Reaktion auf Protest-Verbot Berlin erhält über 1000 Demo-Anmeldungen
27.08.2020, 20:05 Uhr
Bei der Demo am 1. August in Berlin trugen Demonstranten nur sehr vereinzelt einen Mund-Nasen-Schutz und hielten keinen Abstand zueinander.
(Foto: imago images/Müller-Stauffenberg)
Mit nur wenigen Klicks im Netz lässt sich so einiges regeln, zum Beispiel kann man eine Demo in Berlin anmelden. Das bekommt die Hauptstadtpolizei gerade mächtig zu spüren: Als Reaktion auf das Verbot einer Großdemo gegen die Corona-Politik sind schon mehr als 1000 Anmeldungen eingegangen.
Schlägt man der Hydra einen Kopf ab, so wachsen ihr laut griechischer Sage zwei nach - im Fall der verbotenen Demo gegen die Corona-Politik in Berlin sind es nicht zwei, sondern wohl mehr als 1000 Demos. Die Hauptstadtpolizei wird überschwemmt mit Anmeldungen. Berlins Innensenator gerät jedoch nicht nur bei Anhängern der Initiative "Querdenken 711" in die Kritik für seine Aussage, dass die Stadt nicht "als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten" missbraucht wird. So kritisiert auch Kabarettist Florian Schroeder die Begründung - Unterstützung, auf die die Demo-Anmelder nach ihrer ersten Begegnung mit dem Kabarettisten wahrscheinlich lieber verzichten.
Die Berliner Polizei erwartet, dass die Zahl der Demo-Anmeldungen weiter steigen wird, da entsprechende Aufrufe im Internet kursieren, wie eine Sprecherin sagte. Unklar ist, ob die Versammlungen wirklich stattfinden werden. Per se verboten werden könnten sie nicht, erläuterte die Polizeisprecherin. Eine Demonstration lässt sich einfach und schnell über ein Formular auf der Internetseite der Polizei anmelden.
Zur größten Kundgebung am Wochenende hatte die Initiative "Querdenken 711" aus Stuttgart für Samstagnachmittag 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet. Am Mittwoch verbot dann die Polizei mehrere Demonstrationen und Kundgebungen von verschiedenen Querdenken-Initiativen. Zur Begründung hieß es von SPD-Innensenator Andreas Geisel, die letzte ähnliche Demonstration am 1. August habe gezeigt, dass Demonstranten "sich bewusst über bestehende Hygieneregeln und entsprechende Auflagen" hinweggesetzt hätten.
Kanzlerin zeigt Verständnis für Verbot
Für diese Entscheidung zeigt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Verständnis. "Dass Berlin natürlich auch sehr viel Wert darauf legt, dass auch Demonstrationen Hygienevorschriften unterliegen, ist klar. Also: Respekt dafür", sagte die CDU-Politikerin in Berlin nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller verteidigt das Vorgehen. Wenn schon von vornherein angekündigt werde, Corona-Regeln nicht zu achten, dann sei das von vornherein eine Gefährdung vieler Menschen, sagte Müller. Das gelte nicht nur für die Teilnehmer selbst. "Die Demonstranten gehen zurück, sie fahren mit dem ÖPNV nach Hause, sie gehen an den Arbeitsplatz, sie gehen in die Familie. Und überall bei diesen Kontakten gefährden sie wieder andere", sagte der SPD-Politiker. "Und sie senden ein Signal aus, dass nicht wichtig ist, was im Zusammenhang mit der Pandemie beschlossen wird. Das können wir so nicht akzeptieren."
Innensenator Geisel hatte zu den Gründen für das Demo-Verbot jedoch auch gesagt: "Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird." Auf diese Aussage gingen weder Müller noch die Kanzlerin näher ein. "Ich respektiere die Berliner Entscheidung", sagte Merkel. "Und wir haben ja auch gerichtliche Überprüfungswege in Deutschland, wir sind ja ein Rechtsstaat. Man wird sehen, wie sich das dann entwickelt."
Erwartungsgemäß weniger diplomatisch äußerte sich Kabarettist Florian Schroeder zu der politischen Begründung für ein Demo-Verbot. "Dass Innensenator Geisel sagt, Berlin sei keine Bühne für Corona-Leugner und Rechtsextremisten, ist natürlich ein fatales Verfassungsverständnis", sagte Schroeder. "Natürlich ist eine Stadt auch eine Bühne für Stücke, die einem nicht gefallen." Ein Verbot auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes finde er dagegen gerechtfertigt.
Gericht entscheidet voraussichtlich am Freitag
Ob die ursprünglich für Samstag angemeldete Demo in Berlin stattfindet, entscheidet das Verwaltungsgericht voraussichtlich am Freitag. Die Veranstalter aus Stuttgart legten Widerspruch gegen die Verbotsverfügung der Berliner Polizei ein. Ein entsprechender Eilantrag sei am Donnerstag per Fax eingegangen, bestätigte ein Gerichtssprecher.
Sicher ist wohl nur: Schroeder lassen die Veranstalter wahrscheinlich nicht nochmal sprechen. Der Kabarettist hatte bei einer Kundgebung gegen die Corona-Politik in Stuttgart bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt, weil er sich auf der Bühne für Meinungsfreiheit stark gemacht und gegen die Teilnehmer gestellt hatte. Das entsprechende Video auf YouTube wurde über 800.000 Mal aufgerufen. Die Organisatoren hatten Schroeder eingeladen, da sie offenbar ein Satire-Video vom NDR mit ihm für bare Münze genommen hatten. Darin mimt der Satiriker einen Verschwörungstheoretiker, der darin aufdeckt, dass Virologe Christian Drosten gar kein Wissenschaftler sei.
Quelle: ntv.de, joh/dpa