Unwissentlich von LKA verhindert Amri soll Sprengstoffattentat geplant haben
13.12.2018, 18:48 Uhr
Amri und seine Komplizen verkehrten in der Berliner Fussilet-Moschee.
(Foto: dpa)
Mit einem geklauten Lkw tötet Anis Amri 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz zwölf Menschen. Doch das könnte einem Bericht zufolge nur sein Plan B gewesen sein. Ursprünglich soll er einen Sprengstoffanschlag geplant haben - und zwar nicht allein.
Der Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri soll ursprünglich einen Sprengstoffanschlag geplant und dabei mit zwei Islamisten aus Frankreich und Russland zusammengearbeitet haben. Laut einem Schreiben der Bundesanwaltschaft stand der Tunesier wegen eines möglichen Sprengstoffanschlags mit dem französischen Islamisten Clément B. in Kontakt. Beide verkehrten nach Angaben aus Sicherheitskreisen in der Berliner Fussilet-Moschee. An den Planungen für den Sprengstoffanschlag soll auch der Tschetschene Magomet C. beteiligt gewesen sein.
Dass der Plan letztendlich nicht in die Tat umgesetzt wurde, ist laut "Zeit Online" einem Zufall zu verdanken. Das Berliner LKA suchte den als "Gefährder" eingestuften Magomet C. rund zweieinhalb Monate vor Amris Anschlag in dessen Wohnung für eine Gefährderansprache auf. Ohne es zu wissen, klingelten die LKA-Beamten demnach genau an der Tür, hinter der auch der Sprengstoff hergestellt wurde - und hinter der sich zu dem Zeitpunkt - von den Polizisten ebenfalls unbemerkt - auch Clément B. aufhielt. Die Verschwörer hatten daraufhin Angst davor, entdeckt zu werden. Ihre Wege trennten sich. Erst anschließend, schreibt "Zeit Online", habe Amri die Idee mit dem Lkw-Anschlag gehabt.
Das Bundesjustizministerium bestätigte die Existenz des Briefs der Bundesanwaltschaft und leitete ihn an den Untersuchungsausschuss des Bundestags weiter, der die Vorgänge um den Terroranschlag untersucht. "Zeit Online" zitiert daraus: "Nach den derzeitigen Ermittlungen gab es im Spätsommer 2016 Pläne von B. und Amri zur Durchführung eines Sprengstoffanschlags in Deutschland." Von Clément B., der inzwischen in Frankreich inhaftiert ist, sollen dem Bericht zufolge auch die meisten Erkenntnisse zu den Planungen stammen.
Im Sommer hatten Ermittler in Berlin dann auch Magomet C., den tschetschenischen Islamisten mit russischer Staatsbürgerschaft, festgenommen. Er soll 2016 in seiner Wohnung in Berlin eine erhebliche Menge des gefährlichen Sprengstoffs TATP gelagert haben.
Opposition klagt vor Verfassungsgericht
Bereits bekannt war, dass dieser mit Clément B. eine schwere staatsgefährdende Gewalttat in Deutschland vorbereitet haben soll. Dass B. und Amri einander kannten, ist ebenfalls bekannt. Unklar war bisher allerdings, ob Amri in die Sprengstoffpläne eingebunden war und ob Clément B. mit Amris Anschlag in Berlin zu tun hatte.
Amri hatte vor zwei Jahren - Mitte Dezember 2016 - zwölf Menschen getötet, als er einen Lastwagen gestohlen und auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert hatte. Auf der Flucht wurde er später in Italien von der Polizei erschossen. FDP, Grüne und Linke haben schon länger erhebliche Zweifel an der von Behördenvertretern vorgebrachten These, Amri sei dabei ein Einzeltäter gewesen.
Die drei Fraktionen klagen jetzt gemeinsam vor dem Bundesverfassungsgericht, um die Vernehmung eines Geheimdienstmitarbeiters im Untersuchungsausschuss des Bundestags zu erzwingen. Linke, Grüne und FDP sind der Meinung, dass sie mögliche Behördenfehler aus der Zeit vor Amris Attentat nicht aufklären können, ohne diesen V-Mann-Führer als Zeugen zu vernehmen. Er hatte 2016 den Kontakt zu einer Quelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz in der Fussilet-Moschee gehalten.
Abgeordnete befragen Amris Mitbewohner
Die Bundesregierung habe den Abgeordneten bisher nur wenige Sätze aus knappen Berichten von den Treffen zwischen dem Beamten und seinem Informanten geliefert, sagte die Linken-Obfrau Martina Renner. Der Ausschuss sei der Regierung schon entgegengekommen, indem er auf eine Vernehmung des Informanten aus der radikalen Islamisten-Szene verzichtet habe.
Laut FDP-Obmann Benjamin Strasser begründete die Bundesregierung ihre Verweigerungshaltung damit, "dass eine Vernehmung Leib und Leben dieser Person gefährden würde". Dies sei "rechtlich fadenscheinig", da er zum Beispiel hinter einer Schattenwand vernommen werden könne. Die Grünen-Obfrau Irene Mihalic sagte, im Umfeld von Amri seien laut Medienberichten etwa acht Quellen von unterschiedlichen Sicherheitsbehörden im Einsatz gewesen.
Die Abgeordneten befragten nun in einer nicht-öffentlicher Sitzung einen Marokkaner, der demnächst abgeschoben werden soll. Er hatte in Dortmund zeitweise mit Amri zusammengewohnt und sitzt momentan wegen gefährlicher Körperverletzung im Gefängnis. Ein Algerier, der die Wohnung damals angemietet hatte, war bereits im Sommer 2017 abgeschoben worden.
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses ärgert auch, dass Bilal B. A., ein Freund Amris, der noch kurz vor dem Anschlag mit ihm Kontakt hatte, im Februar 2017 nach Tunesien abgeschoben wurde - bevor ihn die Abgeordneten vernehmen konnten.
Quelle: ntv.de, ftü/dpa