Politik

Mit Fluten gegen den Feind Am Dnipro wurde bereits ein Staudamm gesprengt

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Nördlich vom Kachowka-Damm wurde eine andere Staumauer bereits in einem anderen Krieg zerstört - das Wasserkraftwerk am Saporischschja-Stausee, 1941 und 1943. Erst sprengte die Rote Armee den Damm, dann die Deutschen.

Endgültige Beweise dafür, wer oder was den Kachowka-Staudamm in der Ukraine zerstört hat, gibt es immer noch nicht. Klar ist nur, dass der Staudamm noch stehen würde, wenn die Russen die Ukraine nicht überfallen hätten. Klar ist auch, dass die russische Armee den Staudamm seit Beginn der Invasion besetzt hält.

In jedem Fall stellt die Zerstörung von Staudämmen ein Kriegsverbrechen dar. "Anlagen oder Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten, nämlich Staudämme, Deiche und Kernkraftwerke, dürfen auch dann nicht angegriffen werden, wenn sie militärische Ziele darstellen, sofern ein solcher Angriff gefährliche Kräfte freisetzen und dadurch schwere Verluste unter der Zivilbevölkerung verursachen kann", heißt es in Artikel 56 der Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention von 1949.

Es gibt viele Beispiele für die Zerstörung von Staudämmen in der europäischen Geschichte - vor allem aus dem Zweiten Weltkrieg. Nicht weit entfernt vom Kachowka-Staudamm, der erst nach dem Krieg errichtet wurde, sprengte der sowjetische Geheimdienst NKWD im Sommer 1941 einen riesigen Damm im ukrainischen Saporischschja, um den Vormarsch der deutschen Wehrmacht zu verlangsamen. Den Befehl dafür soll der sowjetische Diktator Stalin selbst gegeben haben.

Der teilweise reparierte Dnipro-Staudamm auf einem Bild aus dem Jahr 1942.

Der teilweise reparierte Dnipro-Staudamm auf einem Bild aus dem Jahr 1942.

(Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F016197-0003 / CC-BY-SA 3.0, Wikimedia)

Der Dammbruch löste eine Flutwelle aus, in der zwischen 20.000 und 100.000 Menschen ertrunken sein sollen, darunter auch Offiziere der Roten Armee. Die Opfer waren den Verantwortlichen offenbar egal: Der ukrainische Historiker Vladyslav Moroko sagte 2013, die Männer, die die Sprengung organisierten, hätten mehr Angst vor Stalin gehabt als vor den Deutschen.

Als zwei Jahre später sowjetische Truppen vorrückten, versuchten nun die Deutschen, den Staudamm zu sprengen, den sie von Zwangsarbeitern teilweise hatten wiederaufbauen lassen. Die Detonation eines Teils der Sprengladung wurde allerdings von den Sowjets verhindert, sodass die Schäden deutlich geringer waren als 1941.

Vorrücken sowjetischer Truppen auf deutsche Stellungen am Dnipro, 15. Oktober 1943.

Vorrücken sowjetischer Truppen auf deutsche Stellungen am Dnipro, 15. Oktober 1943.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Auch die westlichen Alliierten griffen im Zweiten Weltkrieg Staudämme an. In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 führten die Briten die "Operation Chastise" durch, deren Ziel es war, sechs Talsperren in Hessen und Nordrhein-Westfalen zu zerstören. Die Briten entwickelten dafür spezielle Rollbomben, die über den Stauseen abgeworfen wurden und dann zunächst auf der Wasseroberfläche hüpften, um dann vor der Staumauer zu sinken und unter Wasser zu explodieren.

Die Edertalsperre westlich von Kassel sowie die Möhnetalsperre im Sauerland wurden stark beschädigt, die Angriffe auf die anderen Talsperren scheiterten. In den Flutwellen kamen bis zu 2400 Menschen ums Leben, die weitaus meisten an der Möhnetalsperre. Unter den Toten waren auch Kriegsgefangene und zahlreiche Zwangsarbeiterinnen.

Die Angriffe sollten die deutsche Rüstungsindustrie treffen, zusätzlich sollte sie Kräfte binden, die sonst für den Bau von Verteidigungsanlagen eingesetzt worden wären. Es war Teil des "Shaping" vor der Landung der Alliierten in der Normandie, die ein Jahr später stattfand.

Quelle: ntv.de, hvo

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