Panorama

Neue Vorwürfe gegen "Costa"-Kapitän Waren Drogen im Spiel?

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Im Wrack der "Costa Concordia" finden die Helfer immer mehr Tote. Unklarheit herrscht weiter über die genaue Zahl der Vermissten. Gegen den Kapitän werden neue Vorwürfe laut. Behörden stellen sich die Frage, ob auch Drogen eine Rolle spielten. Weil der Kapitän nicht handelte, tat dies die Besatzung eigenmächtig, was einer Meuterei gleichkommt.

Die Zahl der Toten nach dem Schiffsunglück in Italien steigt immer weiter: Taucher haben in dem Wrack der "Costa Concordia" fünf Leichen entdeckt. Damit erhöht sich die Zahl der geborgenen Opfer auf elf. Die Toten – eine Frau und vier Männer – wurden im überfluteten Heckteil des gekenterten Schiffes vor der Insel Giglio entdeckt. Nach Angaben der Küstenwache trugen sie Schwimmwesten und wurden an einem Sammelpunkt gefunden. Ihr Alter wurde auf 50 bis 60 Jahre geschätzt.

Die "Costa Concordia"
  • Länge: 290 m / Breite: 35,5 m
  • Stapellauf September 2005
  • Kosten: ca. 450 Mio Euro
  • Besatzung: ca. 1100
  • Passagiere: bis 3780
  • Tempo: bis 42 km/h

Wahrscheinlich gibt es auch deutsche Todesopfer. Eine Bestätigung dafür gab es vom Außenministerium in Berlin zunächst nicht. Jedoch sagte der italienische Zivilschutzchef Franco Gabrielli: "Mir scheint, dass das am Montag geborgene Opfer deutscher Nationalität ist." Am Montag wurde die Leiche eines Mannes entdeckt.

Unklarheit herrscht weiter über die genaue Zahl der Vermissten. Italienische Behörden sprachen von 29 Menschen, darunter 14 Deutsche, 6 Italiener, 4 Franzosen, 2 Amerikaner sowie je ein Ungar, Inder und Peruaner. Das Auswärtige Amt geht von 12 Deutschen aus, allerdings wird dort Hinweisen auf weitere Verschollene nachgegangen. Fünf Vermisste stammen demnach aus Hessen, je zwei aus Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen und eine Frau aus Bayern.

Am Abend wurde bekannt, dass die Behörden in Italien einen der vermissten Deutschen aufgespürt haben. Nähere Einzelheiten nannten sie nicht.

Schettino nicht mehr in U-Haft

Der Kapitän des Unglücksschiffes, Francesco Schettino, wird unter Hausarrest gestellt. Das entschied die zuständige Richterin von Grosseto, Valeria Montesarchio, nach einer dreistündigen Anhörung des 52-jährigen Kapitäns. Schettino war auf Antrag der Staatsanwaltschaft am vergangenen Samstag festgenommen worden. Die Staatsanwälte hatten von Fluchtgefahr gesprochen. Ihm werden mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und Verlassen des Schiffes mitten in der Evakuierung vorgeworfen. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft.

"Ich hatte das Kommando", räumte der 52-Jährige bei dem Haftprüfungstermin ein, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Er habe das Schiff aber nicht aufgegeben, vielmehr mit dem Kurs nach der Kollision noch hunderte oder tausende Menschenleben gerettet. Die Staatsanwaltschaft forderte dennoch eine Verlängerung der Haft für den Kapitän, an den Anschuldigungen gegen ihn habe sich nichts geändert. Medien zitierten aus Ermittlerkreisen, wonach der Kapitän auch auf Drogenkonsum untersucht werden solle.

Audiobänder belasten den Kapitän

Veröffentlichte Gespräche zwischen Küstenwache und Kapitän belasten Schettino noch mehr: Sie könnten zeigen, dass er das Problem heruntergespielt, das Schiff tatsächlich verfrüht verlassen und die Passagiere sich selbst überlassen hat. Er soll sich auch mehrfach geweigert haben, an Bord zurückzukehren. In Rom meinten Parlamentarier, es müsse wegen seines bizarren Verhaltens geklärt werden, ob etwa Drogen im Spiel gewesen seien.

Der 52-Jährige soll eigenmächtig die gefährlich nahe Route gewählt haben, um seinem von der Insel stammenden Oberkellner Antonello Tievoli die Möglichkeit zu geben, Giglio zu grüßen. Medienberichten zufolge hatte dessen Schwester auf Facebook angekündigt, dass die "Costa Concordia" bald ganz nah vorbeifahren werde. Es war nicht das erste Mal, dass ein Kreuzfahrtschiff zu nahe an die Insel kam.

Abpumpen des Diesels dauert wochenlang

Der 290 Meter lange Kreuzer mit mehr als 4200 Menschen an Bord hatte am Freitagabend einen Felsen gerammt und war leckgeschlagen. Er liegt derzeit in starker Schräglage vor der Insel und droht abzurutschen und zu versinken. Naturschützer fürchten, dass Treibstoff das fragile Ökosystem weit über die toskanische Insel hinaus verschmutzt.

Zwei bis fünf Wochen werde es dauern, die knapp 2400 Tonnen Treibstoff aus den 21 vollen Tanks der "Costa Concordia" zu pumpen, erklärte Max Iguera von der beauftragten niederländischen Bergungsfirma Smit Salvage. Am Mittwoch soll das Abpumpen des Öls vorbereitet werden.

Besatzung handelte auf eigene Faust

Weil der Kapitän nach der Kollision mit dem Felsen keine Order gegeben und nur telefoniert habe, hätten Teile der Besatzung praktisch "gemeutert" und allein Rettungsboote fertiggemacht, berichtete der "Corriere della Sera". "Es reicht, evakuieren wir das Schiff", zitierte die römische "La Repubblica" Besatzungsmitglieder.

Nach dem Schiffsunglück erwägt nun die EU-Kommission strengere Regeln für die Sicherheit auf Schiffen in der EU. Eine bereits laufende Überprüfung der Gesetzgebung für Passagierschiffe soll nun schneller abgeschlossen werden, sagte die Sprecherin von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas in Brüssel.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts

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