Geschäftsmodell vor Gericht Wie Agenturen ein Medizinstudium im Ausland vermitteln
05.06.2025, 11:15 Uhr Artikel anhören
Pro Wintersemester nehmen rund zehntausend Menschen ein Medizinstudium in Deutschland auf - die Zahl der Bewerber ist deutlich höher.
(Foto: picture alliance / Zoonar)
Der Traum vom Arztberuf scheitert in Deutschland für viele am hohen Numerus Clausus. Wer trotzdem Medizin studieren will, kann sich an Firmen wenden, die Studienplätze im Ausland vermitteln. Das Konzept beschäftigt auch den Bundesgerichtshof.
Wer in Deutschland Medizin studieren will, braucht in der Regel vor allem eins: einen hervorragenden Abi-Notendurchschnitt. Reicht der am Ende nicht für einen der begehrten Plätze, wählen einige angehende Mediziner den Weg übers Auslandsstudium. Unterstützt werden sie dabei teils von professionellen Vermittlungsfirmen. Die beraten bei der Auswahl der Universität, helfen bei der Bewerbung und betreuen die Studierenden vor Ort.
Mit der Vergütung dieser Studienvermittler beschäftigt sich auch der Bundesgerichtshof (BGH). Es geht um die Frage, ob die Auftraggeber auch dann das ausgemachte Honorar zahlen müssen, wenn sie mithilfe der Vermittler zwar einen Studienplatz ergattern, ihn dann aber nicht annehmen. Im April wurde dazu in Karlsruhe verhandelt, nun will der BGH sein Urteil verkünden. Der Fall rückt ein spezielles Geschäftsmodell in den Fokus.
Viele Interessenten, wenige Plätze
Studienplätze für Medizin sind in Deutschland begehrt und begrenzt. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts bewarben sich in den Wintersemestern der vergangenen Jahre je rund 35.000 Menschen auf das Studium. Angefangen haben pro Wintersemester aber nur etwa Zehntausend - also nicht mal ein Drittel. Hinzu kommt, dass der ein oder andere Interessent vermutlich schon wegen der bekanntlich hohen notenabhängigen Zugangshürde Numerus Clausus (NC) von einer Bewerbung absieht.
Wer den Traum vom Arztberuf trotzdem nicht aufgeben will, der kann sich stattdessen an einer Universität im Ausland bewerben. Die setzen bei der Auswahl oft auf spezielle Aufnahmetests statt auf den NC. Vor allem aus EU-Ländern wird der Studienabschluss nachher auch in Deutschland anerkannt. Und wer will - und es sich leisten kann - kann sich bei der Bewerbung und im Auslandsstudium von speziellen Agenturen betreuen lassen.
In den meisten Fällen wende sich die ganze Familie ans Unternehmen, erklärt Hendrik Loll, Geschäftsführer eines solchen Anbieters namens StudiMed. Die Agentur berate die Abiturienten zum passenden Studienort, kümmere sich um Bewerbungsunterlagen, bereite die Bewerber auf die naturwissenschaftlichen Aufnahmetests vor und betreue sie auch später vor Ort - etwa bei der Wohnungssuche und der Behördenanmeldung.
Für diese Leistungen berechnet das Unternehmen ein Honorar in Höhe einer Jahres-Studiengebühr der jeweiligen Uni. In der Regel liegt die laut StudiMed bei 8.000 bis 15.000 Euro. Der Betrag wird fällig, sobald der Bewerber einen Platz an der gewünschten Universität erhält.
Wer trägt das Risiko?
Ungefähr so sollte es auch im Fall eines jungen Mannes aus der Nähe von München ablaufen. Mit einem Abi-Schnitt von 3,0 war ihm ein Medizinstudium in Deutschland eher nicht möglich. Er beauftragte StudiMed mit der Vermittlung eines Studienplatzes an einer Universität in Bosnien - und bekam den Platz. Das Unternehmen stellte ihm dafür fast 11.200 Euro in Rechnung. Doch der Abiturient wollte den Platz nicht annehmen und daher auch nicht das ausgemachte Honorar zahlen.
Jedes Jahr gebe es etwa eine Handvoll Kunden, die nicht zahlen wollen, erklärt StudiMed-Chef Loll. Vor Gericht hätten die Oberlandesgerichte (OLG) bisher aber immer die Auffassung der Vermittler gestützt, dass die Agentur nicht das Risiko dafür trage, ob der Studienplatz am Ende angenommen wird oder nicht. Doch im aktuellen Verfahren sah das OLG München das anders. Es handele sich um einen Maklervertrag, so das Gericht. Als Makler trage StudiMed auch das Risiko dafür, dass es sich der Bewerber am Ende anders überlegt.
Gegen diese Entscheidung versucht sich das Unternehmen am BGH zu wehren. Seiner Ansicht nach ist das Vermittlungsangebot nicht etwa mit dem eines Immobilienmaklers vergleichbar. Schließlich zahle man für ein Gesamtpaket, zu dem etwa auch die Vorbereitungskurse gehörten, betonte StudiMeds Anwalt im April in Karlsruhe. Es handele sich schwerpunktmäßig um einen Dienstvertrag.
Neben dem eigenen Unternehmen gebe es in Deutschland noch mindestens drei weitere Agenturen, die Studienplätze im Ausland vermitteln, sagt Loll. Die Vergütung laufe dort nach einem ähnlichen Prinzip, ebenfalls über ein Erfolgshonorar. Das BGH-Urteil hätte daher womöglich Auswirkungen auf die ganze Branche.
Deutsche Medizinstudenten fordern Reform
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) kann nach eigener Aussage gut nachvollziehen, dass der Erhalt eines Studienplatzes eine der größten Hürden auf dem Weg zum Arztberuf ist. Das Geschäftsmodell der Studienvermittler sehe man aber kritisch. Denn dadurch würden Bewerber benachteiligt, die sich das Unterstützungsangebot nicht leisten können. "Die eigene finanzielle Situation sowie der Geldbeutel der Eltern sollten dabei die Chance auf einen Studienplatz nicht beeinflussen", meinen die Studierenden.
Nach Ansicht der bvmd braucht das Zulassungsverfahren zum Medizinstudium in Deutschland aber eine Reform. Die Abiturnote werde derzeit deutlich zu hoch gewichtet. Die Nachwuchsärzte fordern, dass der Notenschnitt immer um andere Faktoren wie einen Eignungstest, abgeschlossene Berufsausbildungen oder Freiwilligendienste ergänzt werden sollte. "So kann vermieden werden, dass Studierende zum Studium im Ausland faktisch gezwungen werden, weil sie im aktuellen, zu stark auf die Abiturnote fokussierten Zulassungsverfahren keine Chance auf einen Studienplatz haben."
Quelle: ntv.de, Jacqueline Melcher, dpa