"Hart aber fair": Corona-Krise Bundesliga zwischen Hoffnung und Dunkelziffer
05.05.2020, 05:08 Uhr
Die Fußball-Bundesliga will in der Corona-Krise wieder loslegen - und mit Geisterspielen den tristen Alltag der Menschen erhellen. Doch erste Testergebnisse unter den Profispielern zeigen: Über die Dunkelziffer der Infizierten lässt sich trefflich streiten.
Die jüngst zutage gebrachten Corona-Fälle in der ersten und zweiten Bundesliga sorgen für landesweiten Gesprächsstoff. Zehn von insgesamt 1724 getesteten Fußballprofis wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Bei "Hart aber fair" sollen eigentlich die unterschiedlichen Bereiche und Bedürfnisse der Gesellschaft beleuchtet werden: Wie ernst ist der Lagerkoller? Wo bleibt die Lebensfreude? Doch der Fußball wird schnell zum Hauptthema der Talk-Runde, und es entsteht eine hitzige Diskussion.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD, der Schauspieler Ulrich Matthes, die Virologin Melanie Brinkmann, der Sternekoch und Hotelier Alexander Herrmann und die berufstätige Mutter mit drei Kindern Katrin Bruns erreichen im Verlauf des Abends bei Frank Plasberg einen Punkt im Gespräch, an dem der Moderator sogar den Platz in sicherer Entfernung zu seinen Gästen verlassen muss, um die festgefahrene und angestrengte Debatte aufzulockern.
Es steht vieles im Raum, Verwirrung, Hoffnungslosigkeit, der Wunsch nach Lockerungen und ein hausgemachter Sündenbock: die deutsche Bundesliga. Dreyer stellt klar: "Wir entscheiden über viele gesellschaftliche Felder. Es geht nicht nur um die Bundesliga - es geht um das Thema Gastronomie, um das Thema Kita und Schule und viele weitere." Sie hat offenbar Verständnis für alle Berufsgruppen und Sparten in der Gesellschaft, welche noch immer darauf warten, wieder zurück in den Alltag zu dürfen. "Ich glaube, es ist ein berechtigtes Interesse, dass auch Fußballer sagen, sie möchten zurück und wieder spielen können."
"Die Olaf-Scholz-Bazooka"
Matthes hingegen ist verärgert, dass der Fußball überhaupt in dieser Diskussion zum Thema wird. Er sieht sich als Stellvertreter für einen Bereich, der seiner Meinung nach grundsätzlich in den vergangenen Wochen zu kurz gekommen ist: die Kultur. "Ich hab das Gefühl, die 'Olaf-Scholz-Bazooka' müsste in etwas geringerer Form auf den gesamten, gesellschaftlich absolut relevanten Bereich der Kultur angelegt werden." Damit spielt er auf die in der Politik häufig stark thematisierte Rückkehr des Bundesliga-Spielbetriebs an. "Die Kultur ist in der öffentlichen Debatte in einer Weise zu kurz gekommen, die der Bedeutung für das Land Deutschland absolut nicht entspricht." Matthes hält die Schutzmaßnahmen der Regierung für vernünftig, ist aber auch um die vielen Kinos und Theater besorgt, welche um ihre Existenz bangen.
Der finanzielle Notstand in der Gastronomie treibt Sternekoch Herrmann an: "Das Schnitzel, das wir heute nicht verkaufen, kann man morgen nicht zweimal verkaufen." Er hält die jüngsten Testergebnisse aus dem Fußballsport für eine positive Bilanz: "Es geht um uns alle, wir müssen alle wieder zurückkommen können. Deshalb bin ich jetzt mal so frech und sage, die Bundesliga hat mir gerade heute mit diesen Testergebnissen ein wahnsinnig positives Signal gegeben." Herrmann gibt sich besorgt, gleichwohl wissend, dass das Hygienekonzept der Bundesliga auch eine Art Blaupause für die Gastronomie werden könnte und eine Umsetzung Hoffnung auf weitere Lockerungsmaßnahmen macht.
"Diese Zahlen sagen gar nichts"
Virologin Brinkmann zeigt sich von derartigen Äußerungen sichtlich genervt: "Diese Zahlen sagen gar nichts." Dennoch scheinen sie Unklarheiten zu beunruhigen, denn bislang wurde nicht in allen Fällen der betroffene Bundesligaklub veröffentlicht. "Wenn sich jetzt herausstellen würde, die zehn sind in den verschiedensten Regionen Deutschlands, dann würde ich sagen, wir haben eine deutlich höhere Dunkelziffer mit diesen Tests aufgedeckt, als mir lieb wäre." Laut der Expertin ist die Summe dann zwanzigfach höher als die Dunkelziffer, von der man bisher ausgegangen ist. Doch in der Bundesliga hält man sich bedeckt. Die Geheimniskrämerei ist Brinkmann ein Dorn im Auge: "Wenn sie der Wissenschaft helfen wollen, sagen sie es." Unabhängig von ihren besorgniserregenden Vermutungen zeigt sich Brinkmann begeistert von den geringen Infektionszahlen der ersten Infektionswelle. Dennoch macht sie deutlich, dass voreilige Schritte zu einer zweiten Infektionswelle führen können.
Katrin Bruns ist als berufstätige Mutter im Homeoffice sichtlich enttäuscht von der geringen Aufmerksamkeit, die Eltern in der Krise zuteil wird. Sie fordert eine Reformierung des Schulsystems: "Wir haben uns alle zusammengerissen und gewartet - haben einen Hoffnungsschimmer gesehen, weil es ja funktioniert hat. Jetzt wird uns langsam aber sicher klar, dass trotzdem nicht das passiert, was wir uns erhofft haben, nämlich dass unsere Kinder möglichst schnell wieder in die Schule gehen können." Bruns kritisiert vor allem, dass in den einzelnen Bundesländern die Entscheidungen zum Thema Schulalltag sehr unterschiedlich ausfallen. "Das verstehe ich nicht, und es hat mich die letzten Wochen total sauer gemacht. Ich fühle mich gar nicht richtig aufgeklärt." Sie fordert eine Umstellung auf Online-Unterricht. Ihrer Meinung nach ist es möglich, wenn man nur die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, und Lehrer und Schüler entsprechend vorbereitet werden.
Viele Bundesländer - gleich viele Pläne: Diese Situation zehrt an den Kräften der Gesellschaft. Trotz der Gefahr einer weiteren Infektionswelle ist der Wunsch nach Lockerungen bei den Gästen groß. Eine weitere Diskussion um Lagerkoller, Stufenpläne und gescheitertes Familienmanagement geht zu Ende. Ein wenig Hoffnung machen die Versprechungen der Ministerpräsidentin dann aber vielleicht doch. Schließlich wünschen sich alle Planungssicherheit: Unternehmer, berufstätige Eltern, sowie auch Kunst- und Kulturschaffende.
Quelle: ntv.de