Radikaler Notfallplan in Bangkok Straßen sollen zu Kanälen werden
28.10.2011, 07:14 Uhr
Seit Wochen steht das Wasser in Teilen von Thailands Hauptstadt.
(Foto: AP)
Am Samstag droht das Hochwasser in Bangkok über die Dämme zu treten und weite Teile der Stadt zu überfluten. Die thailändische Regierung überlegt deshalb, mehrere große Straße aufzureißen und zu Kanälen umzufunktionieren, um die Fluten aus der Stadt zu leiten. Das Auswärtige Amt warnt mittlerweile vor Reisen in Teile von Thailand.
Um die überwältigenden Wassermassen um Bangkok in den Griff zu bekommen, erwägt die thailändische Regierung jetzt einen radikalen Plan: Sie prüft, ob fünf Straßen im Osten der Hauptstadt aufgerissen und zu Flutkanälen gemacht werden sollen. Das Hochwasser am Fluss Chao Phraya erreichte eine äußerst kritische Marke, sagte der Sprecher der Stadtverwaltung.
"Das Hochwasser im Fluss hat 2,47 Meter über normal erreicht", sagte Jate Sopitpongstron. Die 7 Kilometer langen Flutwälle auf beiden Seiten des Flusses sind 2,50 Meter hoch. Am Samstag werde das Wasser nach den Prognosen auf 2,60 Meter steigen. "Dann können wir nichts mehr tun", sagte der Sprecher. "Wir müssen die Überschwemmungen hinnehmen." Nach seinen Angaben dürfte das Wasser in den Straßen im Durchschnitt nur auf 30 Zentimeter steigen. Neben der Lage am Chao Phraya im Westen der Stadt ist auch der Norden stark gefährdet. Weitere Distrikte sollen im Laufe des Tages geräumt werden, sagte der Sprecher.
Die Stadtverwaltung hat die Einwohner der 13 Bezirke entlang des Flusses in Alarmbereitschaft versetzt. "Bereitet euch auf das Schlimmste vor", sagte ein Sprecher des Krisenzentrums.
"Einer muss Opfer bringen"
Regierungschefin Yingluck Shinawatra überflog im Helikopter das Gebiet östlich von Bangkok, das für die neuen Flutkanäle vorgesehen ist. Unabhängige Ingenieure und Wasserexperten haben vorgeschlagen, fünf Straßen fünf bis sechs Meter weit aufzureißen. Pumpen sollen die Wassermassen aus den Überschwemmungsgebieten an der Innenstadt vorbei in diese neuen Kanäle leiten, durch die das Wasser Richtung Meer fließen soll. Das Wasser staut sich an den Flutbarrieren im Norden und die Behörden fürchten unkontrollierte Überflutungen, wenn die Dämme brechen.
Die Straßen aufzureißen, dauere nur zwei Stunden, zitierte die "Bangkok Post" Transportminister Sukumpol Suwanatat. "Irgendeiner muss Opfer bringen", sagte der Minister, "sonst können wir das Problem mit den riesigen Wassermassen nicht lösen werden."
Einwohner fliehen
Angesichts des drohenden Scheitelpunkts des Hochwassers verlassen die Einwohner in Scharen die thailändische Hauptstadt. Die ersten Fluten erreichten am Donnerstag das Zentrum der Zwölf-Millionen-Metropole, unter anderem den Königspalast. Regierungschefin Yingluck sprach unter Tränen von einer "Krise" und einem "Kampf gegen die Natur, den wir nicht gewinnen können".
Am Wochenende soll voraussichtlich so viel Hochwasser aus dem Norden in Bangkok eindringen, wie in 500.000 Schwimmbäder passt. Angesichts dieser Aussichten versuchten unzählige Menschen, mit Bus und Bahn in Küstenstädte wie Pattaya, Hua Hin und Phuket zu gelangen. Die Ausfallstraßen waren teilweise komplett verstopft. Auch auf dem noch funktionierenden Hauptflughafen drängelten sich die Menschen. Die Flüge vom Suvarnabhumi-Airport seien "bis auf den letzten Platz besetzt", sagte Sansern Ngaorungsi von der Tourismusbehörde.
Aus Angst vor dem Hochwasser und um der Bevölkerung Zeit für die Vorbereitungen zu geben, verfügte die Regierung fünf freie Tage. Schulen, Amtsstuben und auch viele Geschäfte blieben deshalb geschlossen. Noch offene Supermärkte mussten wegen Hamsterkäufen Grundnahrungsmittel rationieren.
Auswärtiges Amt warnt
Thailand erlebt seit mehr als zwei Monaten die heftigsten Regenfälle und Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Mehrere hundert Menschen kamen bereits ums Leben, etwa neun Millionen Menschen verloren ihre Bleibe.
Das Auswärtige Amt riet von nichtdringenden Reisen nach Bangkok und Zentralthailand ab. Der Deutschen Botschaft zufolge seien die Menschen in der Innenstadt Bangkoks aber noch sicher. "Das Ausmaß und die Auswirkungen der Überschwemmungen sind erschreckend", erklärte in Berlin Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Deutschland habe Thailand und anderen betroffenen Staaten der Region Hilfe angeboten, erste Projekte seien bereits angelaufen. Insgesamt hat das Auswärtige Amt den Angaben zufolge bisher 500.000 Euro für die Bewältigung der Flutkatastrophe in Südostasien bereitgestellt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP