Politik

Interview mit Theo Waigel "Aufnahme Griechenlands war ein Fehler"

Theo Waigel war von 1989 bis 1998 Bundesminister der Finanzen und von 1988 bis 1999 CSU-Vorsitzender.

Theo Waigel war von 1989 bis 1998 Bundesminister der Finanzen und von 1988 bis 1999 CSU-Vorsitzender.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sollten sich die Griechen im Referendum am Sonntag gegen die Auflagen der internationalen Geldgeber entscheiden, droht dem Land der Bankrott. Selbst schuld, sagt Theo Waigel. Der Ex-Bundesfinanzminister war maßgeblich für den Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft nach der Wiedervereinigung verantwortlich. Im Interview mit n-tv.de zieht er Parallelen zu Griechenland.

n-tv.de: Die neuen Bundesländer haben von der Einführung der D-Mark vor 25 Jahren profitiert. Griechenland ist seit 2001 Mitglied der Eurozone, steht jetzt aber möglicherweise vor der Staatspleite. Warum hat die Währungsunion in Deutschland funktioniert und in Griechenland nicht?

Theo Waigel: Die deutsche Wiedervereinigung und die Währungsunion war eine Frage der nationalen Solidarität. Die Bundesregierung hat immer gesagt: Wenn in der DDR Demokratie, Freiheit und Grundrechte entstehen, dann sind wir zur Hilfe bereit. Deshalb haben wir die neuen Bundesländer auch finanziell massiv unterstützt. Außerdem konnten wir uns aufeinander verlassen. Alle - auch in der DDR - haben sich damals an die Vereinbarungen und Verträge gehalten. In Griechenland ist das in den letzten Wochen und Monaten leider nicht der Fall gewesen. Außerdem hätte Griechenland niemals in die Währungsunion aufgenommen werden dürfen, weil die ökonomischen Grundbedingungen einfach nicht vorhanden waren.

Im Gegensatz zum Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft drücken die Geldgeber bei Griechenland vor allem auf die Sparbremse. Sollten nicht lieber Investitionen gefördert werden, damit das Land wieder auf die Beine kommt?

Griechenland hat dafür doch gewaltige Unterstützung erhalten. Die Europäische Union hat in den letzten 30 Jahren 150 Milliarden Euro für Investitionen und den Ausbau der Infrastruktur an Griechenland gezahlt. Und auch bei den Hilfspaketen sind etwa 20 Prozent für Investitionen vorgesehen, der Rest ist für die Rückzahlung der Schulden gedacht. Die niedrigen Zinsen, zu denen sich Griechenland Geld leihen konnte, verdankte es den Garantien des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und der Eurozone. Bis vor wenigen Monaten war das Land auch auf einem guten Weg. Athen hatte einen Primärüberschuss erwirtschaftet und man ging von einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent aus. Aber das ist wegen des Durcheinanders in der neuen Regierung jetzt Geschichte.

Was halten Sie von der Idee mancher Ökonomen, dass Griechenland eine Zweitwährung einführen oder kurzfristig auf die Drachme umsteigt könnte, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern? Wenn das funktioniert, könnte das Land anschließend wieder den Euro einführen.

Griechenland muss sich verändern, entweder innerhalb der Währungsunion oder eben außerhalb. Wenn das Land Teil des Euroraums bleiben will, dann muss es auch die Bedingungen akzeptieren, die der Internationale Währungsfonds, die Europäischen Kommission und die Europäische Zentralbank stellen. Die Geldgeber haben für einen Verbleib Griechenlands im Euro bereits viel Kompromissbereitschaft bewiesen. Wenn Griechenland aber aus der Eurozone ausscheiden sollte, wird das ein ganz schwerer Weg mit einer riesigen Belastung für die griechische Bevölkerung. Es würde zu einem Vertrauensverlust kommen. Und wer soll diesem Land dann noch Geld leihen?

Glauben Sie, dass Griechenland in der Eurozone bleibt?

Das hängt vom Land selbst ab, aber es hat in letzter Zeit wenig Bereitschaft gezeigt, den richtigen und notwendigen Weg zu gehen. Wenn man Ideologie an die Stelle von Wirklichkeit setzt, dann kommt nichts Gutes dabei heraus.

Mit Theo Waigel sprach Benjamin Geese

Quelle: ntv.de

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