Erdogan will mehr Macht Auslandstürken begeben sich an Wahlurnen
07.06.2018, 11:10 Uhr
Erdogans AKP verfügt über viel Rückhalt in Deutschland. Aber auch die prokurdische HDP schneidet immer besser ab.
(Foto: picture alliance/dpa)
Seit heute können alle in Deutschland wahlberechtigten Türken für die Parlaments- und Präsidentenwahlen abstimmen. Für Präsident Erdogan ist die Wahl von großer Bedeutung - vor allem die Stimmen aus dem Ausland könnten entscheidend sein.
In Deutschland haben die Parlaments- und Präsidentenwahlen für im Ausland lebende Türken begonnen. Am Vormittag öffneten die Wahllokale, erste Stimmberechtigte gaben ihre Stimme ab. Bis zum 19. Juni sind gut 1,4 Millionen Bürger mit türkischem Pass aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Dazu stehen ihnen bundesweit mehr als ein Dutzend Standorte zur Verfügung. Gut ein Drittel der Wähler wohnt in Nordrhein-Westfalen.
Auch in Frankreich und Österreich gibt es bereits die Möglichkeit zur Stimmabgabe. In Dänemark und Luxemburg öffnen die Wahllokale am Samstag, während in Belgien, der Schweiz und den Niederlanden erst vom 15. Juni an gewählt werden kann. Die Wahl endet am 19. Juni. In der Türkei selber wird erst am 24. Juni gewählt.
Die Wahlen sind von außerordentlicher Bedeutung: Mit ihnen soll die von Präsident Recep Tayyip Erdogan betriebene Einführung des Präsidialsystems abgeschlossen werden, das den Staatspräsidenten mit deutlich mehr Macht ausstattet. Bei einem knappen Ergebnis könnten die Stimmen der insgesamt gut drei Millionen wahlberechtigten Auslandstürken entscheidend sein - sie machen mehr als fünf Prozent aller türkischen Wähler aus.
Erdogan hatte am 18. April überraschend vorgezogene Neuwahlen für den 24. Juni angekündigt. Eigentlicher Wahltermin wäre erst im November 2019 gewesen. Zu der Parlamentswahl treten nun acht Parteien an. Für die Präsidentenwahl sind Erdogan und fünf weitere Kandidaten registriert. Erhält kein Kandidat in der ersten Runde eine absolute Mehrheit, findet zwei Wochen später am 8. Juli eine Stichwahl statt. Im Ausland kann vom 30. Juni bis 4. Juli gewählt werden.
Erdogan könnte absolute Mehrheit verfehlen
In der Türkei deuten Umfragen darauf hin, dass Erdogan die absolute Mehrheit verfehlen könnte - der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte dagegen, er rechne mit einem Sieg Erdogans in der ersten Wahlrunde und nicht mit einer Stichwahl. Er erwarte auch eine absolute Mehrheit seiner islamisch-konservativen AKP bei der Parlamentswahl. Sollte Erdogan die Wahl wider Erwarten verlieren, werde er das akzeptieren.
Die AKP verfügt in Deutschland traditionell über einen starken Rückhalt. Doch auch die prokurdische HDP schneidet regelmäßig besser ab als in der Türkei. Die säkulare CHP erhält dagegen eher weniger Stimmen als zu Hause.
Bei dem Volksentscheid im April 2017 stimmten 63 Prozent der Wähler in Deutschland für die umstrittene Verfassungsreform Erdogans, in der Türkei waren es nur 51,4 Prozent. Allerdings lag die Wahlbeteiligung in Deutschland nur bei 46 Prozent - die meisten Türken stimmten also gar nicht ab.
Nachdem es vor dem Referendum heftigen Streit über die Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland und anderen EU-Ländern gegeben hatte, verbaten sich Deutschland, die Niederlande und Österreich die Auftritte türkischer Politiker nun grundsätzlich. Erdogan trat am 20. Mai vor Tausenden Auslandstürken in Sarajevo auf, verzichtete sonst aber auf Wahlkampfauftritte in Europa.
Quelle: ntv.de, lri/dpa/AFP