte es schon sein dürfen zum Auftakt der LDH. Zeichnerisch überzeugen zwar einige Elemente wie etwa die gruselige Gestalt des Captain oder das moderne Layout. Doch insgesamt wirken die Seiten etwas zu chaotisch und uneinheitlich. Wahrzeichen wie der Berliner Dom wurden offenbar als Fotos in die Seiten kopiert und dann zeichnerisch verfremdet. Auch Gesichter, mit denen sich Crowdfunding-Unterstützer im Heft verewigen konnten, passen nicht zum Rest der Zeichnungen. Mehr Liebe zum Detail wäre gerade hier, bei einem Markenzeichen der Serie, gut gewesen. Halbgar ist auch ein anderes Markenzeichen, der Einsatz von Dialekten. Diese werden reichlich eingesetzt, nur müssen dann viele Ausdrücke in Kästchen erläutert werden, was auf Dauer stört.
Die LDH hat eine gute Idee: Superhelden mit Verankerung in Deutschland zu schaffen. Doch bei der Umsetzung hapert es bisher, es fehlt an Originalität. Und etwas Ironie kann in diesem Genre auch nie schaden - denn die gibt es auch bei den großen Vorbildern aus den USA. Die 36-seitigen Hefte der LDH sind über deren Seite sowie im Comic- und Bahnhofsbuchhandel erhältlich. Einen Eindruck von der Serie erhält man in der achtseitigen Nullnummer, die kostenlos online abrufbar ist. Ob weitere Hefte erscheinen, wollen die Macher nach eigenen Angaben im Sommer entscheiden.
Köln: Nebenberufliche Schurken-Jägerin
Geht es um Humor, ist "Nerd Girl" das genaue Gegenteil zur Liga Deutscher Helden - obwohl ihre Erfinderin Sarah Burrini als einzige Frau auch zu den LDH-Machern gehört. In ihrem Soloprojekt zielt sie allerdings auf witzige Überzeichnung ab, auf Slapstick und Kalauer. Kein Wunder: Burrini ist bekannt für ihre preisgekrönte Strip-Serie "Das Leben ist kein Ponyhof". Mit den ganzseitigen Folgen von "Die nebenberuflichen Abenteuer von Nerd Girl" hat sie nun einen Ableger geschaffen. Einen doppelbödigen noch dazu, denn schon der "Ponyhof" ist eine autobiografisch gefärbte Strip-Serie und "Nerd Girl" dann sozusagen die geheime Identität Burrinis.
Superkräfte? Fehlanzeige! Was Nerd Girl aber nicht davon abhält, sich mit den Schurken der Kölner Unterwelt anzulegen. Zum Comic-Salon erscheint nun erstmals auch ein 28-seitiges Heft mit ihren Abenteuern, es sammelt zum Großteil bereits online veröffentlichtes Material. Darunter ist mit "Fast Food Fatal" auch der erste Teil einer längeren Geschichte, in der Nerd Girl üblen Machenschaften in der Imbiss-Szene auf der Spur ist.
Dank jahrelanger Übung hat Burrini ihren schwunghaften, überspitzten Stil perfektioniert, den sie hier durch Experimente mit Seitenlayout und Perspektiven ergänzt. Zudem hat sie ein Gespür für Pointen und schreckt nicht davor zurück, ihre Heldin - und damit sich selbst - durch den Kakao zu ziehen. Der Kölner Lokalkolorit ist vorhanden, aber angenehm unaufdringlich. Wer es witzig mag, wird sich mit dem ersten "Nerd Girl"-Heft sehr gut amüsieren, dem ein bis zwei weitere folgen sollen. Erhältlich ist es derzeit über den Verlag Edition Kwimbi und im ausgewählten Comic-Handel.
München: Knödel-Kanone und Papst Bräu
Was dem Kölner "Nerd Girl", ist dem Münchner "Tracht Man". Statt auf Slapstick wie Burrinis Reihe setzt die Serie von Christopher Kloiber aber eher auf herrlich überzogene Action, die viele Elemente von US-Superheldenheften aufweist, sich selbst aber nicht ernst nimmt. So bekommt es der Beschützer der bayerischen Hauptstadt schon im ersten Heft mit einer Wildsau mit Pickelhaube zu tun, gesteuert von einem Erzfeind.
"Tracht Man" balanciert sehr geschickt auf dem Grat, der der Hauptfigur in ihrem Universum einerseits eine gewisse Ernsthaftigkeit zugesteht, andererseits die Handlung aber so überspitzt, dass die Parodie erkennbar wird. Auch Anspielungen auf Münchner Sehenswürdigkeiten und Traditionen fehlen nicht. Wobei Kloiber anders als die LDH aus regionalen Gegensätzen seinen Humor zieht: mit dem "Saupreußen" als Feind und einem Franken als Superschurken. Was nicht heißt, dass hier nicht auch über bayerische Macken gelacht werden kann, dafür sorgen Knödel-Kanone und Papst Bräu, die die schönen Actionsequenzen konterkarieren.
Im Grunde verfolgt "Tracht Man", erschienen bei Plem Plem Productions, ein ähnliches Konzept wie die "Liga Deutscher Helden", findet aber den besseren Ton. Die Gestaltung ist etwas altmodischer, aber nicht langweilig, eher im Gegenteil: nämlich aufgeräumter. Einziger Wermutstropfen dieser gelungenen Serie, die auf dem Comic-Salon für den Max-und-Moritz-Publikumspreis nominiert ist: Weil Kloiber sie allein gestaltet, soll es nur zwei Ausgaben pro Jahr geben. Die bisher drei Hefte sind über den Verlag erhältlich sowie im Comic- und ausgewählten Buchhandel.
Berlin: Hitlers Erzfeind
Ebenfalls rundum gelungen ist eine Serie von den "Saupreußen": "Captain Berlin" ist in gewisser Weise der Urvater der heutigen deutschen Superhelden. Denn Regisseur und Autor Jörg Buttgereit erfand die Figur bereits 1982. Allerdings tauchte er dann erst 2006 wieder auf, in einem Hörspiel und auf der Bühne, bevor er 2009 auch zum Comic-Helden wurde. Inzwischen ist daraus eine Serie mit sieben Ausgaben geworden. Da die ersten vier Hefte weitgehend vergriffen sind, hat der Weissblech-Verlag sie nun in einem Sammelband neu aufgelegt, angereichert durch Hintergrundmaterial.
Captain Berlin resultiert aus Buttgereits Liebe zu alten Comic-Serien, wie er einmal n-tv.de sagte. Und das merkt man schon am Cover, das eine Hommage auf das erste Captain-America-Heft ist. Hitler, den der Captain da niederschlägt, taucht immer wieder auf, genau wie seine teuflische Gehilfin Ilse von Blitzen. Daneben muss sich der Superheld aber auch der Experimente durch Dr. Tsuburaya erwehren und gegen Aleister Crowley oder die Bestie von Fukushima antreten. Aus Pulp, Popkultur und japanischen Monstern mixen Buttgereit und die anderen Mitarbeiter der Serie eine funkelnde Perle der Trash-Kultur. Kein Superschurke kann hier zu abstrus sein, keine Geschichte zu bizarr.

Auf dem Cover von "Captain Berlin Supersammelband" streckt der Held seinen Erzfeind nieder.
(Foto: Weissblech Comics)
Wobei man dem Sammelband anmerkt, dass das Konzept in den ersten Heften noch nicht ganz ausgereift war. Vor allem graphisch geht es da wild durcheinander und nicht immer ist das so qualitativ wie bei Zeichner Rainer F. Engel. So kann vor allem die erste Hälfte des Sammelbandes überzeugen, in der die längeren Titelgeschichten der jeweiligen Hefte abgedruckt sind, während die Extra-Storys weiter hinten etwas abfallen. Wer Gefallen gefunden hat, dem seien auch die späteren Hefte empfohlen, vor allem die Abenteuer mit Genosse Berlin und dem VHS-Mann sind ein großer Spaß. Die Einzelhefte sind beim Verlag oder im Comic-Handel erhältlich. Den "Captain Berlin Supersammelband" gibt es im Buchhandel und etwa bei Amazon.
Quelle: ntv.de