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Genosse Cowboy, Bier und Marx Lucky Luke bekommt es mit deutschen Siedlern zu tun

Wanderer über dem Rauchmeer: Lucky Luke erreicht Milwaukee.

Wanderer über dem Rauchmeer: Lucky Luke erreicht Milwaukee.

Lucky Luke ist bereits den komischsten Gesellen begegnet. Doch es dauert bis Band 102, dass er es mit deutschen Einwanderern zu tun bekommt. Und nicht irgendwelche: Es sind Bierbarone, Marxisten und Streikbrecher - in einem Band voller Anspielungen auf deutsche Marotten.

Lucky Luke ist auch nicht mehr der Jüngste. Das merkt der Cowboy, als er sich bei einem Duell einen Hexenschuss zuzieht. Ein Arzt muss her - und den gibt's im Wilden Westen nicht gerade um die Ecke. Fündig wird Lucky Luke in dem Westernstädtchen Neu München - doch der Mediziner ist nicht der letzte Deutsche, der ihn in diesem Abenteuer über den Weg läuft.

Bierbarone: Deutsche Einwanderer gründen viele Brauereien - einige gibt es bis heute.

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(Foto: 2024 Lucky Comics / Story House Egmont)

Ja, im Wilden Westen treffen alle möglichen Menschen aufeinander. Irgendwann musste es Lucky Luke auch mit den vielen deutschstämmigen Einwanderern zu tun bekommen. In "Letzte Runde für die Daltons", Band 102 der Reihe, ist es so weit. Und wie der Titel suggeriert, geht es dabei auch um eine deutsche Spezialität: Bier. Davon gab es vor allem in Wisconsin jede Menge - Schlitz, Miller, Pabst oder Falk hießen die deutschstämmigen Bierbarone, deren Marken es teils bis heute gibt.

Lucky Luke allerdings bekommt es mit der Brauerei Martz in Milwaukee zu tun. Deren Fässer stehen still, weil die Arbeiter in Streik getreten sind. Der Cowboy soll schlichten, denn ohne Bier ist es im Wilden Westen seltsam ruhig. Gar nicht so einfach: Brauereichef Martz, auch er ein deutscher Einwanderer, ist ein Ausbeuter par excellence, sein Gegenspieler wiederum ein marxistischer Klassenkämpfer. Als dann auch noch Häftlinge, darunter die berüchtigten vier Daltons, als Streikbrecher eingesetzt werden, läuft das Fass über. Wird das deutsche Bier jemals wieder in Strömen fließen?

Deutsche Sprache wird in Fraktur dargestellt: Diesen Kniff, auf den Übersetzer Klaus Jöken zurückgriff, gab es schon bei "Asterix".

Deutsche Sprache wird in Fraktur dargestellt: Diesen Kniff, auf den Übersetzer Klaus Jöken zurückgriff, gab es schon bei "Asterix".

(Foto: 2024 Lucky Comics / Story House Egmont)

Eine Liste mit deutschen Klischees

Achdé, Zeichner des Comics, bevorzugt sowieso belgisches Bier. Autor Jul liebt Bier aus Tschechien. So käme wenigstens kein Streit auf zwischen Deutschland und ihrer Heimat Frankreich, sagt Jul im Interview mit ntv.de. Die Idee für das Abenteuer hatte er ausgerechnet in Berlin, als er vor der Vorstellung eines früheren Lucky-Luke-Abenteuers ein Nickerchen in der belgischen Botschaft hielt - Lucky Luke ist schließlich ursprünglich eine belgische Reihe. Zwei Jahre später ist der Band fertig - und er lebt natürlich von den Spitzen, die gegen deutsche Eigenheiten ausgeteilt werden.

Wobei es Jul nicht darum ging, die Klischees zu bedienen. "Ich wollte mich über sie lustig machen, sie ad absurdum führen", erklärt er. "Dafür habe ich eine Liste angelegt, angefangen mit der Kultur." Am Ende standen so viele Klischees auf der Liste, dass Jul eine Auswahl treffen musste. So finden sich Anspielungen auf den Blauen Reiter und Marlene Dietrich im Band, aber auch auf Caspar David Friedrich und Richard Wagner. Und auf die deutsche Verehrung des Automobils.

Deutscher Einwanderer: Ein gewisser Frederick Trump, der auch mit Freudenhäusern sein Geld verdiente.

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Natürlich haben Achdé und Jul auch "Asterix und die Goten" von 1961 gelesen, in dem die Gallier nach Germanien aufbrechen - und deutsche Marotten genüsslich durch den Kakao gezogen werden. Vor allem der deutsche Militarismus wird auf die Schippe genommen. Jul hat jedoch festgestellt, dass viele der Klischees in dem Band heute nicht mehr funktionieren würden. "Deutschland hat sich völlig gewandelt", sagt er. Man könne heute nicht mehr dieselben Klischees bedienen wie damals.

Werk kongenial fortgeführt

Der neue "Lucky Luke" ist daher in gewisser Weise eine Aktualisierung, ein satirischer Blick aus Frankreich auf das Deutschland der Gegenwart. Lucky Luke ist hier nach wie vor äußerst beliebt. Das liegt auch an Zeichner Achdé, der das Erbe von Morris, dem Schöpfer von Lucky Luke, seit mehr als 20 Jahren kongenial fortführt. Dabei gewinnt er dem Cowboy immer neue Seiten ab: "Man lernt immer dazu, vor allem durch die Anforderungen der Autoren", sagt der Zeichner im Interview. Und auch zeichnerisch versuche er, immer besser zu werden. Jul zumindest zeigt sich nach eigenen Worten immer wieder verblüfft, mit welchen Ideen Achdé die Textvorlagen umsetzt.

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Der neue Band war für Achdé schon deshalb eine Herausforderung, weil er in einer Großstadt spielt. Als Vorlagen dafür dienten ihm alte Fotos. "Seltsamerweise haben die Amerikaner sehr viele Fotos von Industrieanlagen gemacht, Innenansichten von Fabriken", sagt der Zeichner. Nur nach Ansichten von Milwaukee von oben, die er für eine Szene brauchte, habe er lange suchen müssen.

Für Jul wiederum ist es der fünfte "Lucky Luke". Er hat den Cowboy bereits nach Paris geschickt, in die Baumwollfelder der Südstaaten, hat ihn mit Vegetarismus konfrontiert und nun mit deutschen Brauern in Wisconsin. Das ist alles andere als ein geruhsames Leben in der Prärie. "Die Cowboys lebten nicht nur für sich", erklärt Jul seine Herangehensweise. "Sie haben Herden hin und her getrieben, waren Lebensmittellieferanten für die großen Städte an der Ostküste." Aus den Südstaaten seien wiederum Baumwolle und andere Produkte gekommen. Westen, Osten, Süden - alle drei Pole arbeiteten schon damals zusammen, standen in permanenter Verbindung.

Wie hält es Lucky Luke mit dem Alkohol?

"Ich möchte in den Alben darauf hinweisen, dass die Cowboys nicht isoliert sind, sondern in einem dynamischen Umfeld leben, mit dem sie im ständigen Kontakt sind", sagt der Autor. Das sei das System gewesen, in dem Cowboys wie Lucky Luke gelebt hätten. Letztlich sei das Habitat des Cowboys aber der Wilde Westen, die Prärie und die Wüste. "Er hasst es, irgendwo anders hingeschickt zu werden, da fühlt er sich nie wohl. Deswegen kommt er auch immer wieder zurück."

Dennoch ist der Cowboy stets zur Stelle, wenn ein Streit eskaliert, wo auch immer. Und sei es in Milwaukee. Ist der Band auch eine Anspielung auf die tiefe Spaltung, die die USA derzeit durchleben? "Konflikte und Gewalt spielen bei Lucky Luke im Hintergrund schon immer eine Rolle", sagt Jul und erwähnt etwa den Familienzwist in Painful Gulch (Band 26). "Es ist die Rolle von Lucky Luke, die beiden streitenden Seiten zu versöhnen. Er ist schließlich der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten." Vielleicht hätte Amerika gerade heute einen Lucky Luke nötig, fügt Jul noch an. Jemand wie er sei die einzige Chance, dass Amerika zusammenfindet.

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Bleibt noch eine Frage: Wie hält es Lucky Luke eigentlich mit dem Alkohol? Im Laufe der Reihe wurde ihm bereits das Rauchen abgewöhnt. In frühen Bänden genehmigt er sich aber durchaus auch ein Glas Alkohol beim Besuch einer Bar. "Das ist heute nicht mehr möglich", sagt Jul. So wie in Deutschland werde auch in Frankreich der Alkoholkonsum zunehmend in Frage gestellt und eingeschränkt, vielleicht sei die Debatte sogar noch härter als in Deutschland. "Wir hätten nie ein Album machen können, in dem es nur um Bier geht, zumal sich die Reihe an Jugendliche richtet", so der Autor. Ein gemeinsames Bier am Ende des Bandes gibt es also nicht. Aber das mit dem Sonnenuntergang ist wie immer. Gutes, heiles Amerika.

"Lucky Luke - Letzte Runde für die Daltons" (Egmont) ist bereits als Softcover im Zeitschriftenhandel erhältlich. Am 12. November erscheint das Hardcover im Buchhandel.

Zudem gibt es derzeit eine dreiteilige Doku von Jul zu sehen: "In den Fußstapfen von Lucky Luke". Der Autor beleuchtet darin verschiedene Aspekte des Wilden Westens und wie sie bis heute nachwirken.

Quelle: ntv.de

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