Die "Guardians" rocken das All Star-Lord, ich bin dein Vater
27.04.2017, 08:42 Uhr
Star-Lord in der Sinnkrise - und hier mit Ziehvater Yondu (hinten).
(Foto: Marvel Studios 2017)
Im Weltall herrscht gute Laune. Das könnte man zumindest denken, wenn man sich die "Guardians of the Galaxy" anschaut. Der zweite Film der Marvel-Anti-Helden ist vollgestopft mit Überraschungen und Humor. Und einem gewaltigen Vaterkomplex.
Ja, das ist schon ziemlich cool, der Sohn eines Gottes zu sein. Man kann zum Beispiel mit den Händen Kugeln aus blau blitzender Materie formen. Und man hat einen eigenen Planeten. Was den Namen Star-Lord, den man sich selbst gegeben hat, auch irgendwie plausibler macht als ständig einen Walkman mit 80er-Jahre-Mucke mit sich rum zu schleppen.
Star-Lord hat nun zwar einen göttlichen Vater, ist seines Zeichens aber trotzdem noch der menschlichste Teil der "Guardians of the Galaxy", jener Heldentruppe, die sich anschickt, die extraterrestrischen Weiten des Marvel-Universums vom Bösen zu befreien - und zum Tanzen zu bringen.
Nach dem großen Erfolg des ersten Films, in dem das Zusammentreffen der Truppe beschrieben wurde, geht es in "Volume 2" um den Zusammenhalt. Das ist natürlich nicht so einfach, wenn der halbe Mensch Star-Lord mit der grünen Allzweckwaffe Gamora flirtet. Oder wenn sich der Koloss Drax über den aus einem Versuchslabor stammenden Waschbär Rocket beömmelt, der mal wieder seinem Waffenfetisch frönt - und nebenbei alle auf das sprechende Bäumchen Baby Groot aufpassen müssen. Doch die Figuren dürfen sich hier entwickeln, sie dürfen Emotionen zeigen und an Charakter gewinnen.
Was nicht heißt, dass es an Action fehlen würde. Schließlich wird man noch von vergoldeten Außerirdischen gejagt, denen man wertvolle Batterien gestohlen hat, und muss sich um Gamoras rachsüchtige Schwester Nebula kümmern. Zu guter Letzt kommt auch noch Ego um die Ecke, der sich als Peters Vater vorstellt - und als Gottheit. Sein Name freilich spricht Bände und die "Guardians" werden noch feststellen, dass einem gütigen Gott ziemlich schnell die Zornesfalte im Gericht steht, wenn es nicht nach seinem Willen geht.
Menschen tanzen - oder eben nicht
Das alles ergäbe einen ordentlichen Actionfilm. Wären da nicht noch die Zutaten, die schon den ersten Teil der Weltraumsaga so unwiderstehlich gemacht haben: Auch "Guardians of the Galaxy Vol. 2" schwelgt in den 70er- und 80er-Jahren. Die Musik spielt wieder eine große Rolle und damit auch der Unterschied zwischen den beiden im Universum existierenden Typen: Menschen, die tanzen und jene, die es nicht tun. David Hasselhoff jedenfalls gehört zu Ersteren. Dazu gibt es charmante Anspielungen auf Popkultur, Videospiele und Spielzeug - nichts anderes will Marvel ja an die Massen bringen.
Mit Erfolg: Die Hauptdarsteller laufen den allzu ernsten Helden á la Captain America und Co. den Rang ab. Klar, Chris Pratt als Star-Lord macht eine gute Figur als charmanter Hallodri. Und Zoe Saldana überzeugt als unnahbare Gamora, die dankenswerterweise noch mehr Eigenständigkeit bekommt. Zum Hingucker werden allerdings der so kampferprobte wie lachanfällige Drax (Dave Bautista), der diesmal an Format gewinnt, der süße Groot, der etliche Szenen stiehlt, und vor allem Rocket, der die perfekte Mischung aus MacGyver und Dirty Harry abgibt. Es gibt auch ein paar Gaststars, vor allem aber Michael Rooker als Star-Lords Ziehvater und Weltraumpiraten-Chef Yondu, der sich diesmal locker in die erste Reihe spielt.

Wo die "Guardians" sind, ist tanzbare Musik nicht weit - das weiß auch Baby Groot.
(Foto: Marvel Studios 2017)
Doch Regisseur und Drehbuchautor James Gunn kann sich nicht nur auf seine Schauspieler verlassen. Ihm gelingt auch der eine oder andere Kniff, der den Film vom drohenden Superhelden-Einheitsbrei abhebt. Da gerät etwa eine Weltraumschlacht im wahrsten Sinne des Wortes in den Hintergrund, weil es viel unterhaltsamer ist, die Kamera auf Groot zu halten, der durch das chaotische Kampfgetümmel tänzelt. Ansonsten geht Gunn auf Nummer sicher: Es gibt mehr Humor, mehr (Selbst-) Ironie und mehr Skurrilitäten - das ist äußerst unterhaltsam, geht allerdings auf Kosten der Spannung. Auch dass Gunn diesmal ganz tief in die Emotionskiste greift und zum Schluss ins Kitschige abgleitet, muss man erstmal verschmerzen.
Kino als pure Unterhaltung
Doch dieser Ansatz, hat auch etwas Gutes: Diesmal steht das Team der Guardians im Mittelpunkt, nicht das größere Marvel-Universum. Das unterscheidet den zweiten Teil klar vom Vorgänger, der sich noch ganz in den Dienst der Gesamtkonstruktion stellte. Man kann zwar bedauern, dass in Volume 2 etwa Thanos fehlt, der in den Weltraum-Geschichten von Marvel eine zentrale Rolle einnimmt. Oder dass der Bösewicht nicht an die finstere, universelle Wucht eines Ronan aus Teil eins heranreicht.
Andererseits hat die Selbstständigkeit von "Volume 2" aber auch etwas Erfrischendes. Man kann sich diesmal beruhigt zurücklehnen und muss sich nicht an all die anderen Marvel-Filme erinnern oder Querverweise entdecken, um dem Gesamtkontext des Film- und Comicuniversums folgen zu können (Marvel-Experten werden freilich trotzdem fündig). "Guardians of the Galaxy Vol. 2" bietet das, was dem Marvel-Universum mittlerweile allzu oft abgeht: Kino als pure Unterhaltung. Dabei ist er damit den Comicvorlagen näher als die mit Bedeutung aufgeblasene irdische Marvel-Welt.
Zudem haben die Macher diesmal begriffen, dass die stete Aneinanderreihung von Cliffhangern und die ewige Unabgeschlossenheit der Marvel-Filme auf Dauer sehr unbefriedigend sind. In diesem Sinne ähnelt "Guardians of the Galaxy Vol. 2" eher "Rogue One" aus dem "Star Wars"-Universum als der neuen Skywalker-Trilogie. Man kann den Film als Teil eines Ganzen sehen, muss es aber nicht. Man kann ja einfach mal froh sein, dass Marvel-Geschichten auch ohne komplizierten Überbau funktionieren. Wobei: Der dritte Teil der Reihe wird bereits geplant. Vorher sollte man aber ein paar Tanzstunden nehmen.
"Guardians of the Galaxy Volume 2" läuft ab 27. April in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de