Frauen in Cleveland zehn Jahre lang entführt Polizei nimmt drei Brüder fest
08.05.2013, 01:16 Uhr
Onil, Ariel und Pedro Casto wurden von der Polizei als Verdächtige verhaftet.
(Foto: AP)
Zehn Jahre lang werden in Cleveland drei Frauen in einem Haus festgehalten. Eine von ihnen bringt offenbar sogar ein Kind in Gefangenschaft zur Welt. Die Polizei verhaftet drei Brüder, die für die Tat verantwortlich sein sollen. Die Hintergründe sind noch völlig unklar - die Polizei steht vor einem Rätsel.
Als sie vor rund zehn Jahren zuletzt gesehen wurden, waren sie teils noch Teenagerinnen - nun sind drei junge Frauen in den USA nach jahrelanger Gefangenschaft aus einem Haus in Cleveland befreit worden. Eine von ihnen, die 27-jährige Amanda Berry, hat mittlerweile eine kleine Tochter, die sie womöglich in Gefangenschaft zur Welt brachte. Die Polizei hat drei verdächtige Brüder festgenommen. Die Nachbarn des Hauses in der 2207 Seymour Avenue rätseln, wie es gelang, die Frauen so lange zu verbergen.
Der Nachbar Charles Ramsey wurde am Montag aufmerksam, als eine der Frauen ihren Arm durch einen Riss in der Tür des Hauses streckte und um Hilfe schrie. Er aß gerade einen Hamburger. "Ich hörte Schreie, und ich sah dieses Mädchen, das wie verrückt versuchte, aus dem Haus zu gelangen", sagte er dem Lokalsender von ABC. "Da ging ich auf die Veranda, und sie sagte mir: 'Hol mich raus, ich bin schon seit langer Zeit hier drin'." Er habe die Tür eingetreten, und die Frau sei mit dem Mädchen ins Freie gekrochen.
"Ich bin frei. Ich bin jetzt hier"
Bei ihm wählte sie die Notrufnummer und flehte um rasche Hilfe. "Ich bin Amanda Berry. Ich wurde entführt. Ich werde seit zehn Jahren vermisst. Ich bin frei. Ich bin jetzt hier", rief sie aufgelöst ins Telefon. Die Zentrale blieb erst unbeeindruckt, kündigte an, eine Streife zu schicken, "sobald ein Wagen verfügbar ist". "Nein, ich brauche sie jetzt, bevor er zurückkommt", rief Berry. Sie berichtete von den weiteren Gefangenen.
Wenige Minuten später stürmte die Polizei das Haus und befreite auch Gina DeJesus und Michele Knight, die 23 sowie 32 Jahre alt sind. Die drei Frauen und das Mädchen wurden nach der Befreiung ins MetroHealth-Krankenhaus gebracht, wo sie erstmals ihre Familien und ihre Freunde wiedersahen. Sie waren bei guter Gesundheit und konnten die Klinik rasch verlassen. Nur "ein gutes Essen konnten sie gut gebrauchen", sagte Vize-Polizeichef Ed Tomba.
Berry gab an, sie sei von Ariel Castro verschleppt worden. Die Polizei erklärte, der 52-Jährige sowie seine 50 und 54 Jahre alten Brüder Oneil und Pedro stünden unter Verdacht und befänden sich in Gewahrsam. Nachbarn beschrieben Ariel Castro, einen Schulbusfahrer und Musiker, als freundlichen Mann. Den Ermittlern gibt der Fall viele Rätsel auf: Warum die Entführungen? Wie gelang es dem Täter, die Frauen so lange gegen ihre Willen zu verstecken? "Wir haben bisher keinen einzigen Hinweis auf etwas Verdächtiges in dem Haus", erklärte die Polizei. Die Polizei gab außerdem an, bereits im März 2000 sowie im Januar 2004 bei dem Haus gewesen zu sein.
"Buchstäblich in unserem Hinterhof eingesperrt"
Berry war laut FBI 16 Jahre alt, als sie im April 2003 nach der Arbeit in einem Fastfood-Restaurant verschwand. DeJesus verschwand ein Jahr später auf dem Heimweg von der Schule, sie war damals 14. Knight war nach Medienberichten 21 Jahre alt, als sie im August 2002 letztmals gesehen wurde.
Nach der mysteriösen Befreiung der Frauen versammelten sich hunderte jubelnde Menschen in der normalerweise ruhigen Wohnstraße in Cleveland. Der Notarzt Gerald Maloney sagte: "Dies ist nicht das Ende, das solche Geschichten normalerweise nehmen, deswegen freuen wir uns sehr für sie."
Das einstige Entführungsopfer Jaycee Dugard, die in den USA 18 Jahre lang von ihrem Kidnapper gefangen gehalten wurde, forderte Rücksichtnahme auf die befreiten Frauen. Den drei Opfern müsse Zeit und Raum gegeben werden, allmählich in die Realität und in ein normales Leben zurückzufinden, sagte Dugard dem Magazin "People". Dugard war im August 2009 im Garten eines Hauses in der Gegend von San Francisco gefunden worden, nachdem sie 18 Jahre lang gefangen gehalten und vergewaltigt worden war. Sie war als Elfjährige auf dem Schulweg gekidnappt worden.
Berrys Befreier Ramsey erzählte Reportern, dass er häufig mit Castro Salsa-Musik gehört und mit ihm gegrillt habe. Auch der Nachbar Charlie Czorb kann es nicht fassen: "Diese Mädchen waren buchstäblich in unserem Hinterhof eingesperrt." Doch die Umstände des Falls blieben weiterhin unklar - das FBI müsse die Frauen noch genau befragen, betonten die Behörden. Das Haus wurde zur Spurensicherung abgeriegelt.
Für Berrys Mutter kommt die glückliche Nachricht zu spät. Sie sei 2006 an Kummer über das Verschwinden ihrer Tochter gestorben, berichtete CNN aus dem Umfeld der Familie.
Quelle: ntv.de, Mira Oberman, AFP