Ortstermin mit Piratenflagge Gericht will Totenkopf sehen
22.07.2011, 15:35 Uhr
Die Flagge des Anstoßes.
(Foto: dpa)
Da heißt's immer, die Sachsen seien "gemiitlich, dabei beschäftigt das durchaus streitbare Völkchen mit zuweilen bizarren Streitthemen die Justiz. Da müssen Richter der Frage nachgehen, wann ein Sauerbraten ein Sauerbraten ist oder die Schlacht am "Mäschendrähtzäun" wegen eines Knallerbsenstrauches schlichten. Jetzt geht es um eine Piratenflagge in einem Fenster.
Der "Fluch der Karibik" wird für eine Mieterin zum "Fluch von Chemnitz". Ein Prozess vor dem Landgericht untersucht seit Ende Juni in zweiter Instanz die Frage, ob die 45-Jährige eine Piratenflagge ins Fenster ihrer Wohnung hängen darf oder nicht.
Nun wollen die Richter das Corpus Delicti selber in Augenschein nehmen. Der Vorsitzende Richter am Landgericht, Andreas Frei, setzte den Ortstermin für den 15. September fest. Gestritten wird um eine schwarze Fahne mit weißem Totenkopf, die nach einer privaten Party zum Piratenfilm "Fluch der Karibik" 2006 jahrelang in einem Zimmerfenster des Sohnes der Mieterin hing. Anfang vergangenen Jahres forderte der Vermieter, die Flagge abzuhängen. Der Totenkopf auf der Fahne schrecke Mietinteressenten ab, hieß es.
Als die 45-jährige Frau nicht reagierte, ging der Fall vor Gericht. Das Amtsgericht gab dem Vermieter im Dezember vergangenen Jahres Recht und bestätigte einen Anspruch auf Schadenersatz. Angeblich sollen zwei potenzielle Mieter wegen der Fahne über dem Türeingang abgesprungen sein. Die Flagge sei eine "ästhetische Beeinträchtigung", befand die damalige Richterin.
Die Mieterin ging gegen das Urteil vor dem Landgericht in Berufung. Sie sieht sich in ihrem Persönlichkeitsrecht eingeschränkt. Sie denkt zudem nicht, dass die Fahne der Grund dafür sei, dass Interessenten nicht eingezogen seien. Die Mieterin verweist stattdessen auf bauliche Mängel am Haus.
Zu der Party anlässlich des Piratenfilms "Fluch der Karibik" habe ein Gast die Flagge als Geschenk für die jetzt 16-jährige Tochter mitgebracht, sagt die Mieterin. Später habe das Stück anstelle eines Vorhangs rund vier Jahre lang im Zimmerfenster des Bruders genau über dem Hauseingang gehangen. Anfang Januar 2010 fiel dem Verwalter die Fahne auf. Der Totenkopf müsse weg, verfügte er.
Es geht ums Prinzip
Den Streithähnen geht es ums Prinzip. Das Haus gehört der Kester-Haeusler-Stiftung aus Fürstenfeldbruck (Bayern). "Die Frage ist, was der Nutzer einer Wohnung alles machen darf", sagt der Vertreter des Eigentümers, Rechtsanwalt Andreas Möckel aus Plauen im Vogtland. Das müsse grundsätzlich geklärt werden.
Die 45-Jährige wiederum erzürnt, dass laut Amtsgerichtsurteil die geschäftlichen Interessen des Eigentümers höher bewertet werden als ihr Persönlichkeitsrecht. "Es kann doch nicht sein, dass jemand einfach sagen darf: Das gefällt mir nicht. Abhängen!" Die Frau moniert außerdem: "Die Fassade hat in der DDR das letzte Mal Farbe gesehen. Ist das Ästhetik?"
Der Mieterbund Sachsen hält sich mit einer Meinung zurück. "Ein schwieriger Fall", sagt Verbandssprecherin Petra Becker. Die Freiheit des Mieters ende prinzipiell dort, wo andere Menschen beeinträchtigt würden. Der Verband erwarte das Urteil mit Spannung.
Der Sprecher des Landgerichtes, Thomas Mrodzinsky, spricht von einem "sehr speziellen Fall", der nicht verallgemeinert werden dürfe. So müsse unter anderem das Wohnumfeld berücksichtigt werden. "In einem mehr alternativen Wohnviertel etwa hätte die Flagge vielleicht gar keinen Anstoß erregt."
Quelle: ntv.de, dpa