115 Kardinäle, 115 Meinungen? Wer im Konklave die Strippen zieht
13.03.2013, 10:52 Uhr
(Foto: AP/dpa)
Hinter den verschlossenen Türen der Sixtinischen Kapelle wird - ganz weltlich - geschachert. Wer neuer Papst wird, entscheidet sich vor allem danach, wer auf die meisten Kardinäle Einfluss hat. Die regionale Herkunft spielt eine Rolle. Doch auch mächtige Lobbys regieren in das Konklave hinein.
Dick und rußig-schwarz quoll am Abend der Rauch aus dem etwas karg geratenen Blechrohr auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle. Bisher haben sich die 115 Kardinäle des Konklaves zur Bestimmung eines neuen Pontifex noch nicht einigen können. Dabei sollte es doch leicht möglich sein, dass die Kirchenmänner auf einen Nenner kommen, meint man - und irrt damit.
Bevor es einen neuen Papst gibt, wird im Konklave umständlich ausgelotet, was geht und was nicht. Denn tatsächlich ist das Konklave, und so ist es schon immer gewesen, gespalten in viele verschiedene Fraktionen, Seilschaften, Abhängigkeitsverhältnisse. Zum einen ziehen sich die Linien entlang der Weltregionen, aus denen die Kardinäle stammen. Sie kommen aus insgesamt 45 Ländern. Da sind die 11 Afrikaner, ebenso viele aus Asien und Australien, 33 aus Nord- und Südamerika. Über die Hälfte der Abgesandten, 60 Kardinäle, sind Europäer.
Die Italiener sind gespalten
Von den 60 Europäern stammen 28 aus Italien. Sie sind damit die bedeutendste Fraktion im Konklave. Vatikan-Kenner Andreas Englisch brachte es im Gespräch mit n-tv.de auf die einfache Formel: "Es gibt die Italiener und den Rest der Welt." Mit knapp einem Viertel der Kardinäle scheint es wahrscheinlich, dass sie sich durchsetzen und einen Mann aus ihren Reihen auf den Heiligen Stuhl hieven. Allerdings ist laut Englisch nicht klar, wie sehr sie untereinander zerstritten sind.
Die Italiener sind laut italienischen Medien gespalten in Nord und Süd. Die aus dem Norden sympathisieren mit dem Mailänder Erzbischof Angelo Scola und dem Erzbischof von Genua, Angelo Bagnasco, der zugleich Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz ist. Die aus dem Süden sollen an Einfluss verloren haben, seit Crescenzio Sepe nicht mehr Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker ist.
Bertone ist ein wichtiger Mann im Vatikan
Doch fernab der Herkunft der Kardinäle teilen Vatikan-Experten das Konklave auch in verschiedene "Lobbys", "Frakionen", spirituelle Bewegungen und Sichtweisen ein. Da wären etwa die "Diplomaten". Hier handelt es sich um Kardinäle, die von Papst Johannes Paul II. ernannt worden sind und sich um Kardinalsdekan Angelo Sodano gruppieren. Der 85-Jährige, der als Kardinal-Staatssekretär lange in der Funktion des "Regierungschefs" und zuvor als diplomatischer Vertreter des Vatikans im Ausland tätig war, nimmt selbst nicht an der Papst-Wahl teil. Aus seinem Umfeld wird vor allem der Argentinier Leonardo Sandri als "papabile" genannt.
Eine andere Fraktion schart sich um den derzeitigen Kardinal-Staatssekretär Camerlengo Tarcisio Bertone - daher ihr Name "Bertonianer". Diese Kardinäle sind allesamt von Papst Benedikt XVI. ernannt worden und rivalisieren mit der alten Garde um Sodano. Zu ihnen zählen die Italiener Antonio Maria Vegliò, Giuseppe Versaldi und Giuseppe Bertello. Bertone selbst zählt nicht zu den Favoriten, hat aber großen Einfluss.
Opus Dei in Südeuropa und Lateinamerika stark
Großen Einfluss hat nach wie vor auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. selbst, auch wenn er nicht am Konklave teilnimmt. Er hat mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Kardinäle ernannt und einige von ihnen auch öffentlich gelobt. Es heißt, sein Favorit sei der Italiener Angelo Scola, den er zum Erzbischof von Mailand, der wichtigsten Erzdiözese des Landes, ernannt hatte.
In Spanien, Italien und Lateinamerika hat das Opus Dei großen Einfluss. Die von dem Spanier Josemaría Escrivá de Balaguer gegründete Laienorganisation ist im Konklave durch den Erzbischof von Perus Hauptstadt Lima, Juan Luis Cipriani, vertreten, der von einigen selbst zu den "papabile" gezählt wird. Dem "Werk Gottes" gehört auch der emeritierte Kurienkardinal Julián Herranz an, den der Papst mit der Untersuchung der "Vatileaks"-Affäre betraut hatte.
Ein Star - oder einer "den niemand auf der Pfanne hat"?
Weitere spirituelle Bewegungen haben ihre Leute im Konklave. Da ist etwa der chilenische Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa, der die Schönstatt-Bewegung vertritt - eine Erneuerungsströmung mit Zentrum in der Nähe von Koblenz. Wichtiger ist wohl die Bewegung Comunione e Liberazione (Gemeinschaft und Befreiung). Im Konklave ist deren höchster Repräsentant Angelo Scola - auch wenn sich der Mailänder in den vergangenen Jahren von Comunione e Liberazione distanziert hat.
Die Wahlgänge im Konklave bewegen sich entlang der beschriebenen Interessenslinien. Damit aber am Ende keiner als klarer Verlierer aus der Papstwahl geht, folgt das Konklave - neben der strengen Heimlichtuerei - gewissen informellen Regeln. Papst-Experte Englisch sagt: "Konklaven sind bisher eigentlich alle gleich gelaufen." Entweder gebe es einen klaren Favoriten, der sich in den Wahlgängen nach und nach an die Zweidrittelmehrheit heranpirscht. "Oder es gibt keinen 'Star', es stehen sich zwei Fraktionen gegenüber, die ihre Favoriten nicht durchbringen können. Dann schafft man eine Alternative und es wird einer, den niemand auf der Pfanne hatte."
Quelle: ntv.de, mit dpa