Kämpfe um wichtige Stadt Dessie Äthiopiens Armee weicht vor Rebellen zurück
31.10.2021, 19:46 Uhr
Einheiten der Volksbefreiungsfront von Tigray scheinen in Äthiopien weiter Fuß zu fassen.
(Foto: AP)
In Äthiopien befinden sich die Rebellen aus der Region Tigray auf dem Vormarsch. Nun melden die Aufständischen die Einnahme der strategisch bedeutsamen Stadt Dessie. Die Zentralregierung dementiert und spricht lediglich von einem taktischen Rückzug ihrer Truppen.
Äthiopiens Regierungstruppen haben sich nach offiziellen Angaben zu einem taktischen Rückzug aus Teilen der umkämpften Stadt Dessie entschlossen, um zivile Opfer zu vermeiden. Die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) hatte am Vortag erklärt, sie habe die in der Amhara-Region gelegene Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Die Zentralregierung bestritt das.
Regierungssprecher Legesse Tulu gab am bekannt, dass es weiter heftige Gefechte in und um Dessie und auch der Nachbarstadt Kombolcha gebe. Unabhängige Angaben gab es angesichts der weitgehend blockierten Telefon- und Internetverbindungen zunächst nicht. Die beiden Städte sind strategisch wichtig. Sie liegen an einer Hauptverkehrsader, die in die rund 400 Kilometer südlich gelegene Hauptstadt Addis Abeba führt.
Nach Bekanntgabe des Zurückweichens der Regierungstruppen rief die betroffene Amhara-Region de facto den Notstand aus. Mit wenigen Ausnahmen müssen ab sofort alle Regierungseinrichtungen die Kriegsanstrengungen unterstützen, wie es am Abend in einem "Dringenden Handlungsaufruf" hieß. Alle Fahrzeuge werden für das Militär requiriert; die Sicherheitskräfte dürfen ausdrücklich gegen jeden vorgehen, der die Kriegsanstrengungen behindert. Zudem sind alle Aktivitäten in den Kommunen nach 20.00 Uhr verboten, wie der Staatsrat der Amhara-Region verkündete.
Washington fordert sofortige Waffenruhe
Die US-Regierung hatte bereits am Samstag auf erste Berichte über einen Fall von Dessie mit einem Aufruf an beide Seiten reagiert, unverzüglich Verhandlungen über eine Wafffenruhe ohne Vorbedingungen aufzunehmen. Zudem solle sich die TPLF aus den an Tigray grenzenden Regionen Afar und Amhara zurückziehen und Artilleriebeschuss von Städten vermeiden. Es gebe keine militärische Lösung für den Konflikt, so US-Außenamtssprecher Ned Price am Samstag.
Der militärische Konflikt begann vor rund einem Jahr, als Ministerpräsident Abiy Ahmed anfing, die in der Tigray-Region an der Macht befindliche TPLF zu verdrängen. Sie dominierte Äthiopien gut 25 Jahre lang, bis Abiy 2018 an die Macht kam. Viele Menschen in Tigray fühlen sich von der Zentralregierung nicht vertreten und fordern mehr Autonomie.
Seit Anfang August weitete sich der Konflikt auf die Nachbarregionen Afar und Amhara aus. Die Auseinandersetzungen haben zu einer schweren humanitären Krise im Norden des Landes geführt. In den sozialen Medien mehren sich zudem Aufrufe, die einen Ausschluss von Tigrayern aus Äthiopiens öffentlichem Leben fordern. Tulu rief heute in seiner Erklärung die Öffentlichkeit dazu auf, nicht näher benannte "Verräter" aufzuspüren und zu isolieren.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa