Protest gegen Zwangsabschaltung Altmaier wird den Kohle-Streit nicht los
05.02.2020, 00:15 Uhr
Altmaier spricht von "konstruktivem Austausch". Ein konkretes Ergebnis gibt es aber nicht.
(Foto: imago images/photothek)
Die Bundesregierung gibt Betreibern von Steinkohlekraftwerken finanzielle Anreize, ihre Anlagen vom Netz zu nehmen. Wer sie nicht wahrnimmt, kann ohne Entschädigung zwangsabgeschaltet werden. Das finden Unternehmen und Politiker der Kohleregionen unfair - und machen beim Wirtschaftsminister Druck.
Die Bundesregierung gerät wegen geplanter Zwangsabschaltungen von Steinkohlekraftwerken ohne Entschädigungen zunehmend unter Druck. Die einflussreiche Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der SPD-Bundestagsfraktion forderte wie Wirtschaftsverbände und die NRW-Landesregierung deutliche Nachbesserungen am geplanten Gesetz zum Kohleausstieg. Ein Treffen von Vertretern der Steinkohlewirtschaft, Kommunen und Ländern mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU endete in Berlin ohne konkrete Ergebnisse. Das Ministerium sprach im Anschluss von einem "sehr konstruktiven Austausch". Ende Februar ist eine Zusammenkunft mit Kraftwerksbetreibern geplant.
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart von der FDP erklärte: "Aus Sicht der Landesregierung darf es zu keiner Ungleichbehandlung zwischen Braun- und Steinkohle kommen. Deshalb müssen auch für Steinkohlekraftwerke angemessene Entschädigungsleistungen gezahlt werden." Die derzeit geplanten Regelungen gefährdeten das Vertrauen in den Wirtschafts- und Energiestandort Deutschland.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) kündigte nach dem Gespräch an, im parlamentarischen Verfahren für eine "Nachjustierung" zu werben. "Dazu gehören: Keine Stilllegung von Steinkohlekraftwerken ohne angemessene Entschädigung sowie deutlich bessere Rahmenbedingungen für den Ausbau der KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) und den Wechsel von Kohle- auf Gas-KWK", erklärte VKU-Präsident Michael Ebling.
Greenpeace: "Entschädigungen wären grotesk"
Zuvor hatte der Chef der NRW-Landesgruppe, Achim Post, gesagt, entschädigungslose Stilllegungen mit hohem Klagerisiko gefährdeten den breiten gesellschaftlichen Konsens der Kohlekommission. "Wir brauchen jetzt substanzielle Veränderungen im Gesetzgebungsverfahren." Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sieht ebenfalls Nachbesserungsbedarf bei der Steinkohle. Die Forderung, Steinkohlekraftwerke nicht ohne Entschädigung stillzulegen, sei im Ansatz richtig, sagte der CDU-Politiker in Düsseldorf. Allerdings müsse der Einzelfall genau betrachtet werden.
Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser dagegen sagte: "Wenn die Bundesregierung ihr misslungenes Gesetz zum Kohleausstieg retten will, muss sie damit mehr CO2 einsparen, statt weitere Steuermilliarden ohne Gegenleistung zu verteilen. Zusätzliche Entschädigungen für alte Steinkohlemeiler wären grotesk."
Das Bundeskabinett hatte nach langem Ringen ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle bis spätestens 2038 regelt. Betreiber von Steinkohlekraftwerken sollen sich bis 2026 in einem Ausschreibungsverfahren darauf bewerben können, Blöcke gegen Entschädigungen stillzulegen. Die Zahlungen sind nach dem Gesetzentwurf gestaffelt und sollen sich Jahr für Jahr deutlich verringern. Ziel ist, möglichst viele Treibhausgas-Emissionen für möglichst wenig Entschädigung einzusparen, ohne dass es Versorgungslücken gibt.
Zwangsabschaltungen möglich
Sollte es 2024 bis 2026 nicht genügend Bewerbungen geben, können Kraftwerke auch zwangsabgeschaltet werden. Ab 2027 soll dem Gesetzentwurf zufolge über Ordnungsrecht und ohne Entschädigung abgeschaltet werden. Steinkohleanlagen sollen in der Reihenfolge ihres Alters eine Anordnung zur gesetzlichen Reduzierung erhalten - mit der "Rechtsfolge" des Verbots der Kohleverfeuerung. Für Betreiber von Braunkohlekraftwerken soll es für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken Milliardenentschädigungen geben - Zwangsstilllegungen sind im Gegensatz zur Steinkohle nicht geplant.
Der Chef der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Beim im Kern ausgewogenen Kohleausstiegsgesetz gibt es logische Unwuchten bei der Behandlung von Stein- und Braunkohle. Wir müssen ausreichend Steinkohlekapazitäten für den Fall vorhalten, dass der Ausbau der Erneuerbaren im selben Schneckentempo verläuft wie bisher." Deshalb brauche es mehr als nur die eine bislang vorgesehene Stilllegungsauktion Mitte der 2020er. "Mit mehreren Auktionen können CO2-Reduktion und Strombedarf am besten austariert werden."
Quelle: ntv.de, mra/dpa