Flüchtlingslager angegriffen? 56 Tote bei Luftangriff in Äthiopien
08.01.2022, 17:27 Uhr
Tausende Menschen wurden bei den Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktregionen bereits getötet, mehr als zweieinhalb Millionen sind auf der Flucht.
(Foto: picture alliance / AA)
Seit über einem Jahr kommt es in Äthiopien zu Kämpfen zwischen der TPLF und der Zentralregierung. Während bei einem Luftangriff 56 Menschen getötet werden, entlässt die Regierung zur gleichen Zeit mehrere oppositionelle Gefangene, um "den Weg für eine dauerhafte Lösung" freizumachen.
Bei einem Luftangriff in der Konfliktregion Tigray werden Hilfskräften zufolge 56 Menschen getötet. 30 weitere Personen seien verletzt worden, sagten zwei Helfer unter Berufung auf Augenzeugen und lokale Behörden. Ziel des Luftangriffs am Freitagabend war den beiden zufolge ein Flüchtlingslager in Dedebit im Nordwesten der Region an der Grenze zu Eritrea.
Vor über einem Jahr brachen in der Region Tigray Kämpfe zwischen den Truppen der von der Volksbefreiungsfront (TPLF) geführten Regionalregierung und der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed aus. In den Kämpfen wurden bereits Tausende Menschen getötet, mehr als zweieinhalb Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Äthiopien ist eine Föderation aus zehn Regionalstaaten, ethnische Zugehörigkeiten spielen eine sehr große Rolle. Zwischen den Regionen bestehen häufig Konflikte, so streiten Tigray und Amhara über den Grenzverlauf. Das Land am Horn von Afrika wurde drei Jahrzehnte lang von der Region Tigray und der TPLF dominiert. Als Abiy 2018 Ministerpräsident der Zentralregierung wurde, verlor die TPLF viel von ihrem Einfluss. Ihre Rückkehr an die Macht würde vor allem in Oromiya auf Widerstand stoßen - in dieser Region liegt die Hauptstadt Addis Abeba, und die Oromo stellen die Bevölkerungsmehrheit. Abiy selbst gehört den Oromo an und hat familiäre Wurzeln auch in Amhara.
Mehrere oppositionelle Gefangene aus Haft entlassen
Zeitgleich wurden im Rahmen einer Amnestie nun mehrere prominente oppositionelle Gefangene freigelassen. Unter den Betroffenen waren auch mehrere Vertreter der Opposition und der Rebellengruppe TPLF, die genaue Zahl der Freigelassenen war zunächst unklar. Die Regierung hatte den Schritt am Freitag überraschend verkündet und eine Liste mit den Namen mehrerer Oppositionsführer der Volksgruppen Oromo und Amhara sowie führender TPLF-Mitglieder veröffentlicht. "Ziel ist es, den Weg für eine dauerhafte Lösung für die Probleme Äthiopiens freizumachen, auf friedliche und gewaltfreie Weise", hieß es dazu aus Addis Abeba. "Der Schlüssel für dauerhafte Einheit ist Dialog."
Wie viele der von der Amnestie betroffenen Menschen bereits aus der Haft entlassen wurden, war zunächst unklar. Ebenfalls unklar war, ob die äthiopische Regierung der TPLF Verhandlungen angeboten hat. Zu den hochrangigen TPLF-Mitgliedern, die auf der Liste der Regierung standen, zählen unter anderem Parteigründer Sibhat Nega, der ehemalige Präsident der Krisen-Region Tigray, Abay Woldu, sowie der ehemalige Botschafter im Sudan, Abadi Zemu. Bereits freigelassen wurde nach Angaben seiner Partei der Oppositionspolitiker Eskinder Nega. Die Partei Balderas veröffentlichte bei Facebook ein Foto, auf dem Eskinder und ein Kollege vor einem Gefängnis zu sehen sind, in dem beide inhaftiert waren.
Eskinder und andere Oppositionelle waren 2020 nach blutigen Unruhen festgenommen worden. Auch der Oromo-Medienmogul und ehemalige Verbündete Abiys, Jawar Mohammed, sowie sein Parteikollege Bekele Gerba, wurden den Angaben ihres Anwalts zufolge freigelassen. UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte die Amnestie und erklärte, er sei weiterhin "aktiv bemüht, Äthiopien zu unterstützen", um "Frieden und Stabilität wiederherzustellen".
USA sehen schwere Menschenrechtsverletzungen
Die Ankündigung der Regierung fiel mit dem orthodoxen Weihnachtfest in Äthiopien zusammen. Ministerpräsident Abiy Ahmed rief aus diesem Anlass zur "nationalen Versöhnung" auf. In einer weiteren Stellungnahme bezeichnete er die Mitglieder der TPLF jedoch als "Schlangen".
Die Vereinten Nationen werfen allen Konfliktparteien schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen benötigen 9,4 Millionen Menschen Lebensmittelhilfe. Im Juli 2020 waren mehrere Vertreter der Opposition in Äthiopien festgenommen worden. Zuvor hatte es gewalttätige Unruhen gegeben, nachdem der beliebte Sänger Hachalu Hundessa aus der Oromo-Ethnie in der Hauptstadt Addis Abeba umgebracht worden war.
Quelle: ntv.de, lno/dpa/rts