Bruder über Claus-Brunner "Er hätte gestoppt werden können"
28.09.2016, 14:54 Uhr
Claus-Brunner saß für die Piraten vier Jahre im Berliner Abgeordnetenhaus.
(Foto: picture alliance / dpa)
Gerwald Claus-Brunner hat Selbstmord begangen, nachdem er einen Mann ermordet hatte, das Geständnis verschickte er per Post. Aber was trieb ihn dazu? Hätte jemand Alarm schlagen müssen? Jetzt spricht Claus-Brunners Bruder.
Nach dem Tod von Gerwald Claus-Brunner und der damit verbundenen Entdeckung eines Mordes waren nicht nur seine Parteifreunde bei den Piraten geschockt. Auch wenn Claus-Brunner "nie unumstritten" war, diese Tat hätte ihm keiner zugetraut. Doch es gab offenbar Menschen, die den Berliner Piraten-Politiker mit der typischen Latzhose und dem Kopftuch schon länger argwöhnisch betrachteten.
Dem "Stern" erzählte Claus-Brunners Bruder Dietwald, sein älterer Bruder sei bereits früh durch Gewalt aufgefallen. "Gerwald wurde jähzornig, impulsiv, er verlor einfach die Kontrolle", so Dietwald Claus gegenüber dem Magazin. In der Schule habe er Türen eingetreten und auf dem Hof der Eltern Tiere gequält. Wikipedia zufolge wuchs Claus-Brunner zusammen mit vier Geschwistern auf einem Bauernhof in einem niedersächsischen Dorf auf. Nach eigener Aussage war er mehrfach Opfer von Mobbing und wurde durch Schlägereien auffällig.
Sein Bruder und er hätten extrem unter der rechtsradikalen Erziehung ihrer Eltern gelitten, die Anhänger der sogenannten "Ludendorffer" waren. Diese rechtsextreme und antisemitische Gruppierung folgt der Annahme, dass Gott sich jeder "Rasse" auf besondere Art und Weise offenbare. "Rassenvermischung" führe zum "Verlust der Möglichkeit der Gotterkenntnis". Die Gruppe wird von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Claus-Brunner brach den Kontakt zu seinen Eltern später ab. Berliner Freunden berichtete er dem "Focus" zufolge, sein Vater habe ihn mit 14 vom Hof geprügelt, als er mitbekommen habe, dass sein Sohn schwul ist.
"Komplett durchgedreht"
Mit unerwiderter Liebe habe sein Bruder schon in jungen Jahren nicht gut umgehen können, so Dietwald Claus. Als Gerwald im Teenageralter von einem Mädchen abgewiesen wurde, sei er komplett durchgedreht und habe Steine an deren Hauswand geworfen.
Bei der Bundeswehr, wo Gerwald Claus-Brunner von 1992 bis 1995 als Zeitsoldat war, habe sich sein Bruder später in einen Vorgesetzten verliebt. Dieser habe ihn aber zurückgewiesen und als "Schwuchtel" verhöhnt, woraufhin sein Bruder ihn geschlagen habe. Claus-Brunner sei deswegen unehrenhaft aus der Armee entlassen worden.
Auch bei den Berliner Piraten galt Claus-Brunner als schwierig, weil er gegenüber Mitarbeitern und Parteifreunden immer wieder verbal ausfällig wurde. Auf Twitter wütete er gegen "Vollhonks", "Deppen" und "Sackgesichter". Parteikollegen beschrieben ihn als misstrauisch, sehr verletzlich und schnell eingeschnappt. Deshalb wurde er zunehmend aus den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses abgezogen. Mehrere Parteifreunde boten Claus-Brunner Hilfe an, um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen. Er habe sich bedankt und abgelehnt.
Stalking bis zum Äußersten
Nach seinem Tod wurde bekannt, dass gegen ihn in zwei Stalking-Fällen ermittelt wurde. Eines der mutmaßlichen Opfer war der 29-Jährige, den Claus Brunner vor seinem eigenen Suizid offenbar tötete. Außerdem erwies sich eine tödliche Erkrankung, über die Claus-Brunner seine Partei informiert hatte, als Lüge.
Sein Bruder "hätte gestoppt werden können. Und müssen", sagt Dietwald Claus dem "Stern". Die Leichen des 44 Jahre alten Piraten-Politikers und seines Opfers waren am Montag nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl in verschiedenen Räumen von Claus-Brunners Wohnung im Berliner Stadtteil Steglitz entdeckt worden. Der 29-Jährige wurde aber schon Tage zuvor in seiner Wohnung im Wedding getötet. Claus-Brunner hatte den Toten laut Ermittlungen in seine Wohnung gebracht und sich dann später selbst das Leben genommen.
Quelle: ntv.de, sba