USA offenbar weitgehend ahnungslos Nordkorea treibt Reaktorbau voran
30.11.2010, 10:52 UhrDas Regime in Nordkorea vermeldet den Betrieb von "mehreren tausend Zentrifugen" zur Anreicherung von Uran. Damit soll nach eigenen angaben ein Leichtwasserreaktor betrieben werden. Nur zu friedlichen Zwecken, wie das Regime betont. Das bezweifeln die USA allerdings und dringen auf eine Lösung. Derweil werden allerdings Zweifel an der Informiertheit der US-Diplomaten laut.
Nordkorea will sein umstrittenes Atomprogramm trotz internationaler Kritik noch stärker vorantreiben. Nach eigenen Angaben hat das Land bereits tausende Zentrifugen zur Uran-Anreicherung im Einsatz. Das Programm diene aber allein friedlichen Zwecken. Nordkorea baue an einem Leichtwasserreaktor, um den Energiebedarf im Land zu decken. "Dafür betreiben wir ein modernes Anreicherungssystem mit mehreren tausend Zentrifugen", zitierte die amtliche Nachrichtenagentur KCNA die Führung des Landes.
Die Existenz der neuen nordkoreanischen Anlage zur Urananreicherung war erst kürzlich bekannt geworden. US-Verteidigungsminister Robert Gates zeigte sich daraufhin besorgt, weil Pjöngjang damit das "Potenzial" habe, weitere Atomwaffen herzustellen. Die USA verdächtigen Nordkorea, ein Anreicherungsprogramm für den Bombenbau zu haben. Uran kann je nach Grad der Anreicherung zivil oder militärisch genutzt werden. Die Existenz der neuen Urananlage war durch den US-Atomwissenschaftler Siegfried Hecker öffentlich bekanntgeworden, der Nordkorea besucht hatte.
Nordkorea hatte erstmals im Oktober 2006 und dann im Mai 2009 Atomwaffen getestet. Kurz vor dem zweiten Test war Nordkorea aus den sogenannten Sechser-Gesprächen mit Südkorea, China, den USA, Russland und Japan ausgestiegen. In den vergangenen Monaten signalisierte Pjöngjang wiederholt seine Bereitschaft, unter bestimmten Bedingungen an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Allerdings ist das Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea derzeit enorm angespannt, weil die nordkoreanische Armee die Insel Yeonpyeong angegriffen hat. Durch den Zwischenfall waren die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel eskaliert. Vier Menschen wurden dabei getötet.
Neue Sechser-Gespräche?
US-Außenministerin Hillary Clinton will einem Medienbericht zufolge in der nächsten Woche in Washington mit ihren Amtskollegen aus Japan und Südkorea über die gespannte Lage im Korea-Konflikt beraten. Bei dem Treffen am Montag solle es auch darum gehen, China zu drängen, seinen Einfluss geltend zu machen und mäßigender auf Nordkorea einzuwirken, meldete die japanische Nachrichtenagentur "Nikkei". Zudem solle über den Vorschlag Chinas gesprochen werden, die Situation mit einer Wiederbelebung der Sechs-Parteien-Gespräche über ein Ende des nordkoreanischen Atomwaffen-Programms zu beruhigen.
China drängt angesichts der angespannten Lage auf der koreanischen Halbinsel auf eine Wiederbelebung der Sechs-Parteien-Gespräche mit den USA, Russland und Japan. Es sei zwingend nötig, in einen Dialog zu treten, mahnte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Dienstag. Die Sicherung von Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel sei die gemeinsame Verpflichtung aller Parteien. "Wir rufen alle Beteiligten auf, mehr zu tun, um die Situation zu stabilisieren", sagte der Sprecher. China hatte am Wochenende eine Dringlichkeitssitzung der Sechsergruppe angeregt.
USA haben wenig Durchblick
Derweil enthüllen die von Wikileaks veröffentlichten Depeschen amerikanischer Diplomaten, wie wenig die USA wohl über Vorgänge innerhalb Nordkoreas wissen. So hätten sich südkoreanische und US-Diplomaten über konkrete Strategien nach einem Zusammenbruch des Regimes beraten, meldete die "New York Times". Die jüngsten militärischen Störmanöver Pjöngjangs hätten sie aber allem Anschein nach nicht vorausgesehen.

Im US-Außenministerium hat man offenbar wenig Ahnung von den Vorgängen in Nordkorea, wie die Wikileaks-Dokumente belegen.
(Foto: AP)
Die Botschaftsmeldungen über Nordkorea - manche von ihnen aus Südkorea, manche aus Peking - "sind voller fundierter Vermutungen, aber arm an Fakten", schreibt die Zeitung. Dies mache anschaulich, weshalb man Nordkorea "das Schwarze Loch Asiens nennt".
Eine der Depeschen schildere, wie ein hoher Diplomat des Südens Ende Februar US-Botschafterin Kathleen Stephens gegenüber die Erwartung äußert, das Regime könnte "zwei bis drei Jahre" nach dem Tode von Machthaber Kim Jong Il kollabieren. Um Pekings Widerstand gegen eine Kontrolle Seouls über die gesamte koreanische Halbinsel zu brechen, plane man bereits, chinesische Firmen auf die vielfältigen Geschäftsmöglichkeiten in Norden hinzuweisen, heißt es dort.
"Lockere Gespräche"
Einen Monat nach dem Gespräch versenkt dann ein - mutmaßlich nordkoreanischer - Torpedo ein südkoreanisches Kriegsschiff und stürzt die Region in eine neue Krise. Erst vorige Woche geht dann ein Hagel nordkoreanischer Granaten auf den Nachbarn im Süden nieder. "Nichts von all dem steht in den Dutzenden von Korrespondenzen des Außenministeriums, die im Besitz von Wikileaks sind", so das Blatt.
Stattdessen enthielten die Depeschen "lockere Gespräche und zuversichtliche Voraussagen über das Ende der Familiendynastie, die Nordkorea seit 65 Jahren regiert", schreibt die Zeitung weiter. Diese Debatten seien befeuert worden von einer ganzen Reihe Überläufer aus dem diplomatischen Dienst Nordkoreas, deren Existenz bislang unbekannt gewesen sei.
Die Internet-Plattform Wikileaks und mehrere internationale Medien, darunter die "New York Times" und der "Spiegel", hatten am Sonntag mit der Veröffentlichung von mehr als 250.000 vertraulichen oder geheimen Berichten aus US-Botschaften begonnen. In den nächsten Tagen soll weiteres Material publik werden.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts