"Fürchtet Euch nicht!" Brüderle feuert FDP an
05.01.2012, 18:03 Uhr
Das Dreikönigstreffen der Liberalen findet im Stuttgarter Opernhaus statt.
(Foto: dpa)
"Es kann nur besser werden!" Der alte FDP-Kämpfer Brüderle reißt die Liberalen zum Auftakt von Dreikönig mit und lässt den schwächelnden Parteichef Rösler links liegen. Die Messlatte für den Auftritt des Vizekanzlers liegt nun hoch.
Um 13.34 Uhr kommt Leben in die Stuttgarter Liederhalle. Rainer Brüderle ist da und zieht gleich einen Pulk aus Kamerateams und Journalisten an. "Auf geht's Rainer!", ruft ein Delegierter dem 66-Jährigen zu. Und der FDP-Fraktionschef im Bundestag lässt sich nicht lumpen.
Was nur als Grußwort auf dem Programm steht, wird bei Brüderle zu einer 20-minütigen, leidenschaftlichen Demonstration, dass die von vielen totgesagten Liberalen sich längst nicht aufgegeben haben. Der an der Basis als heimlicher Parteichef gehandelte Brüderle schaltet in seinen bekannten "Brüll-Modus" um: "Die FDP kann nur einer besiegen: Das sind wir selbst."
Wie das geht, machen die Liberalen aber fast im Wochentakt vor. Der verpatzte Neustart der jungen Parteispitze um Philipp Rösler mit der missglückten Ablösung von Außenminister Guido Westerwelle. Dann der Streit um den Euro-Mitgliederentscheid, der im Rücktritt von Generalsekretär Christian Lindner gipfelte. Und direkt vor Dreikönig der Fehltritt von Lindner-Nachfolger Patrick Döring, der im "Stern" peinliche Interna ausplauderte und schon jetzt von führenden Liberalen als "Sicherheitsrisiko" eingestuft wird.
Brüderle erwähnt Röslers Namen nicht
Brüderle ficht das alles nicht an. "Fürchtet Euch nicht! Lasst Euch nicht irritieren! Wir sind auf dem richtigen Weg!", hämmert er den Delegierten mit sich überschlagender Stimme ein. Die Partei dürfe nicht schwanken wie die Schilfrohre - spielt der gewiefte Stratege aus der Pfalz hier vielleicht doch auf Rösler an? Der Vizekanzler mit vietnamesischen Wurzeln sagte einmal, er sei wie ein Bambus, der im Wind wiegt, aber nicht bricht.
Der Name Rösler kommt Brüderle nicht über die Lippen - kein Wunder, denn jede Aussage wäre wohl seziert worden, ob sie Rückhalt oder Angriff bedeutet. Ohnehin war in Röslers Umfeld der Auftritt Brüderles dem Vernehmen nach gefürchtet worden. Nach den Beifallsstürmen in der Liederhalle dürfte es für Rösler - der eher ein Mann der leisen Töne ist - noch schwerer werden, am Freitag im Stuttgarter Staatstheater die geforderte große Ruck-Rede abzuliefern.
Rösler ist gefordert
Etwa 50 Minuten will Rösler sprechen. Dabei geht es gleich um zwei Existenzen: um die FDP als Ganzes und den Chef selbst. Der 38-Jährige ist plötzlich in einer ähnlichen Lage wie Guido Westerwelle vor einem Jahr. Dem nützte eine starke Dreikönigsrede auch nichts mehr. Er verlor den Vorsitz an Rösler. Seit Weihnachten hat sich der Wirtschaftsminister zurückgezogen und feilt an der Rede.
Der mächtige NRW-Landeschef Daniel Bahr platzierte am Donnerstag die Botschaft, Rösler müsse das Profil der FDP als Fortschrittspartei schärfen. Und wenn nicht? In einflussreichen Parteikreisen wird ein Sturz des Chefs noch vor der Schleswig-Holstein-Wahl im Mai als unwahrscheinlich eingeschätzt. Bei einer Schlappe schlägt womöglich doch die Stunde des alten Recken Brüderle. In Stuttgart hat er die etwa 400 Delegierten daran erinnert: "Ich habe nie aufgehört zu kämpfen."
Quelle: ntv.de, Tim Braune und Henning Otte, dpa