Panorama

Strauss-Kahn: "Nicht schuldig" Showdown im Gerichtssaal

DSK mit seinen Anwälten William Taylor (links) und Benjamin Brafmann.

DSK mit seinen Anwälten William Taylor (links) und Benjamin Brafmann.

(Foto: AP)

Dass es im Prozess gegen Ex-IWF-Chef Strauss-Kahn wohl nicht zu einem billigen Deal kommen wird, liegt am Kampf zweier Egos: Für Staatsanwalt Vance Jr. hängt viel davon ab, ob er seinen prominenten Angeklagten hinter Gitter bringen kann. Mit Verteidiger Brafman trifft er auf ein ausgekochtes Schlitzohr, das schon ganz andere Freisprüche erwirkt hat.

Dass Dominique Strauss-Kahn bei der Anklageerhebung wie nun geschehen auf "nicht schuldig" plädiert, stand für seinen New Yorker Anwalt außer Frage. "Diese Schlacht hat gerade erst begonnen", hatte Benjamin Brafman bereits nach der ersten Anhörung seines Mandanten gesagt. "Er wird sich für nicht schuldig erklären, und am Ende wird er freigesprochen werden", kündigte der 62-jährige Strafverteidiger selbstbewusst an. Strauss-Kahn sei bereit für einen langen Kampf. Und der auf aussichtslose Rechtsstreite trainierte Brafmann wird alles dafür tun, dass der ehemalige IWF-Chef am Ende der Schlacht nicht hinter Gitter muss.

"Nicht schuldig": Strauss-Kahn vor Gericht.

"Nicht schuldig": Strauss-Kahn vor Gericht.

(Foto: AP)

Brafmanns Zuversicht speist sich nicht nur aus der für einen Anwalt mit einem solch prominenten Mandanten nötigen Medienshow – der Strafverteidiger ist bereits selbst eine Legende, der seinen Ruhm durch zahlreiche aufsehenerregende Prozesse erlangt hat. Er gilt als Spezialist für aussichtslose Fälle der besonderen Art, zu seinen Klienten zählten Michael Jackson, Mafiagröße Sammy "the bull" Gravano oder die Rapper Jay-Z und Sean Combs, besser bekannt als P Diddy. Für Combs etwa erreichte der Anwalt einen Freispruch wegen Bestechung und unerlaubten Waffenbesitzes, obwohl mehr als 100 Zeugen die Schlägerei und Schießerei in einem Nachtclub beobachtet hatten. Doch Brafmann weckte geschickt und so überzeugend Zweifel an der Anklage und ihrer Beweisführung, dass der Popstar schließlich freigesprochen wurde.

Eine ähnliche Strategie wird der Anwalt wohl auch für Strauss-Kahn planen. Der Ex-IWF-Chef soll ein 32-jähriges Zimmermädchen zum Oralsex gezwungen haben, die Anklage lautet unter anderem auf versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und kriminelle sexuelle Akte. Spermaspuren auf der Uniform der Frau belasten Strauss-Kahn, sie sollen mit seiner DNA übereinstimmen. Erst nach Zahlung einer Kaution in Höhe von sechs Millionen Dollar durfte der Franzose das Gefängnis auf Rikers Island verlassen und gegen Hausarrest in einem Luxusdomizil eintauschen, wo er nun mit einer Fußfessel lebt. Im Fall einer Verurteilung drohen Strauss-Kahn bis zu 25 Jahre, manche meinen sogar bis zu 74 Jahre Haft – je nach Schwere der Anklagepunkte.

Der Junior will aus dem Schatten

Doch nicht nur wegen der vermeintlich schweren Beweislast hat Brafmann zu kämpfen. Denn auch sein Gegner ist ein prominenter Jurist, dem der Ehrgeiz ins Gesicht geschrieben steht: Oberstaatsanwalt Cyrus Vance Jr. erhebt die Anklage in seinem ersten richtig großen Fall.

Ehrgeizig: Staatsanwalt Vance Junior.

Ehrgeizig: Staatsanwalt Vance Junior.

(Foto: AP)

Seit nicht einmal anderthalb Jahren ist Vance Jr. auf seinem Posten und kämpft mit seinen 56 Jahren mit einem doppelt schweren Erbe. Zum einen seinem Namen: Sein Vater Cyrus Roberts Vance ist ein bekannter amerikanischer Politiker, der unter Präsident Jimmy Carter US-Außenminister war. Zum anderen folgte Vance Junior als Staatsanwalt auf Robert Morgenthau, der seit 40 Jahren diesen Posten inne hatte. Da der New Yorker Bezirksstaatsanwalt ein öffentlicher Amtsträger ist, der sich immer wieder zur Wahl stellen muss, fällt diese lange Zeit umso stärker ins Gewicht. Nur auf Empfehlung Morgenthaus kam Vance Junior ins Amt – aus diesem Schatten muss er sich noch lösen.

Zwar gilt der Staatsanwalt als ein Mann, der auf faire Prozessabläufe bedacht ist. Doch ausgerechnet bei Sexualdelikten tritt er als Anwalt der Opfer auf. "Abgesehen von Mord gibt es keine Tat, die für ein Opfer vernichtender und traumatisierender ist, als sexuelle Verbrechen", betonte Vance Junior 2009 vor der Wahl zum Staatsanwalt. So versprach er etwa, die Rechtsstellung von Vergewaltigungsopfern zu verbessern. Dass es nun in seinem ersten großen Fall um ein solches Verbrechen geht, dürfte Strauss-Kahn und seinem Verteidiger nicht gerade zum Vorteil gereichen. Zudem dürfte ein Erfolg die Aussicht auf Wiederwahl von Vance Junior 2013 erheblich verbessern. "Cyrus Vance hat eine Mission", heißt es in Berichten über den ehrgeizigen Mann.

Deal scheint ausgeschlossen

Auf beiden Seiten deutet sich also eine aggressive Strategie im Prozess an. Ein Deal, wie er in manch anderem Verfahren abgeschlossen wird, scheint nahezu ausgeschlossen. Zu groß die Egos der Anwälte, zu prominent der Angeklagte, zu groß das öffentliche Interesse, zu belastend die Umstände. Experten meinen, Strauss-Kahn müsste für einen Deal bereit sein, zumindest für eine Zeit ins Gefängnis zu gehen. Eine Perspektive, die sein Anwalt Brafmann kategorisch ausschließt.

So wird es im Wesentlichen von der Schwere der Beweise abhängen, wie das Verfahren läuft. Beide Seiten rüsten jedenfalls nicht nur verbal auf, sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung haben sich personell verstärkt und Experten in ihre Teams geholt. Brafmann hat eine PR-Firma und eine Detektivagentur angeheuert, um das Image seines Mandanten zu polieren und das mögliche Opfer in den Schmutz zu ziehen. Seine Strategie: Den Sex als einvernehmlich darzustellen und zugleich die Glaubwürdigkeit der Frau zu unterhöhlen.

Experte für schwere Fälle

Brafmann sei ein "eleganter Manipulator, einen Juryschmeichler", schrieb die "New York Times" über ihn. Er gilt als Experte für subtile Kreuzverhöre und geschickte Medienmanipulationen. Es heißt, die beauftragten Detektive würden im Zweifel Spuren bis in die Heimat der aus Guinea stammenden Frau verfolgen, um etwa die sexuelle Vorgeschichte des Zimmermädchens auszuleuchten. Allerdings verbietet es ein Gesetz in New York, eine solche Vorgeschichte vor den Geschworenen auszubreiten.

Brafmann gibt sich trotzdem siegesgewiss. "Die meisten, die zu mir kommen, sind in einer sehr, sehr verzweifelten Lage", sagte er in einem Interview. Er sei gut darin, seine Mandanten, deren Welt zusammengebrochen sei, wieder aufzurichten. "Ich habe wohl mehr Menschen vor dem Selbstmord bewahrt als jeder Psychiater der Welt", rühmte er sich.

Der Fall Nummer 2011NY035773 wird das Gericht sicher über Wochen, wenn nicht gar Monate beschäftigen. Nach der nun erfolgten Anklageerhebung bekommen beide Seiten Zeit, sich auf den Prozess vorzubereiten. Beginnen wird das Verfahren aber nicht vor Ende des Jahres.

Quelle: ntv.de

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