Noch krasser als im Film Schocker-"Tatort" hat echtes Vorbild
07.04.2024, 21:50 Uhr Artikel anhören
Im "Tatort" müssen sich die Kommissare mit verstörenden Videos auseinandersetzen.
(Foto: BR / Bavaria Fiction GmbH / Linda Gschwentner)
Für ein bisschen Aufmerksamkeit tun manche Menschen sehr viel, im aktuellen "Tatort" morden sie dafür sogar. Wer das jetzt für die übersteigerte Fantasie eines Drehbuchautors hält, kennt den Fall Magnotta noch nicht.
"Schau mich an" ist kein gewöhnlicher Wohlfühlkrimi, bei dem ein Mord als Aufhänger dienen muss, um schöne Landschaften im Fernsehen zu zeigen. "Schau mich an" ist richtig harter Tobak und generell nichts, was man an einem Sonntagabend im Ersten vermuten würde. Dabei hat die Geschichte um einen aufmerksamkeitsgeilen Sadisten, der seine Folter- und Mordvideos ins Netz stellt, eine reale Vorlage - und die ist sogar noch heftiger als der Fernsehkrimi selbst.
2012 bestimmte Luka Magnotta über Wochen hinweg die Schlagzeilen, weil er seinen Ex-Lover vor laufender Kamera mit einem Eispickel erstochen, dessen Fleisch gegessen und das Tatvideo online gestellt hatte. Begonnen hatte die Geschichte allerdings schon lange zuvor, mit harmlos scheinenden Videos von sich selbst. Doch bald wandelten sich die Inhalte: Verstörende Videos, in denen Kätzchen gequält und getötet wurden, tauchten auf. "Da die Polizei nichts dagegen unternehmen konnte oder wollte, hatten sich weltweit tausende User und Tierschützer zusammengeschlossen, um die Identität des sadistisch veranlagten Täters zu lüften", erinnert sich Drehbuchautor und Regisseur Christoph Stark an den Fall, der als Vorlage für "Schau mich an" dient.
"In monatelanger Arbeit hatten sie im Internet Fotos, Videos und Posts von Magnotta ausgewertet, um ihn ausfindig zu machen. Angetrieben waren sie von der Furcht, auf einem seiner nächsten Videos könnte der Tod eines Menschen zu sehen sein. Sie sollten recht behalten." Doch Magnotta entglitt ihnen immer wieder, versteckt hinter wechselnden Identitäten, digitalen Spuren, die ins Leere führten - und einer tatenlos zusehenden Polizei.
Online-Community jagt einen Mörder

Der Fall von Luka Magnotta (M., hier 2012 nach seiner Auslieferung nach Kanada) diente dem "Tatort" als Inspiration.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Die digitale Jagd eskalierte 2012, als Magnotta den chinesischen Studenten Jun Lin - seinen Ex-Lover - im kanadischen Montreal tötete und zerstückelte. Er filmte seine Tat, stellte das Video online, und erst jetzt wurden die Behörden tätig und lösten eine internationale Fahndung nach Magnotta aus. Die Online-Community, die sich ursprünglich zusammengeschlossen hatte, um einen Tierquäler zu stoppen, jagte nun einen Mörder. Wie im aktuellen "Tatort" nutzten die User soziale Medien, forensische Analyse und digitale Detektivarbeit, um Magnottas Bewegungen nachzuverfolgen, seine Identitäten zu entlarven und letztendlich den Behörden wertvolle Hinweise zu liefern.
Die Verhaftung Magnottas in einem Internetcafé in Berlin, während er Nachrichten über sich selbst las, markierte den Endpunkt einer beispiellosen digitalen Verfolgungsjagd. Er wurde nach Kanada ausgeliefert, wo er der Justiz überstellt und wegen des Mordes an Jun Lin zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
"Tatort"-Regisseur Stark versucht sich an einer Erklärung für das unvorstellbare Verbrechen: "Amokläufer und Serienkiller handeln aus den unterschiedlichsten Gründen: Frustration, Einsamkeit, Verzweiflung, Hass. Doch ihr Ziel ist oftmals das gleiche: Einmal in ihrem Leben wollen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und damit unvergesslich, ja unsterblich werden."
Quelle: ntv.de