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Experten sehen Verschiebung Schulmassaker werden von US-Phänomen zu europäischer Realität

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Der Täter war ein früherer Schüler der Schule.

Der Täter war ein früherer Schüler der Schule.

(Foto: AP)

Ein Amoklauf an einer Schule - lange Zeit brachte man das automatisch mit den USA in Verbindung. Doch in den vergangenen Jahren waren immer wieder auch Schulen in Europa betroffen. Einem Experten zufolge dienten nicht selten US-Täter als traurige Vorbilder.

Eine Serie tödlicher Angriffe an Schulen hat in Europa eine sicherheitspolitische Debatte ausgelöst, die lange Zeit vor allem mit den USA in Verbindung gebracht wurde. Seit 2023 ereigneten sich vier der schwersten Schulmassaker in Westeuropa - zwei davon allein in diesem Jahr.

Zuletzt erschoss ein 21-jähriger Mann zehn Menschen an einer Schule in Graz, Österreich. Im Februar tötete ein Angreifer in Schweden ebenfalls zehn Menschen an einer Bildungseinrichtung. Beide Taten gelten als die schwersten Gewalttaten ihrer Art in der jüngeren Geschichte der beiden Länder. "Amokläufe, zu denen auch Schulschießereien zählen, waren früher überwiegend ein US-Problem, aber das Gleichgewicht verschiebt sich", sagt Adam Lankford, Kriminologe an der University of Alabama. Viele Täter seien durch frühere US-Amokläufe inspiriert, was sich in ihren Aussagen und digitalen Spuren zeige. Es sei, so Lankford, "wie ein Export aus Amerika".

Als Beispiel nannte er das Massaker an der Columbine High School 1999, bei dem zwei Schüler zwölf Mitschüler und einen Lehrer töteten, bevor sie sich selbst das Leben nahmen.

Politik unter Zugzwang

In mehreren europäischen Ländern reagiert die Politik mit Gesetzesverschärfungen. In Schweden einigte sich die Regierung darauf, Prüfverfahren für Waffenscheine zu verschärfen und bestimmte halbautomatische Waffen zu verbieten. In Frankreich drängte Präsident Emmanuel Macron diesen Monat auf eine EU-weite Regelung, um soziale Medien für Kinder unter 15 Jahren zu verbieten - nach einer tödlichen Messerattacke an einer Schule.

Deutschland hat seit dem Amoklauf 2002 in Erfurt, bei dem ein 19-jähriger ehemaliger Schüler am Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen erschoss, und dem Amoklauf von Winnenden, bei dem ein 17-Jähriger 15 Menschen das Leben nahm, die Waffengesetze verschärft. Vergangenes Jahr wurde ein Verbot von Springmessern beschlossen, auch das Tragen von Messern bei öffentlichen Veranstaltungen ist inzwischen verboten.

In Tschechien, wo ein Student im Dezember 2023 an einer Universität in Prag 14 Menschen erschoss, sollen Ärzte von psychisch kranken Personen künftig Zugang zu einem zentralen Waffenregister erhalten, um zu überprüfen, ob ihre Patienten einen Waffenschein besitzen. Kroatien verschärfte nach einem tödlichen Angriff in einer Grundschule die Zugangskontrollen.

Finnland übt mit Schülern das Verbarrikadieren von Klassenzimmern und plant härtere Strafen für das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit. Großbritannien untersucht derzeit einen Angriff in Southport im Nordwesten des Landes, bei dem drei junge Mädchen bei einer Veranstaltung mit Taylor-Swift-Motto erstochen wurden.

Österreich will nicht zur Tagesordnung übergehen

Auch in Österreich mehren sich nach dem Amoklauf am Dienstag die Forderungen nach strengeren Gesetzen. Der private Waffenbesitz ist dort im internationalen Vergleich relativ verbreitet: Rund vier Prozent der Bevölkerung besitzen legal eine Schusswaffe. Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich nach der Gewalttat an dem Oberstufengymnasium in Graz offen für Änderungen: "Wenn wir zum Schluss kommen, das österreichische Waffengesetz muss geändert werden, damit mehr Sicherheit herrscht, dann werden wir das auch tun".

Bundeskanzler Christian Stocker mahnte zur Besonnenheit und betonte, man wolle auf Basis der Ermittlungen handeln, nicht "aus der Hüfte schießen". Innenminister Gerhard Karner forderte Konsequenzen: "Nach so einer Wahnsinnstat können und werden wir nicht zur Tagesordnung übergehen". Ein generelles Verbot privater Waffen gilt jedoch als unwahrscheinlich.

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier verweist auf die zahlreichen Interessengruppen - von Jägern über Sportschützen bis hin zu Brauchtumsvereinen. Realistisch sei hingegen ein breiter politischer Konsens für gezielte Verschärfungen bei Erwerb, Kontrolle und psychologischer Überprüfung.

Quelle: ntv.de, sba/rts

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