Politik

Rebellen fehlt es an allem Bürger kämpfen gegen Gaddafi

Es sind Kämpfer mit einfachster Ausrüstung.

Es sind Kämpfer mit einfachster Ausrüstung.

(Foto: REUTERS)

Sie wollen Muammar al-Gaddafi von der Macht vertreiben, den Mann, der Libyen seit über 40 Jahren mit harter Hand regiert. Doch die Aufständischen kämpfen mit einfachsten Waffen und ohne Führung. Und außer dem Willen zur Freiheit eint sie wenig.

Noch tobt der Bürgerkrieg in Libyen, da träumt manch einer schon von einem demokratischen Libyen, das entstehen soll, wenn die Rebellen mit internationaler Hilfe Muammar al-Gaddafi gestürzt haben. Damit setzt die internationale Gemeinschaft ihre Hoffnungen auf ein Häufchen militärisch unerfahrener Freiwilliger, ohne Strategie und Taktik und ohne auch nur einigermaßen angemessene militärische Ausstattung.

Viele sind voller Idealismus und finden sich in blutigen Kämpfen wieder.

Viele sind voller Idealismus und finden sich in blutigen Kämpfen wieder.

(Foto: REUTERS)

Selbst US-Außenministerin Hillary Clinton musste auf der  einräumen, auch sie wisse kaum etwas über die libysche Opposition. Einige Mitglieder des Nationalen Übergangsrates sind nicht einmal namentlich bekannt, weil sie befürchten, dass sich der Gaddafi-Clan sonst an ihren Angehörigen rächen könnte. Clintons Einlassung unterstellt zudem, dass es eine Opposition im Land gibt, bei der man ein Mindestmaß an Organisation vermuten könnte.

Nichts könnte weniger der Realität entsprechen, wie Nahostexperte Udo Steinbach gegenüber n-tv.de betont. Die Menschen, die derzeit gegen Gaddafis Armee kämpften, seien "Leute, die ihre Arbeit haben liegen lassen, das sind Studenten, das sind Angehörige von Großfamilien und Stämmen. Es ist die normale Bevölkerung, die eine Chance sieht, das verhasste Regime, das sie über vierzig Jahre abgelehnt hat, jetzt loszuwerden."

Studenten, Arbeiter, Intellektuelle

Ähnlich beschreibt es auch Jon Lee Anderson vom "New Yorker", der sich während der Kämpfe in Bengasi aufhielt. Er habe junge Leute getroffen, die eigentlich Informatik, Ingenieurwesen oder Medizin studierten, arbeitslose coole Typen und Männer in ihren besten Jahren, unter ihnen Mechaniker, Arbeiter ausländischer Ölgesellschaften und Ladenbesitzer. Er berichtet von wenigen früheren Soldaten und einigen Exil-Libyern, die aus der Fremde zurückgekehrt sind, um den Umbruch in der Heimat voranzutreiben. Hinzu kommen frühere Gaddafi-Getreue, die sich aus Opportunismus dem Widerstand angeschlossen haben, oder weil sie nach Jahren der Regimetreue dann doch plötzlich vom Geist der Rebellion angesteckt wurden. Viele von ihnen hätten nach den Erfahrungen in Ägypten oder Tunesien entsetzt festgestellt, dass Gaddafi seine Armee in blutigem Ernst gegen das eigene Volk einsetzt.

Auf diese Art des Kampfes waren sie nicht gefasst.

Auf diese Art des Kampfes waren sie nicht gefasst.

(Foto: REUTERS)

Die Aufständischen eint lediglich ihre "Ablehnung gegenüber dem Regime, aber sie sind in keiner Weise geleitet durch ein politisches Programm, durch eine Ideologie oder den Islam oder was auch immer", sagt Steinbach. Dieser kleinste gemeinsame Nenner würde womöglich ausreichen, um Gaddafi zu stürzen, zumal in den Stämmen auch der Wunsch nach Rache wächst. Gaddafis Soldaten haben bei ihrem Verteidigungskampf für das Regime auch Stammesangehörige verletzt und getötet. Das löst archaische Rituale aus, die westlich geprägten Menschen fremd erscheinen.

Keine Waffen, keine Führung, kein Plan

Doch es fehlt den Rebellen auch an militärischer Ausrüstung. Sie stehen in normaler Zivilkleidung und Lederjacke im Bürgerkrieg gegen die militärisch bestens aufgestellte Armee von Gaddafi. Die Bewaffnung ist selten mehr als eine Pistole. Manchmal ist es auch ein auf einen Pick-up geschraubtes Maschinengewehr. Hinzu kommen ein "paar Mörser, Panzerfäuste und Luftabwehrgeschütze, die nun in Zeiten der Flugverbotszone unnütz geworden sind."

Sie leisten den Gaddafi-Truppen fast ohne Waffen Widerstand.

Sie leisten den Gaddafi-Truppen fast ohne Waffen Widerstand.

(Foto: REUTERS)

Wenn es ihnen gelingt, einen der Panzer zu erbeuten, können sie mit dem schweren Gerät kaum umgehen. Hier kämpfen Zivilisten, die unorganisiert in Gefechte hineinstürmen. Ihnen gegenüber stehen regime-loyale Kommandeure, die die Grundregeln des Kriegshandwerks verstehen. Sie befehligen Soldaten, die viel zu verlieren haben, die besser ausgerüstet und sehr viel disziplinierter sind, als die Amateur-Revolutionäre.

Augenzeugen berichten von hitzigen Debatten unter den Rebellen, bevor sie sich auf ein einigermaßen koordiniertes Vorgehen verständigen können. Jede Art von Absprache wird durch das Fehlen von Kommunikationsmöglichkeiten erschwert, es gibt nur ein sehr eingeschränktes Handynetz, über Funkgeräte verfügen die Aufständischen nicht, gleiches gilt für Ferngläser. .

Westliche Allianz hat keine Wahl

Oft bleibt dem Rebellen nur die Flucht.

Oft bleibt dem Rebellen nur die Flucht.

(Foto: REUTERS)

Steinbach vermutet, dass hier der einsetzen wird. " Man wird denen Waffen liefern, man wird ihnen wahrscheinlich auch Söldner anbieten, die diese Waffen bedienen können. Der CIA soll bereits vor Ort sein. Und man wird ihnen auch ein Minimum an Führung verpassen müssen, damit sie den Weg nach Tripolis finden." Das alles wäre von der UN-Resolution 1973 längst nicht mehr gedeckt, die lediglich dem Schutz der Zivilbevölkerung dient.

Doch der internationalen Allianz unter Führung der NATO bleibt kaum eine Wahl. Zum einen droht sie moralisch, das Gesicht zu verlieren, wenn sie sich nun in dem Konflikt zurückhält. Zum anderen bleibt die Angst davor, dass sich islamistische Kräfte die Rebellion aneignen könnten, wenn die Aufständischen vom Westen enttäuscht werden. Anderson entdeckte nur wenige Bärtige, die an den Frontlinien in Libyen beten. Der Grund dafür liegt für Steinbach auf der Hand. "Es ist eben nicht so ganz leicht, sich unter die Aufständischen zu mischen, denn da kennt man einander. Da kann nicht einfach einer aus Afghanistan, Marokko oder Algerien kommen, um da mitzumischen."

Was für ein Land will Libyen werden

Wie viele den ungleichen Kampf schon mit dem leben bezahlt haben, ist völlig unklar.

Wie viele den ungleichen Kampf schon mit dem leben bezahlt haben, ist völlig unklar.

(Foto: REUTERS)

Aber Al-Kaida müsse geschockt sein von der aktuellen Entwicklung in Libyen. Plötzlich gebe es eine echte Revolte mit dem Ziel, Gaddafi zu stürzen. Genau diese Entwicklung hätte auch Al-Kaida gern angestoßen, nur spielt in dem aktuellen Geschehen Religion überhaupt keine Rolle. Das kann den Gotteskriegern nicht recht sein. "Also macht Al-Kaida einen strategischen Schwenk und schaut, ob man nicht in dem trüben Süppchen des Aufstandes doch noch mitfischen kann. So könnten sie, wenn es um die Zukunft Libyens geht, auch noch die islamistische Variante ins Spiel bringen."

Noch bewegen sich die Rebellen im visionären Niemandsland. Wie Libyen nach Gaddafi aussehen kann, darüber können sie sich kaum Gedanken machen. Zunächst ziehen sie sich auf Loyalitäten zurück, die schon ihre Vorväter hochgehalten haben. "Die Stämme sind das Einzige, was den Menschen jetzt Halt gibt." Doch Steinbach gibt zu bedenken, dass auch ein "Stämmepalaver in einem Staat, der auf einer modernen Ölindustrie basiert",  als künftige Regierungsform kaum taugt. Es gebe keine alternativen "Ansätze zum System der Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija", keine politischen Parteien und kaum Menschen, die Ideen für ein demokratisches Libyen entwickeln könnten. Auch die Libyer wollen Demokratie, gute Schulen, freie Medien, ein Ende der Korruption und stattdessen eine prosperierende Privatwirtschaft, die Teilhabe am Ölreichtum des Landes ermöglicht.  Doch Gaddafis Herrschaft hat eine zutiefst zersplitterte Gesellschaft hinterlassen, für die all dies noch in weiter Ferne liegt.

Quelle: ntv.de

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