Politik

Umstrittener Deal Belgien und Iran tauschen Gefangene aus

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Olivier Vandecasteele ist wieder frei. Im Februar 2022 war er wegen Spionagevorwürfen im Iran festgenommen worden.

(Foto: via REUTERS)

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Ein belgischer Entwicklungshelfer, der im Iran wegen Spionage verurteilt wurde, ist frei. Genauso ein iranischer Diplomat, der wegen eines vereitelten Anschlags auf iranische Exil-Oppositionelle in Belgien in Haft war. Kritiker glauben, dass von dem Austausch ein gefährliches Signal ausgeht.

Im Austausch gegen einen iranischen Diplomaten hat Belgien die Freilassung eines im Iran wegen "Spionage" inhaftierten Belgiers erwirkt. Nach 455 Tagen in Haft sei der humanitäre Helfer Olivier Vandecasteele "endlich frei", sagte der belgische Regierungschef Alexander De Croo. Der 42-jährige wird im Laufe des Abends zurück in Belgien erwartet. De Croo twitterte ein Bild von Vandecasteele im Flugzeug und schrieb: "Endlich frei. Endlich bei uns." Im Gegenzug wurde der wegen Terrorvorwürfen verurteilte iranische Diplomat Assadollah Assadi freigelassen, wie Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian verkündete. Er traf in Teheran ein, das Staatsfernsehen sendete eine Live-Schalte mit ihm.

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Das iranische Staatsfernsehen zeigt Assadollah Assadi bei seiner Ankunft am Flughafen Teheran-Mehrabad.

(Foto: AP)

Der Oman hatte bei dem Gefangenenaustausch vermittelt. Am Sonntag wird dessen Sultan Haitham bin Tarik in Teheran erwartet. Die belgische Regierung sprach ausdrücklich nicht von einem Gefangenenaustausch im Zuge eines umstrittenen Abkommens mit dem Iran, sondern bezog sich auf einen Sonder-Artikel der Verfassung. Kommentatoren bezeichneten den Vorgang aber dennoch als einen Gefangenenaustausch. Brüssel und Teheran hatten im vergangenen Jahr ein Abkommen unterzeichnet, das den Austausch von Gefangenen ermöglicht. Kritiker befürchteten, das Abkommen könnte den Iran ermutigen, Belgier als Geiseln zu nehmen, um diese als Druckmittel zu benutzen.

Plante Assadi Anschlag im Auftrag von Teheran?

Der 2018 in Deutschland festgenommene Assadi wurde 2021 von einem Gericht in Antwerpen zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er einen Sprengstoffanschlag auf eine Großkundgebung von iranischen Exil-Oppositionellen in Frankreich geplant haben soll. Bis zuletzt beteuerte der Iran, dass Assadi unschuldig sei. Der Entwicklungshelfer Vandecasteele wurde nach Angaben der iranischen Justiz zu insgesamt 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt. Ihm wurden insbesondere Spionage und Kooperation mit dem Erzfeind USA sowie Geldschmuggel vorgeworfen. Vandecasteeles Haftbedingungen seien "unerträglich" gewesen, betonte De Croo. Nach Angaben der Familie hatte sich die Gesundheit Vandecasteeles zuletzt deutlich verschlechtert.

Besonders brisant ist der Fall, weil der 51 Jahre alte Assadi den Ermittlungen zufolge Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes ist, zu dessen Aufgaben die Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen innerhalb und außerhalb des Irans gehört. Es gilt deswegen als möglich, dass den Anschlagsplänen in Frankreich ein direkter staatlicher Auftrag zugrunde lag. Diese These vertritt auch die im Iran verbotene Oppositionsgruppe NWRI. Der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) hatte die Großkundgebung am 30. Juni 2018 in Villepinte bei Paris organisiert. An ihr nahmen auch zahlreiche westliche Unterstützer teil, unter ihnen der Anwalt des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, Rudy Giuliani. Die Gruppe ist in der iranischen Diaspora umstritten. Einige Stimmen forderten, den Deal zu verhindern.

NGO nennt Austausch beschämend

Mahmood Amiry-Moghaddam von der Nichtregierungsorganisation "Iran Human Rights" sprach von einem "beschämenden Kapitel in der Geschichte der belgischen Außenpolitik". "Es gefährdet alle westlichen Bürger und Doppelstaatsbürger, die in die Nachbarschaft des Irans reisen, und sendet das falsche Signal an die Islamische Republik: Egal welche Verbrechen ihr begeht, wir sind bereit, einen Deal mit euch zu machen!", twitterte er.

Die iranische Regierung hatte bereits gegen die Festnahme von Assadi in Deutschland heftig protestiert, weil der Mann zum Tatzeitpunkt an der iranischen Botschaft in Wien als Diplomat akkreditiert war. Am 1. Juli 2018 wurde er an einer Autobahnraststätte bei Aschaffenburg in Bayern verhaftet und dann von Deutschland an Belgien übergeben. Die deutsche Justiz argumentierte, dass der Mann bei seiner Festnahme nicht unter diplomatischem Schutz gestanden habe, weil er sich außerhalb Österreichs auf einer Urlaubsreise befand. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen Assadi einen Haftbefehl unter anderem wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verabredung zum Mord erwirkt.

Kritiker werfen dem Iran vor, Ausländer zu inhaftieren, um eine Verhandlungsmasse zu haben. Derzeit liegen nach Worten der iranischen Regierung auch wieder Gespräche über einen Gefangenentausch mit den USA auf dem Tisch. 2016 kam der "Washington Post"-Journalist Jason Rezaian neben drei weiteren US-Bürgern frei. Im Gegenzug begnadigten die USA sieben Iraner, denen Verstöße gegen US-Sanktionen vorgeworfen wurden.

Derzeit sind im Iran mindestens 16 westliche Staatsbürger inhaftiert, die zumeist auch einen iranischen Pass haben. Unter ihnen ist auch der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd. Ende April bestätigte die iranische Justiz das Todesurteil gegen den 68-jährigen Sharmahd, für dessen Freilassung sich die Bundesregierung einsetzt.

Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa

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