Der 42. Fall in diesem Jahr Polizistin tötet unbewaffneten Schwarzen
20.09.2016, 10:52 Uhr
Screenshot aus einem der Videos, die die Polizei von Tulsa veröffentlichte.
(Foto: AP)
Immer wieder werden in den USA Schwarze von Polizisten erschossen. Der jüngste Fall ereignet sich auf einer Straße in Tulsa. "Es ist schwer, das anzusehen", sagt der Polizeichef über die Videos, die den Vorfall zeigen.
In den USA ist erneut ein unbewaffneter Afroamerikaner von der Polizei erschossen worden. Die Polizei der Stadt Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma veröffentlichte am Montag zwei Videos von dem Vorfall, der bereits am vergangenen Freitag geschehen war.
In einem Video, das von einem Polizei-Hubschrauber aus aufgenommen wurde, ist zu sehen, wie der Mann mit erhobenen Händen auf einer Straße langsam auf ein stehendes Auto zugeht. Von hinten nähern sich ihm vier Polizisten mit gezogenen Waffen. Als der Mann – ein 40-Jähriger namens Terence Crutcher – neben der Fahrertür des Autos steht, bricht er auf einmal zusammen.
"Ich glaube, er wurde gerade getasert", hört man eine Stimme auf dem Video. Sekunden danach ruft eine Frauenstimme: "Shot fired!" – ein Schuss wurde abgegeben. Dann sieht man Crutcher blutüberströmt mit ausgestreckten Armen auf der Straße liegen. Die Polizisten gehen, weiterhin mit Waffen im Anschlag, um das Auto herum. Erst nach mehr als einer Minute kümmern sie sich um Crutcher. Der Polizei zufolge starb er im Krankenhaus.
Der Polizeichef von Tulsa, Chuck Jordan, nannte das Video "sehr verstörend". In einer Pressekonferenz sagte er: "Es ist schwer, das anzusehen." Er habe das Video zum ersten Mal zusammen mit der Familie des Toten angesehen. "Wir werden das Richtige tun, wir werden nichts verheimlichen." Das US-Justizministerium leitete ebenfalls Ermittlungen wegen einer möglichen Verletzung von Bürgerrechten ein.
"Wir wollen extrem offen sein"
Die Polizei zeigte das Video zuerst der Familie und führenden Persönlichkeiten der Stadt, um zu signalisieren, dass sie die Aufarbeitung des Falles ernst nimmt. "Wir wollen extrem offen sein", sagte ein Polizeisprecher nach Angaben der Zeitung "Tulsa World". "Das klingt nach Gerede, aber es ist die Wahrheit."
Jordan zufolge wurde weder bei Crutcher noch in seinem Wagen eine Waffe gefunden. Die Polizisten seien wegen eines mitten auf der Straße abgestellten Wagens zu dem Ort gerufen worden. Eine Polizeisprecherin sagte, der Mann habe die Anweisungen der Polizisten nicht befolgt. Der Wagen, auf den er zuging, war sein Pkw. Als die Polizisten sich näherten, hätte er in den Wagen gegriffen. In diesem Moment habe einer der Polizisten eine Elektroschock-Waffe eingesetzt, "und kurze Zeit danach wurde ein Schuss abgegeben".
Wie in den USA üblich veröffentlichte die Polizei von Tulsa auch den Namen der Polizistin, die den tödlichen Schuss abgefeuert hat. Betty Shelby sei vorläufig beurlaubt worden.
41 Unbewaffnete in diesem Jahr von Polizei erschossen
Immer wieder sorgen Vorfälle wie dieser in den USA für Aufsehen. Nach einer Zählung der "Washington Post" wurden in diesem Jahr 41 Unbewaffnete von Polizisten erschossen, davon mindestens 15 Schwarze, also mehr als 36 Prozent. Afroamerikaner machen gut 13 Prozent der US-Bevölkerung aus.
Die Behörden von Tulsa appellierten an die Bewohner, Ruhe zu bewahren. Einer der Anwälte der Familie des Toten sagte, es sei nicht wahr, dass Crutcher im Krankenhaus gestorben sei. "Terence starb auf dieser Straße, sich selbst überlassen."
Der "Washington Post" zufolge war die Familie wütend darüber, dass auf dem Video zu hören ist, wie Crutcher als "böser Kerl" bezeichnet wird. "Wir sind wirklich am Boden zerstört", sagte seine Schwester. "Dieser große böse Kerl war ein Vater, dieser große böse Kerl war ein Sohn, dieser große böse Kerl wollte seinen Schulabschluss nachholen und uns alle stolz machen, dieser große böse Kerl liebte Gott, dieser große böse Kerl ging bei all seinen Fehlern jeden Sonntag in die Kirche."
Für Empörung sorgt auch, dass Crutcher so lange liegen gelassen wurde. "Er brauchte Hilfe", sagte Rechtsanwalt Benjamin Crump, der in ähnlichen Fällen bereits häufig die Familien von Erschossenen vertreten hat. "Was er stattdessen bekam, war eine Kugel in die Lunge."
Quelle: ntv.de, hvo