Wer wird hier verführt? Sofia Coppolas gefährliche Liebschaften
29.06.2017, 10:02 Uhr
Sie trägt den Namen ihres berühmten Vaters Francis Ford, ist aber schon lange ihre ganz eigene Marke im Filmgeschäft. Zwei Jahrzehnte lang schon wählt Sofia Coppola geschickt Geschichten für die Leinwand. Die Drehbücher schreibt sie selbst, Regie führt sie auch und mit einer Ausnahme ist sie auch immer als Produzentin gelistet. "Die Verführten" heißt der neue Film der 46-Jährigen. Er basiert auf einem Roman von Thomas P. Cullinan aus dem Jahr 1966. Fünf Jahre darauf wurde der Stoff bereits von Don Siegel verfilmt. Clint Eastwood spielt darin den Soldaten John, der zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs Zuflucht in einer Mädchenschule sucht. Nun erzählt Coppola aus Perspektive der Frauen, was sich nach Ankunft des Fremden abspielt. Mit n-tv.de hat sie über Machtkämpfe zwischen Männern und Frauen gesprochen - und über Colin Farrell als Sexobjekt.
n-tv.de: Die Frauen in "Die Verführten" haben schon eine ganze Weile keinen Mann mehr im Haus gehabt, als der verwundete Soldat auftaucht. Für gewöhnlich müssen in Filmen Frauen als Sexobjekte herhalten - in diesem Fall ist es umgekehrt. Hat Ihnen das besonderen Spaß bereitet?
Sofia Coppola: Es hat wirklich Spaß gemacht. Glücklicherweise war Colin (Farrell, der den Soldaten John spielt, Anm. d. Red.) kein Spielverderber. Ich glaube, auch alle Schauspielerinnen hatten ihre Freude daran. Für gewöhnlich ist es ja andersherum.
Machtspiele nehmen eine zentrale Rolle im Film ein. Würden Sie sagen, dass sich Macht und Unterdrückung je nach Geschlecht unterschiedlich ausdrücken?
In der Beziehung von Männern und Frauen gibt es viele Machtverschiebungen. Sich dem Thema auf so eine extreme Weise zu nähern, mit so einer melodramatischen Geschichte, war interessant.
Am Ende gibt es eine Menge Opfer, aber ein Schuldiger lässt sich nicht so richtig ausmachen. Sollen sich Zuschauer überhaupt die Schuldfrage stellen?
Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Die Frauen begegnen dieser angespannten Situation mit Stärke. Hoffentlich werden sie die Zuschauer überraschen.
Es ist zum Beispiel schwer zu entscheiden, ob Colin Farrell einen Charmeur oder einen Schurken spielt.
Genau das hat mir an der Geschichte gefallen. Man weiß es nicht genau. Schon der Titel "Die Verführten" lässt doch die Frage offen, wer verführt wird. Das Publikum erlebt ihn aus Sicht der Frauen.
Es war vermutlich gar nicht so leicht, jemanden zu finden, der die Ambivalenz spielen kann, die die Figur mit sich bringt, oder?
Als ich Colin kennengelernt habe, wusste ich, dass er seine Arbeit gut machen würde. Er ist charmant, aber er hat auch eine dunkle Seite. Er ist kompliziert. Das gibt den Zuschauern etwas zum Nachdenken.
Bei den Hauptdarstellerinnen wussten Sie genau, wen Sie besetzen wollten. Mit Kirsten Dunst und Elle Fanning hatten Sie bereits zusammengearbeitet …
Ich liebe es, mit Kirsten zu arbeiten. Als ich zum ersten Mal wirklich darüber nachgedacht habe, die Geschichte zu verfilmen, kam mir sofort Kirsten als Lehrerin in den Kopf. Elle war elf, als ich sie das erste Mal getroffen habe. Jetzt war sie alt genug, um die Schülerin zu spielen (Fannings Figur Alicia setzt ihre Sexualität gezielt ein; Anm. d. Red.). Es ist toll, die beiden in ganz unterschiedlichen Phasen ihres Lebens zu beobachten.
Und wieso Nicole Kidman?

Mit Kirsten Dunst hat Sofia Coppola schon mehrfach zusammengearbeitet - 1999 bei "The Virgin Suicides" und 2006 bei "Marie Antoinette".
(Foto: Focus Features)
Schon während ich das Drehbuch geschrieben habe, habe ich mir Nicole Kidman als Schulleiterin vorgestellt. Ich dachte mir, sie würde die Rolle mit viel Humor und Emotion spielen. Ich bin sehr froh darüber, dass sie zugesagt hat.
Bei der Pressekonferenz im Rahmen der Filmfestspiele haben all Ihre Hauptdarsteller zugesagt, mit Ihnen auch das Telefonbuch zu verfilmen. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie so etwas hören?
Es ist so schön, mit Schauspielern zu arbeiten, die engagiert sind und wirklich an mich glauben. Das sorgt für eine angenehme Arbeitsatmosphäre.
In Cannes wurden Sie für die beste Regie ausgezeichnet - als zweite Frau überhaupt. Danach gab es Stimmen, die als wirklichen Schritt für Frauen im Filmgeschäft nur eine Palme d'or gelten lassen wollten. Wie stehen Sie dazu?
Ich freue mich wahnsinnig über den Preis! Es ist eine Ehre. Die ganze Sache war sehr aufregend.
Indem Sie einen Haufen Frauen besetzen, kreieren Sie neue Möglichkeiten für Schauspielerinnen. Schreiben Sie gezielt Rollen für Frauen?

Sofia Coppola (unten Mitte) hat für ihren neuen Film fast nur Frauen besetzt.
(Foto: Focus Features)
Ich interessiere mich für weibliche Figuren, weil ich dazu als Frau eine Beziehung habe. Es ist großartig, mit einer Gruppe Frauen verschiedener Altersgruppen zu arbeiten. Ich überlege einfach, was für Filme ich gern sehen würde.
In "Die Verführten" gibt es eine ganz schön blutige Szene - ungewöhnlich für einen Sofia-Coppola-Film. Sind Sie auf den Geschmack gekommen?
Es hat Spaß gemacht. Ich hatte so etwas vorher noch nie gemacht. Also habe ich mich überwunden. Dadurch hat sich mir aber kein neues Genre eröffnet. Na, wir werden sehen. (grinst)
Wie sieht es bei Ihnen eigentlich mit Popkultur-Referenzen aus? "The Beguiled" wurde im selben Haus gedreht wie Beyoncés "Lemonade"-Video.
Ja, das war ein lustiger Zufall. Als wir die Location entdeckt haben, wussten wir das noch nicht. Als die Mädels dann diesen Stuhl entdeckt haben, waren sie begeistert. Sie haben Fotos gemacht.
Wie wichtig war es, tatsächlich in den Südstaaten zu drehen?
Mir war es sehr wichtig, vor Ort zu sein. Das gibt dem Film eine andere Atmosphäre. New Orleans hat so viel Geschichte, die Leute interessieren sich für den Film.
Kostüme haben in Ihren Filmen auch immer wieder eine wichtige Rolle gespielt. Die pastellfarbenen Rüschenkleider in "Die Verführten" erinnern an "The Virgin Suicides" …
Ich sehe da eine Verbindung zwischen diesen Gruppen von Frauen. "Die Verführten" ist düsterer oder vielleicht reifer. Es geht jetzt um Frauen unterschiedlicher Altersgruppen und nicht mehr nur um Teenager.
Sie sind ja auch als Regisseurin reifer geworden!
Nun ja, es sind jetzt fast 20 Jahre vergangen. Von daher …
Mit Sofia Coppola sprach Anna Meinecke.
"Die Verführten" startet am 29. Juni in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de