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Scholz' "letzte Patrone" Ampel lobt Pistorius vorab, Grüne schmerzt Ende der Parität

Zwei Niedersachsen am Werk: Verteidigungsminister in spe Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil.

Zwei Niedersachsen am Werk: Verteidigungsminister in spe Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil.

(Foto: dpa)

Klingbeil, Heil, Högl - die anderen Kandidaten für die Nachfolge von Lambrecht im Bendlerblock überhäufen Boris Pistorius mit Vorschusslorbeeren. Die kann er gebrauchen, laut FDP-Politikerin Strack-Zimmermann gibt es keine Schonfrist. Die Grünen trauern noch der Geschlechterparität nach.

Politikerinnen und Politiker der Ampel-Regierung haben überwiegend positiv auf die Nachricht reagiert, dass Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius das Amt des Bundesverteidigungsministers übernehmen wird. Arbeitsminister Hubertus Heil, wie Pistorius aus Niedersachsen und selbst einer der Kandidaten für die Nachfolge von Christine Lambrecht, sagte: "Ich bin stolz, dass ich jetzt einen zweiten Niedersachsen im Kabinett habe." Boris Pistorius sei "eine ausgezeichnete Wahl". Er sei klug, erfahren und durchsetzungsstark". "Das Bundesverteidigungsministerium, die äußere Sicherheit und auch die Truppe haben einen starken Minister verdient", so Heil. Er selbst habe als Bundesarbeitsminister noch viel vor, bekräftigte Heil.

Lob im Voraus kam auch von der Wehrbeauftragten des Bundestags, Eva Högl - die SPD-Politikerin wurde ebenfalls als potenzielle Lambrecht-Nachfolgerin gehandelt. Sie bezeichnete Pistorius als engagierten, führungsstarken und leidenschaftlichen Politiker". Als gebürtige Niedersächsin kenne sie ihn schon lange und habe in ihrer Zeit als Innen- und Rechtspolitikerin im Bundestag "sehr vertrauensvoll mit ihm zusammengearbeitet". Högl betonte, Pistorius sei ein Politiker, "dem die Bundeswehr sehr am Herzen liegt und auf den sie sich verlassen kann".

Als dritter möglicher Nachfolger Lambrechts wurde vorab auch SPD-Chef Lars Klingbeil häufig genannt. Dieser bezeichnete Pistorius nun als ideale Besetzung. "Boris Pistorius ist in dieser herausfordernden Zeit der richtige für den Job als Verteidigungsminister an der Spitze des Ministeriums", sagte Klingbeil vor einer Klausur der bayerischen SPD-Landtagsfraktion in München. "Und er wird zeigen, dass er die Bundeswehr und die deutsche Sicherheitspolitik durch diese herausfordernde Phase der Zeitenwende gut führen kann."

Weil: Job im Bendlerblock "wichtiger als sein Amt in Niedersachsen"

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der Pistorius als Innenminister in seinem Landeskabinett verliert, sagte: "Boris Pistorius hat auch schon bisher in Niedersachsen, einem der größten Bundeswehrstandorte in Deutschland, stets einen sehr guten und engen Draht zum Militär und zu den Soldatinnen und Soldaten." Für deren Belange und für die Sicherheit der Menschen in Deutschland werde er sich mit aller Kraft einsetzen. "Das ist jetzt noch wichtiger als sein aktuelles Amt in Niedersachsen", ergänzte Weil.

Pistorius' künftiger Kabinettskollege, Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen, sagte: "Boris Pistorius ist ein sehr erfahrener Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt. Ich schätze ihn persönlich sehr und habe ihn immer als verbindlich und verlässlich erlebt." Pistorius übernehme das Amt in schwierigen Zeiten. Auch stünden kurzfristig wichtige Entscheidungen an, vor allem mit Blick auf die Ukraine. "Deutschland hat eine Verantwortung, seine Verteidigungsfähigkeit zu stärken und die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung weiter zu unterstützen", sagte Habeck.

Kritik kam von den Grünen an der Aufgabe der Geschlechterparität im Bundeskabinett. Ein paritätisch besetztes Kabinett sei extrem wichtig, sagte die Co-Fraktionschefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge. Es hätte auch erneut eine Frau als Verteidigungsministerin geben können. Frauen seien mindestens gleich qualifiziert. Es sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit, das Kabinett paritätisch zu besetzen. "Das sollte auch bei allen künftigen Entscheidungen so sein." Dröge bezeichnete Pistorius trotzdem als gute Wahl. "Er bringt viel Erfahrung und Kompetenz mit." Im Verteidigungsministerium stehe er nun vor großen Aufgaben, die Ukraine im Kampf gegen Russland zu unterstützen und das Beschaffungswesen zu reformieren.

Strack-Zimmermann: Pistorius bekommt keine Schonfrist

Die FDP reagierte verhalten positiv auf die Ernennung von Pistorius. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte: "Eine Schonfrist bekommt er angesichts der dramatischen internationalen Lage und dem Zustand der Bundeswehr nicht", sagte sie "t-online". Strack-Zimmermann appellierte an den SPD-Politiker, offener mit den Parlamentariern zu kommunizieren. Eine konstruktive Zusammenarbeit sei möglich, "sofern er am Kabinettstisch ausschließlich die Interessen der Soldatinnen und Soldaten vertritt und dem Ministerium gegenüber durchsetzungsstark ist", betonte sie.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hält die Entscheidung für Pistorius für eine gute Wahl. "Gott sei Dank hat sich die SPD von dem Unsinn verabschiedet, Positionen zwingend nach Geschlecht oder regionalem Proporz als nach Kompetenz zu besetzen", sagte der FDP-Politiker der "Rheinischen Post". "Es ist allerdings auch die letzte Patrone von Olaf Scholz", fügte er hinzu. "Dann geht ihm die Munition aus."

Zurückhaltender äußerten sich Politiker der Union. Pistorius sei als Innenminister in Niedersachsen "sehr erfahren", an der Spitze des Verteidigungsministeriums sei jedoch "auch internationale Erfahrung gefragt", sagte der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte dem rbb-Inforadio. Darauf sei Pistorius "vielleicht nicht gut vorbereitet". "Das ist eine Besetzung in der B-Mannschaft" schrieb Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul auf Twitter. Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, sie setze darauf, dass der designierte Verteidigungsminister die anstehenden Herausforderungen im neuen Amt erfolgreich meistern werde, sagte sie der "Rheinischen Post" und wünschte ihm dafür "alles Gute". Auch Bayerns Ministerpräsident sagte: "Ich wünsche dem neuen Verteidigungsminister Glück und Erfolg, es ist für unser Land wichtig."

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Für die Linkspartei bezog die Vorsitzende Janine Wissler Position: "Mit der Benennung von Boris Pistorius verabschiedet Scholz sich von der Parität innerhalb der Ampel-Regierung", sagte sie "t-online". Es bleibe abzuwarten, wie weit es dem SPD-Politiker gelingen werde, "die Unterwanderung der Bundeswehr durch Netzwerke und Gedankengut von Rechtsaußen zurückzudrängen und konsequent zu bekämpfen", sagte Wissler weiter. Die Probleme im Verteidigungsministerium seien zudem "keine Silvester-Videos, sondern das Verpulvern von Geldern an die Rüstungsindustrie, ein desolates Beschaffungswesen und die immer weitere Aufrüstung", sagte die Linken-Politikerin.

AfD-Co-Chefin Alice Weidel kritisierte, die Ampel bleibe sich bei der Besetzung des Verteidigungsministeriums nach dem Rücktritt von Lambrecht treu. "Mit Pistorius folgt auf Lambrecht der nächste Verteidigungsminister ohne irgendwelche Expertise auf seinem Fachgebiet." Für die Bundeswehr und das Land seien das "leider keine guten Aussichten", sagte sie "t-online". Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Rüdiger Lucassen kritisierte, die Bundeswehr bekomme statt eines Fachmannes "einen weiteren Parteisoldaten ohne Fachkompetenz und Affinität zu unseren Streitkräften".

Quelle: ntv.de, jog/dpa/rts/AFP

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