Universeller Weltgeschmack Warum ist dänisches Design so populär?
06.10.2024, 09:13 Uhr Artikel anhören
Bloß nicht zu viel Gedøns, auch nicht im Bad (hier im Ferm Living Showroom and Store).
(Foto: Frauke Rüth)
Funktional und formschön: Egg-Chair, PH-5-Leuchte und Toadstool-Tisch – warum war und ist dänisches Design so beliebt in aller Welt? Eine Spurensuche in Kopenhagen, im Dänischen Designmuseum, im neuen 25hours Hotel Paper Island und im Hay-Store in der Innenstadt liefert die Anwort.
Auf dänisches Design können sich unzählige Menschen weltweit einigen. Egal, ob in Wohnungen in Berlin, London oder Sydney: Es finden sich darin gern ikonische Stücke, wie der 1958 entworfene Egg Chair von Arne Jacobsen (1902-1971) oder der stapelbare Holzstuhl der Serie 7 des Architekten aus dem Jahr 1955, der als der meistverkaufte Stuhl aller Zeiten gilt. Ebenso beliebt sind der Y-Stuhl (Y-Stolen) aus dem Jahr 1950 von Hans J. Wegner (1914-2007) für Carl Hansen & Søn, und die 1958 designte dreischirmige PH-5-Leuchte von Poul Henningsen (1894-1967) für Louis Poulsen. Gleichzeitig erobern neben den Klassikern auch neue Marken wie Hay, ferm Living, Bolia und Broste Copenhagen den globalen Markt.
Wer Antworten darauf sucht, warum aus einem kleinen Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern so viele erfolgreiche Designer und Designerinnen stammen, sucht am besten in Dänemark selbst danach. In Kopenhagen befindet sich das Dänische Designmuseum - der prunkvolle Bau, ein ehemaliges Hospital aus dem 18. Jahrhundert, beherbergt die größte Möbel- und Produktdesignsammlung des Landes. Zum einen bekommen dort spannende Jungtalente ihren Platz, die zum Beispiel mit außergewöhnlichen Materialien, wie den Schalen von Muscheln und Schnecken-Resten, die aus Restaurants anfallen - experimentieren, um daraus Tassen und Teller herzustellen. Zum anderen lernt man viel über die Genese eines Stils, der heute eine Art universellen Weltgeschmack zu prägen scheint.
Im Museum erfahren die Besucher, dass der Begriff des Dänischen Designs 1949 durch eine Reihe von amerikanischen Journalisten geprägt wurde. Sie sahen sich die seit 1927 jährlich stattfindende Möbelausstellung der Kopenhagener Schreinergilde im Designmuseum an. In begeisterten Artikeln formulierten die Redakteure danach, was den dänischen Modernismus ausmachte und lösten damit eine immense Nachfrage nach den formschönen Stücken nicht nur in den USA aus: Die Möbel bestanden aus natürlichen Materialien, oftmals Holz, und waren in kleinen Werkstätten in klassischer Handwerksarbeit gebaut worden, bei der jeder Schritt wohlüberlegt war und es keine verspielten Details gab.
Ästhetik meets Alltagstauglichkeit
Viele der bedeutendsten Köpfe erlernten zunächst einmal einen soliden Handwerksberuf: Arne Jacobsen etwa wurde zum Steinmetz ausgebildet, bevor er Architektur studierte, Hans J. Wegner lernte Tischler und ging später an die Kunstgewerbeschule. Als Anhänger des Funktionalismus schufen sie sparsame, rational gestaltete Objekte, deren Ästhetik sich perfekt mit ihrer Alltagstauglichkeit vereinte. Die Gestalter dachten ihre Entwürfe vom Menschen her - etwas, das das dänische Design bis heute prägt. Dies erklärt, unter anderem, die weltweite Beliebtheit: Die Stücke sind zurückhaltend, sie drängen sich nicht auf, sondern passen sich mühelos den verschiedensten Räumen an.
Ebenso wichtig: Das Design ist zeitlos. Zum handwerklichen Gedanken gesellten sich im Laufe der Jahre natürlich neue Herstellungsverfahren und Technologien. Doch auch die aktuellen Möbel-Manufakturen orientieren sich an der Design-Tradition ihrer Vorgänger und bauen darauf auf. Zudem gilt: "Viele Dinge werden innerhalb einer Familie an die nächste Generation weitergegeben", sagt Grit Rister, Managerin des in Kopenhagen eröffneten 25hours Hotel Paper Island. "Wenn ich meine dänischen Freunde und Freundinnen besuche, sehe ich in jeder Wohnung Möbelklassiker, eine gelungene Mischung aus Vintage und Neuem," erklärt sie.
Das Innendesign des Hotels ist ein ebensolcher eklektischer Mix, "und vieles, was man hier an Dekoration sieht, haben wir auf Flohmärkten gefunden", erklärt Rister lächelnd. Aber natürlich dürfen auch die alten und die modernen Design-Klassiker nicht fehlen: "Alle Lampen im Haus stammen von Louis Poulsen, die Tische und Stühle im Außenbereich sind von ferm Living und von Hay."
Stilistisches Erbe

Moderne Klassiker haben ihren Preis. Sind dafür aber auch ewig schön. - der Klassiker - die Lampe - im Louis Poulsen Store.
(Foto: Frauke Rüth)
Für die Dänen gehört gutes Design zum alltäglichen Leben, selbst der Staat investiert, bis heute, in öffentliche Gebäude. Der spätere Star-Architekt Arne Jacobsen arbeitete etwa nach dem Studium zunächst im städtischen Bauamt, bevor er an verschiedenen Großprojekten wie der Bellavista-Siedlung in Klampenborg, einem Vorort Kopenhagens am Strand des Öresund, beteiligt war. Er entwarf dabei nicht nur Wohnhäuser, sondern auch ein Restaurant, ein Theater und ein Hotel, inklusive der Innenausstattung.
Vom Kind bis zum Erwachsenen kennt jeder die Design-Klassiker, denn in Dänemark werden bereits die Jüngsten spielerisch an das stilistische Erbe herangeführt. Eltern schenken dem Nachwuchs gerade gern das Buch "The Little Book of Danish Design for Children and Curious Grown-Ups", das in humorvollen Illustrationen und kurzen Texten 50 Designklassiker vorstellt, darunter der Toadstool-Tisch aus dem Jahr 1962 von Nanna Ditzel oder die farbenfrohen Flowerpot-Lampen, die Verner Panton 1968 schuf. "Es fängt schon beim Holzspielzeug für die Kinder an, das besonders toll gestaltet ist," weiß Grit Rister. "Und geht in den Möbelgeschäften weiter, wo es meist von den Designstühlen für die Erwachsenen auch eine Ausführung für Kinder gibt." So entstehe ein Bewusstsein, dass man sich lieber wenige, aber dafür hochwertige Stücke gönne. Dieses Denken führt dazu, dass in Dänemark nicht das teure Auto als Statussymbol gilt, sondern etwa ein Wishbone Chair von Hans J. Wegner.
Eine der neuen Lieblingsmarken, mit Niederlassungen in Berlin und München, aber auch in Liverpool, Tokio und Melbourne, ist die 2002 gegründete dänische Marke Hay. Fans skandinavischer Möbel, Accessoires und Mode strömen geradezu ins Hay House. Showroom und Flagshipstore sind in einem Jugendstilgebäude aus dem Jahr 1896 in der Kopenhagener Innenstadt beheimatet. Auf einer engen Holztreppe geht es in den zweiten Stock, wo über zwei Etagen Möbel und Produkte präsentiert werden: Schlanke Tische, großzügige Regale, bequeme Sessel, vieles in sanften gedeckten Beige- und Sandtönen, aber auch mal in einem kräftigen Moosgrün oder einem warmen Eigelb-Ton.
Die Schlange an der Kasse ist lang. Von der Zahnbürste, über das Küchenhandtuch, bis hin zur Blumenvase wird einiges eingetütet. Denn bereits eines dieser sympathisch zurückhaltenden Designer-Teile schafft es gekonnt, im eigenen Zuhause dänische Leichtigkeit und Unbeschwertheit zu verbreiten.
Quelle: ntv.de