Schach oder Party Museen laden immer öfter zum Spielen ein
30.08.2025, 19:07 Uhr Artikel anhören
Ein Museum kann wie ein zweites Wohnzimmer sein, zeigt die Pinakothek der Moderne in München.
(Foto: dpa)
Viele Menschen haben mit Museen nichts am Hut. Das liegt auch daran, dass man dort vor allem schauen soll, aber wenig machen kann. Doch das ändert sich zunehmend. Essen, trinken, schaukeln oder feiern - all das ist in vielen Museen längst möglich.
Nichts anfassen! Früher war das in Museen die oberste Regel. Doch das hat sich geändert. Selbst renommierte Häuser in Deutschland laden mittlerweile dazu ein, Spaß zu haben und Kunst mit allen Sinnen zu erleben.
Neuestes Beispiel: die Pinakothek der Moderne in München mit ihrer kunterbunten, begehbaren Installation Flux. Hier kann man essen und trinken, feiern, an Veranstaltungen teilnehmen oder selbst kreativ werden. Die Idee: die Grenzen zwischen Kunst und Alltag auflösen und für jedermann offen sein, ohne Konsumzwang. Geplant ist ein ganzjähriges kostenloses Kulturangebot.
Flux lebe von der Nachbarschaft und allen, die den Ort gemeinsam gestalten wollten, sagt die Kulturmanagerin Sarah Karuga. An Wochenenden kämen bei schönem Wetter mehr als 1600 Menschen täglich. Manche organisierten auch eigene Formate wie Spieleabende und nutzten Flux als Treffpunkt und zweites Wohnzimmer.
Erlebbarkeit gehört fest dazu
Kunst zum Mitmachen - das ist längst keine Ausnahme mehr. Das erklärt die Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes, Sylvia Willkomm. Sie sieht in der Entwicklung "eindeutig eine zeitgemäße Erweiterung des kulturellen Bildungsauftrags".
Der Zuschnitt bei vielen Häusern hat sich verändert. "Interaktivität und Erlebbarkeit sind in den Museen nicht mehr nur "Zusatz", sondern fester Bestandteil des Angebots. Über den linear geprägten Museumsbesuch, bei dem nur Exponate betrachtet werden können, sind die Museen hinaus", erklärt Willkomm.
Das zeigte sich kürzlich auch bei einer Aktion des Lenbachhauses in München. Unter dem Namen "Hallo, mein Name ist Kunstbau" konnten Besucherinnen und Besucher bis Anfang August hier nähen, hämmern, sägen, Wettrennen veranstalten, schaukeln, klettern, tanzen oder spielen.
Vor allem Familien mit Kindern tobten sich hier aus. Und es gelang etwas, wovon andere Museen nur träumen: "Jugendliche im Alter von ca. 13-18 Jahren kamen auch allein - eine Zielgruppe, die wir in Angeboten sonst schwerer erreichen", sagt Museumsdirektor Matthias Mühling. Viele seien zum ersten Mal mit dem Lenbachhaus in Berührung gekommen. Die Reaktionen quer durchs Publikum: "Begeisterung über Irritation bis zu Neugier". Das städtische Museum will die gewonnenen Erkenntnisse künftig berücksichtigen und manches fortführen.
Schachmatt in der Neuen Nationalgalerie in Berlin
Auch in Berlin laufen aktuell einige Ausstellungen, bei denen mitmachen gefragt ist. Beispiel: Die Neue Nationalgalerie zeigt momentan Werke der Ausnahmekünstlerin Yoko Ono (92) und der Brasilianerin Lygia Clark.
Bei "Yoko Ono: Dream Together" können Besucherinnen und Besucher an komplett weißen Schachbrettern mit nur weißen Spielfiguren eine Partie spielen. An einem anderen Tisch liegen Scherben zerschlagener Tassen bereit, die man zu neuen Objekten zusammenkleben kann - inklusive Klebeband und Paketschnur.
Enden soll die Sonderausstellung am 14. September mit der Performance "Bells for Peace". Besucherinnen und Besucher können dazu eigene Glocken mitbringen und auf dem gesamten Areal des Kulturforums für den Frieden läuten.
Besucher wünschen sich direkte Interaktion mit Kunst
Auch bei der Retrospektive der brasilianischen Künstlerin Lygia Clark (1920-1988) wird man selbst zur Kunst. Denn Clark ist bekannt für eine körperbezogene und sinnliche Kunsterfahrung. In der Ausstellung kann man bewegliche Skulpturen immer in neue Richtungen falten oder Brillen, Ganzkörperanzüge und Masken ausprobieren.
In einer Zeit, in der das Visuelle vor allem über das Internet und die sozialen Medien so allgegenwärtig sei, äußerten viele den "großen Wunsch nach einem sensuellen Museumserlebnis und einer direkten Interaktion mit Kunst und Objekten", teilt die Neue Nationalgalerie auf Anfrage mit. Das komme sowohl beim jungen als auch beim älteren Publikum gut an.
Auch der Hamburger Bahnhof in der Hauptstadt lädt in den Sommermonaten zu der kostenlosen Musikreihe "Berlin Beats", bei der DJs im Museumsgarten auflegen. Das Haus soll dadurch als offener, erlebbarer Ort in der Stadt verankert werden, wie eine Sprecherin des als Nationalgalerie der Gegenwart arbeitenden Museums erklärt.
In der dritten Ausgabe der Reihe seien die Zahlen noch einmal deutlich gestiegen. Das Haus beobachtet laut eigenen Angaben "sehr deutlich", dass sich die DJ-Reihe auf die Besucherzahlen auswirkt, vor allem in den Stunden vor Beginn der Veranstaltungen. Besonders viele junge Menschen besuchten das Museum, teilt die Sprecherin mit.
Attraktiv und zeitgemäß
Mit solchen spielerischen Ideen sollen verschiedene Zielgruppen angesprochen werden, wie der Deutsche Museumsbund erklärt. Vor allem jüngere Besucher, Familien oder Menschen, die von Haus aus wenig mit Museen zu tun haben, könnten so stärker einbezogen werden.
Museen erfüllten als offene und gemeinwohlorientierte Häuser einen zentralen Auftrag in der Gesellschaft, betont Geschäftsführerin Willkomm. "Um diesem nachkommen zu können, müssen sie attraktive und zeitgemäße Angebote entwickeln". Das Selbstverständnis von Museen verändere sich dadurch aber nicht, findet sie. Vielmehr reagierten sie auf aktuelle Entwicklungen.
Quelle: ntv.de, Cordula Dieckmann und Sabrina Szameitat, dpa