Aus den Tiefen der Ostsee Bundeswehr hebt Stuka-Wrack
04.06.2012, 14:07 Uhr
Rund 11 Meter lang, von einer Flügelspitze zur anderen rund 15 Meter breit und mit einer 500- bis 1800-Kilo-Bombe beladen: die Junkers Ju 87.
(Foto: Bundesarchiv, Bild 183-J16050 / CC-BY-SA)
Die Bundeswehr hebt vor Rügen, rund zehn Kilometer östlich von Sassnitz, ein Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Zehn Tage soll die Bergung dauern. Später wird das gut erhaltene Wrack im Militärhistorischen Museum (MHM) in Berlin-Gatow ausgestellt. Bei n-tv.de erzählt Hauptmann Sebastian Bangert, Sprecher des Museums, von dem Wehrmachts-Flugzeug, seiner Geschichte und den Bergungsarbeiten.
n-tv.de: Herr Bangert, um was für ein Flugzeug geht es eigentlich?
Sebastian Bangert: Um eine Junkers Ju 87, einen Sturzkampfbomber, auch Stuka genannt. Das waren die, die mit einer Sirene ausgestattet waren und einen markanten Ton von sich gegeben haben.
Wurde das Flugzeug damals abgeschossen?
Das wissen wir noch gar nicht so genau. Das eine der Fragen, deren Beantwortung wir uns durch die Bergung erhoffen. Uns als Museum geht nicht in erster Linie um das Exponat, sondern um seine Geschichte. Wir hoffen, dass wir zum Beispiel aus der Seriennummer des Flugzeugs einige Rückschlüsse ziehen können: Wo kam es her? Wer war der Pilot? Was hatte das Flugzeug vor? Kam es zurück oder war es gerade losgeflogen? Wie kam es dazu, dass es nun auf Grund liegt? Ist vielleicht der Tank durchlöchert? Das ließe dann darauf schließen, dass es beschossen wurde und Sprit verlor.
Gibt es vor der deutschen Küste noch andere Flugzeug-Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg?
Da gibt es noch allerhand. Auch von diesem Wrack wissen wir ja schon länger. Da hat sich bereits ein Tauch-Tourismus etabliert. Und bevor nun Teile des Flugzeugs abmontiert und mitgenommen werden ... da ist es bei uns im Museum deutlich besser aufgehoben.
Was ist mit anderen Wracks? Warum wird nun ausgerechnet dieses gehoben?
Für uns ist der Stuka als Exponat unglaublich wichtig, weil es davon kaum welche gibt. Die, die zum Kriegsende überhaupt noch übrig waren, sind im Rahmen der Demilitarisierung zerstört worden. Anhand eines Stuka lässt sich im Museum erklären, welch menschenverachtendes System dahinterstand. Die Sirene sollte ja nicht schön klingen, sondern die Zivilbevölkerung und den Gegner einschüchtern. Mit der Sirene sollten noch mehr Angst und Schrecken verbreitet werden, als es ohnehin schon der Fall war. Die Stuka-Piloten seinerzeit sind mitunter unter Drogen gesetzt worden, genauso wie die Einmann-U-Boot-Fahrer. Anhand dieses einen Exponats lassen sich also viele Geschichten erzählen, Geschichten der Menschen - nicht nur der Opfer, sondern auch der Soldaten, die damit zu tun hatten.
Für die Bergung ist allein die Bundeswehr verantwortlich?
Ja. Das geschieht mit einem Schiff der Marine, dem Seeschlepper "Spiekeroog". Dann sind da Taucher vom Gebirgspionierbataillon Ingolstadt und einige Unterstützungskräfte aus Storkow, außerdem Restauratoren und Experten vom MHM in Berlin-Gatow. Insgesamt sind es ungefähr 50 Mann.
Wie steht es um die Kosten?
Die kann man im Grunde nicht ermitteln. Bei den Tauchern gehört eine solche Expedition zur Ausbildung. Die suchen sonst zum Beispiel Munition oder Bombenreste. Die würden also ohnehin irgendwo tauchen gehen, und nun üben sie eben in Rügen am scharfen Objekt. Auch der Seeschlepper ist sowieso unterwegs. Da musste also nichts extra angemietet werden.
Wie nun muss man sich die Bergung vorstellen? Warum dauert sie so lange?
Heute ist Anreisetag. Die Taucher der Gebirgspioniere kommen aus Bayern nach Rügen, und der Seeschlepper fährt aus Kiel rüber. Dienstag starten dann die Sondierungen. Da wird geschaut, wie die Strömungsverhältnisse sind, wo genau das Wrack liegt und wie wir weiter vorgehen.
Und dann geht die Bergung los?
Zunächst wird dann geschaut, ob vielleicht Einzelteile des Wracks in der Gegend herumliegen. Die werden dann eingesammelt. Und dann beginnt man, das Wrack freizuspülen. Es liegt ja auf Grund und damit im Schlick. Das alles wird die ersten zwei bis drei Tage in Anspruch nehmen. Und dann geht es richtig los.
Muss man davon ausgehen, dass noch scharfe Munition an Bord des Flugzeugs ist?
Auszuschließen ist das nicht. In Nord- und Ostsee werden ja immer wieder Minen aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, die plötzlich rumtreiben, die noch scharf sind und dann geräumt werden. So könnte also auch bei dem Wrack durchaus noch etwas zu finden sein.
Mit Sebastian Bangert sprach Andrea Schorsch.
Quelle: ntv.de