Blutiger Konflikt in Kirgisistan Ausgangssperre aufgehoben
26.06.2010, 16:39 UhrKurz vor der Volksabstimmung in Kirgisistan wächst die Nervosität. Die USA hoffen auf einen "gerechten und transparenten" Volksentscheid. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wanrt vor einer neuen Welle der Gewalt.

Kirgisische Polizisten schaufeln Gräber auf dem Friedhof in Osh.
(Foto: dpa)
Einen Tag vor dem Verfassungsreferendum in Kirgisistan hat die Regierung die Ausgangssperre im unruhigen Süden des Landes aufgehoben. "Die Einwohner von Osch haben die Führung gebeten, die Ausgangssperre zu verlängern", sagte der stellvertretende Innenminister Baktibek Alimbekow im Fernsehen. Es sei jedoch entschieden worden, dies erst nach dem Referendum zu erörtern. Vor gut zwei Wochen waren im Süden der einstigen Sowjetrepublik die Auseinandersetzungen zwischen Kirgisistan und der usbekischen Minderheit eskaliert, bei denen nach offiziellen Angaben mehr als 260 Menschen ums Leben kamen, die kirgisische Übergangsregierung schätzt die jedoch zehnmal höher ein.
Der Verfassungsentwurf der seit dem Sturz des autoritären Staatschefs Kurmanbek Bakijew amtierenden Übergangsregierung sieht eine Beschneidung der Machtbefugnisse des Präsidenten vor und würde das Land zur ersten parlamentarischen Republik in Zentralasien machen. Wahlen könnten dann im September stattfinden. Nach Auffassung der Interimsregierung unter Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa ist die neue Verfassung für die Stabilität des Landes unverzichtbar. Beobachtern zufolge könnte die Abstimmung allerdings auch wieder neue Gewalt auslösen.
"Wir hoffen auf einen gerechten und transparenten Volksentscheid, der ein erfolgreicher Schritt auf dem Weg hin zu einer demokratischen Führung in Kirgistan sein kann", sagte US-Außenamtssprecher Philip Crowley. Die Stimmabgabe müsse in einer "Atmosphäre des gegenseitigen Respekts" erfolgen.
Menschenrechtler besorgt
Kritik kam von Human Rights Watch. Das Festhalten an dem Referendum sowie die geplante Rückführung von zehntausenden Flüchtlingen und Vertriebenen in "fast unbewohnbare Gegenden", mache die Situation "nur noch unberechenbarer" und könne zu neuer Gewalt führen. Die Übergangsregierung habe nicht erklärt, wie Flüchtlinge und Menschen, die während der Unruhen ihre Ausweispapiere verloren hätten, wählen könnten. Es deute außerdem einiges darauf hin, dass die Gewalt, vor allem die Angriffe auf usbekische Gegenden, "geplant und, zumindest in einigen Fällen, gut organisiert" gewesen seien, erklärte Human Rights Watch.
Usbeken hätten den Regierungstruppen vorgeworfen, sich an den Angriffen gegen ihre Minderheit beteiligt zu haben, und auf den Einsatz gepanzerter Armeefahrzeuge verwiesen. Die Armee erklärte laut HRW, der Mob habe Waffen und Fahrzeuge aus Kasernen gestohlen. Die Frage, ob die kirgisischen Streitkräfte direkt an den beteiligt waren, müsse ein zentraler Punkt einer Untersuchung sein, forderte HRW.
Quelle: ntv.de, AFP