"Wie ein verzogenes Kind" China lästert über Nordkorea
30.11.2010, 13:37 UhrNicht nur für die USA bergen die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente unangenehme Überraschungen. Auch Chinas Doppelzüngigkeit wird deutlich, etwa im Fall Nordkoreas. Den Unterlagen zufolge ist Nordkoreas Wert als Verbündeter gesunken, der große Bruder zunehmend unzufrieden, China rechnet gar mit einem baldigen Ende des Regimes.

Ein südkoreanischer Soldat beobachtet die nordkoreanische Seite. Das Verhältnis ist extrem gespannt.
(Foto: REUTERS)
Mit ständigen Provokationen verärgert Nordkorea offensichtlich auch seinen letzten Freund China. Die von Wikileaks veröffentlichten Depeschen amerikanischer Diplomaten enthüllen die Ungeduld Chinas, das den Verbündeten einmal sogar als "verzogenes Kind" einstufte. Trotz der zurückhaltenden Reaktionen Südkoreas, der USA und Japans wirbt China aber unverändert für seine Vermittlungsversuche. Die jüngste Krise war durch Nordkoreas Militärschlag gegen eine südkoreanische Insel ausgelöst worden.
Die Dokumente amerikanischer Diplomaten über Chinas Haltung zu Nordkorea könnten die diplomatischen Bemühungen erschweren. In einer Depesche nach Nordkoreas Raketentest im April 2009 wird Chinas Vizeaußenminister He Yafei zitiert, Nordkorea wolle direkte Gespräche mit den USA und benehme sich "wie ein 'verzogenes Kind', um die Aufmerksamkeit des "Erwachsenen zu bekommen". Andere Dokumente mit Hinweis auf bedeutende südkoreanische Quellen erwecken den Eindruck, China wolle seinen Verbündeten aufgeben und wäre bereit, ein wiedervereinigtes Korea unter Südkoreas Kontrolle zu akzeptieren.
Nordkoreas Wert sinkt
Nordkorea habe als "Pufferstaat" nur noch wenig Wert für China, zitierte im Januar dieses Jahres der damalige südkoreanische Vizeaußenminister und heutige Sicherheitsberater Chun Yung Woo chinesische Offizielle. Im Falle einer Wiedervereinigung würde China allerdings amerikanische Truppen auf heutigem nordkoreanischem Gebiet "nicht willkommen" heißen, sagte Chun. Große Geschäftsmöglichkeiten für chinesische Unternehmen könnten helfen, die Sorgen Chinas über ein wiedervereinigtes Korea zu mindern.

China ist Nachbar und wichtigster Verbündeter des nordkoreanischen Regimes (Foto von der gemeinsamen Grenze).
(Foto: REUTERS)
Eine Militärintervention Chinas im Falle eines Zusammenbruchs Nordkoreas hielt Chun für unwahrscheinlich, da Chinas strategische Wirtschaftsinteressen heute auf die USA, Japan und Südkorea ausgerichtet seien. Aus seiner Sicht sei Nordkorea wirtschaftlich schon kollabiert. Er sagte voraus, dass das verarmte Land "zwei, drei Jahre" nach dem Tod von Militärführer Kim Jong Il auch politisch zusammenbrechen werde. China habe weit weniger Einfluss "als die meisten Leute glauben", wurde Chun zitiert. China sei aber auch "nicht willens", seinen wirtschaftlichen Einfluss zu nutzen, um Veränderungen in Nordkorea zu erzwingen. Nordkoreas Führung "weiß das", wurde Chun zitiert.
Experte befürchtet "Scherbenhaufen"
In einer anderen Depesche vom November 2007 äußerte sich die damalige Außenministerin Condoleezza Rice besorgt, dass China trotz wiederholter Aufforderung der USA nichts gegen Luftfrachtlieferungen aus Nordkorea in den Iran über den Pekinger Flughafen unternimmt, die dem iranischen Raketenprogramm dienten. Die Dokumente enthüllen nach einem Bericht der "New York Times" aber auch, wie wenig die USA wohl über Vorgänge innerhalb Nordkoreas wissen. Die Botschaftsmeldungen über Nordkorea - manche aus Südkorea, manche aus Peking - "sind voller fundierter Vermutungen, aber arm an Fakten". Dies mache anschaulich, weshalb man Nordkorea "das Schwarze Loch Asiens nennt".
Damit hat Wikileaks nach Meinung eines deutschen Experten einen "Scherbenhaufen" angerichtet. "Es sind vor allem Äußerungen von chinesischer Seite, die durch Wikileaks publiziert wurden, die in Nordkorea für viel Aufsehen sorgen werden", sagte der Projektleiter von der Friedrich-Naumann-Stiftung für Korea, Walter Klitz. Es gehe dabei vor allem um die Feststellung eines hochrangigen chinesischen Beamten, der das nordkoreanische Regime mit einem verzogenen Kind verglichen habe oder die Spekulation, ob das Regime eine Überlebenschance habe, wenn Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il sterbe. Gerade in der jetzigen angespannten Situation sei die Enthüllung der diplomatischen Dokumente wenig hilfreich. "Es dient nicht dem Annäherungsprozess zwischen Süd- und Nordkorea, der wünschenswert ist", sagte Klitz.
Quelle: ntv.de, dpa