Bücher

"Du haust am besten!" Manuela, die Domina aus der Herbertstraße

Herbertstraße, St. Pauli, Hamburg: Eintritt für Frauen und Männer unter 18 verboten - juristisch gesehen darf hier jeder durch, aber von den Frauen, die hier arbeiten, ist nur potenzielle Kundschaft erwünscht.

Herbertstraße, St. Pauli, Hamburg: Eintritt für Frauen und Männer unter 18 verboten - juristisch gesehen darf hier jeder durch, aber von den Frauen, die hier arbeiten, ist nur potenzielle Kundschaft erwünscht.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ihre Gäste lassen sich von ihr in die Welt des Schmerzes und der totalen Unterwerfung führen. Und wenn sie zufrieden waren, kommen sie immer wieder: Manuela Freitag ist die dienstälteste Domina in der Hamburger Herbertstraße. In ihrem Buch nimmt sie die Leser mit in diese Welt.

Herbertstraße, Hamburg: Man hat sofort Bilder im Kopf. Schilder versuchen Frauen und Minderjährige aus der Straße fernzuhalten, es ist dunkel, viel Rotlicht natürlich, Fenster links und rechts, dahinter sitzen Frauen. Eine von ihnen ist Manuela Freitag, die dienstälteste Domina in dieser ganz speziellen Straße und mit ihren 57 wohl mittlerweile auch die an Lebensjahren älteste. Seit etwa 30 Jahren arbeitet sie hier "auf Stiefeln", also als Domina. Prostituiert hat sie sich schon mit 12, erst auf dem Babystrich in Bremen, dann in Hamburg, auch in Clubs und Wohnungen.

"Manu" hat also einiges erlebt und darum viel zu erzählen - das tut sie im Buch "Herbertstraße: Kein Roman. Mein Leben als Domina". Und sie spart nichts aus, keine Härten, keine Abstürze. Sie nimmt die Leser mit auf ihren Weg vom Pflege- und Heimkind über die Straßenhure mit Zuhälter zur selbstbestimmten, selbstbewussten Domina mit geradezu preußischer Disziplin, die sagt: "Man darf sich am Fenster niemals gehen lassen".

Eine Domina führt ihren Sklaven an einer Hundeleine auf St. Pauli durch die Herbertstraße.

Eine Domina führt ihren Sklaven an einer Hundeleine auf St. Pauli durch die Herbertstraße.

(Foto: picture alliance / Markus Scholz)

Denn das Geschäft des Koberns - des Anlockens der Gäste - ist ein hartes. Die Konkurrenz ist größer geworden, stellt Manuela Freitag fest - viele normale Prostituierte bieten etwas Domina-Ähnliches an, die "Möchtegerndominas" hätten keine Ahnung von dem Geschäft und versauten so den Standard. Den hält sie hoch, bei ihr kann der Gast - es sind fast ausschließlich Männer, nur selten mal eine begleitende Frau oder ein Paar - sich darauf verlassen, dass er bekommt, was er wünscht und erwartet. Eier abbinden oder aufspritzen, Wachs, Nadeln, Hundeleine, Hintern versohlen natürlich, normales Programm. Es gibt nur wenige Dienste, die Manuela Freitag verweigert - Cock Stuffing ja, aber nicht mit dem Besenstiel, das geht ihr zu weit. Schmerzen - ja, natürlich, Schmerzen sind ihr Geschäft, aber nicht, bis der Arzt kommt.

"Warum wollen die das?"

ANZEIGE
Herbertstraße: Kein Roman. Mein Leben als Domina
189
13,99 €
Zum Angebot bei amazon.de

Wenn man sich fragt, mit welchen Wünschen die Gäste ihre Dienste in Anspruch nehmen und vor allem warum - da lässt Manuela schon einen tiefen Blick in ihr Reich der Unterwerfung, der Macht, der Erniedrigung zu. Über die Beweggründe jedoch kann sie nur Vermutungen anstellen, sie selber teilt diese sexuellen Vorlieben nicht, sie bedient sie nur und zwar so, dass ihre Gäste zufrieden sind und möglichst oft wiederkommen. Manche sagen ihr: "Du haust am besten!"

So wie der 72-jährige Joe, einer ihrer Stammkunden, seit 50 Jahren verheiratet, seit 35 Jahren hat er keinen Sex mehr mit seiner Frau. Im Kapitel "Protokoll eines Sklaven" erzählt er offen, warum er zu Manuela geht, was ihm den Kick gibt, sich ihr immer wieder total zu unterwerfen und sie dann dafür zu bezahlen: "Ich will einfach dominiert werden. Ich bin Sklave, weil ich dominiert werden will. Während der Sessions habe ich nichts zu melden." Joe ist nicht so sehr auf den Schmerz fixiert und auch nicht auf den Sex an sich, "sondern darauf, gehorsam zu sein". Aber Manuela ist nicht nur seine Domina - eine Session bei ihr sei auch wie der Besuch bei einer Psychologin, wie eine Therapiestunde, er erzähle ihr alles, sie telefonierten jeden Tag und gingen auch mal essen.

Kundschaft vom Malocher bis zum Manager

"Eine perfekte Domina ist unberührbar", schreibt Manuela Freitag.

"Eine perfekte Domina ist unberührbar", schreibt Manuela Freitag.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

So verschieden die Wünsche ihrer Gäste, so verschieden ist auch deren soziale Herkunft, Beruf oder Gehaltsklasse - vom einfachen Arbeiter bis zum Manager oder Starkoch sei alles dabei, erzählt die "Prostituierte aus Überzeugung". Wobei das Geschäft natürlich so diskret abläuft, dass sie nicht fragt, womit sie ihr Geld verdienen - manche erzählen es von selbst, manchmal fragen sie Kolleginnen: "War das nicht eben der bekannte Schauspieler ... bei dir?"

So diskret sie in Bezug auf ihre Gäste ist, so freimütig erzählt sie über sich. Warum sie Prostituierte und Domina wurde, und zwar aus freien Stücken und ohne Zwang, wie sie mehrfach betont? Weil sie so hoffte, ihre Mutter zu finden, die auch anschaffen ging und die sie nie kennengelernt hat. Weil es gutes Geld ist (oder zumindest war) und weil sie gemerkt hat, dass sie es kann. Und weil ihr andere Jobs weniger oder gar keinen Spaß machten. Warum sie in der sehr unfreundlich erscheinenden Zeit von 2 Uhr nachts mit 12 Uhr mittags arbeitet? Weil die Männer im Kiez da meist betrunken und leichter zu überreden sind, ihre Brieftaschen zu öffnen. Ihre dicken Lippen? Sind echt, ihre riesigen Brüste nicht, da hat sie mehrmals was machen lassen, auf die ist sie stolz.

Domina? Interessant, aber igitt

So stolz wie auf ihren Sohn - er ist für Manuela etwas, das sie "geschafft hat". Ein sehr zwiespältiges Kapitel in ihrer Geschichte, denn andererseits gibt sie zu, dass sie ihn als Kind lange Zeit bei einer (miesen) Tagesmutter gelassen hat, wo ihr Sohn sehr unglücklich war. Noch härter: Als sie vor etwa 15 Jahren nach einer unglücklichen Beziehung einen Selbstmordversuch unternahm, war es ihr Sohn, der sie fand und rettete. Auch das lässt sie in ihrem Buch nicht aus, die dunklen Seiten, die Abstürze: ihre Spielsucht, die sie zwischenzeitlich in den finanziellen Ruin getrieben hat - und die sie überwinden konnte. Sie verschweigt nicht, dass sie unter Einsamkeit leidet und unter mangelnder Akzeptanz, unter sozialer Ausgrenzung. Auf Partys etwa fänden zwar alle erstmal ihren Job interessant und fragten sie aus, aber dann sei sie doch igitt, nicht wirklich gesellschaftsfähig.

Mehr zum Thema

"Mein Leben als Domina" kommt daher wie ein langes Gespräch mit Manuela Freitag, in dem sie ihr Herz ausschüttet und ihre Lebensgeschichte ausbreitet - aber gar nicht traurig oder verbittert, sondern selbstbewusst, ehrlich und voller Humor. Man meint, ab und an ihr tiefes, rauchgeschwängertes Lachen zu hören. Und auch durch Corona lässt sie sich nicht unterkriegen, obwohl die Pandemie und die Maßnahmen dagegen große Probleme für sie und ihre Kolleginnen mit sich brachten. Erst mussten sie lange schließen, die blanke Existenzangst ging um. Seitdem sie wieder arbeiten dürfen in der Herbertstraße und drumrum im Kiez, gehen die Geschäfte sehr schlecht: viele Frauen kämpfen um wenige Kunden, teilweise kämen nur 50 Euro pro Schicht rein, unfassbar wenig.

Aber aussteigen kommt für Manuela nicht infrage, noch nicht: "Gerade jetzt gebe ich nicht auf. Ich wurde eingesperrt und geschlagen, ich habe mich von den Zuhältern freigekauft und von der Spielsucht befreit, jetzt lasse ich mich auch nicht von einer Pandemie unterkriegen. Wann Schluss ist, entscheide immer noch ich."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen