Politik

Reporter fürchten um Visa China straft kritische US-Medien ab

Journalisten sehen sich auch weiterhin Repressionen der chinesischen Regierung ausgesetzt.

Journalisten sehen sich auch weiterhin Repressionen der chinesischen Regierung ausgesetzt.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Wahrheit kann bisweilen unangenehm sein - auch für diejenigen, die sie nur enthüllen. In China müssen dies nun etliche US-Journalisten erfahren, die über die Milliardenvermögen ranghoher Politiker schrieben.

Die exzellente Berichterstattung der "New York Times" aus China könnte schon bald ein jähes Endes finden. Die Korrespondenten der renommierten Tageszeitung aus den USA haben sich bislang vergeblich um die Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigungen bemüht, die zum Jahresende auslaufen.

Das chinesische Außenministerium, das den langwierigen Akkreditierungsprozess für Mitarbeiter internationaler Medien eröffnet, verweigerte entweder die Annahme der Anträge oder gab den Journalisten die Unterlagen kurz nach ihrer Einreichung unbearbeitet zurück. Das teilte der Klub der Auslandskorrespondenten in China in dieser Woche mit. Betroffen sind auch die Reporter der Nachrichtenagentur Bloomberg. Insgesamt soll es sich um 23 Journalisten der beiden Organisationen handeln.

Über die Hintergründe der starren Haltung der Behörden kann nur spekuliert werden, weil die Chinesen keine plausible Erklärung liefern. Mehr als die magere Aussage, dass ausländische Journalisten in China nach Recht und Ordnung behandelt würden, hatte ein Sprecher des Ministeriums nicht zu bieten. Allerdings ist es naheliegend, dass beide Medien offenbar büßen müssen für investigative Reporterleistungen zu den Vermögen ranghoher chinesischer Politiker.

Journalisten klagen über Schikane

Chinas Ex-Premier Wen Jiabao (l) und der derzeitige Präsident Xi Jinping (r) reagierten empfindlich auf die Berichte zu ihrem Vermögen.

Chinas Ex-Premier Wen Jiabao (l) und der derzeitige Präsident Xi Jinping (r) reagierten empfindlich auf die Berichte zu ihrem Vermögen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die "New York Times" hatte enthüllt, dass die Familie des damaligen Ministerpräsidenten Wen Jiabao Firmenanteile im Wert von 2,7 Milliarden US-Dollar besitzt. Bloomberg indes recherchierte den Reichtum des neuen Staatspräsidenten Xi Jinping und addierte mehr als 300 Millionen US-Dollar. Allerdings stammen beide Geschichten aus dem Jahr 2012. China-Kenner vermuten, dass die Chinesen ein Jahr abgewartet haben, um den Eindruck zu verwischen, sie würden die Medien bestrafen wollen.

Jedes Jahr müssen mehrere Hundert ausländische Journalisten das Akkreditierungsverfahren durchlaufen. Zu Beginn des Prozesses stellt das Außenministerium neue Presseausweise für das jeweils kommende Jahr aus. Ehe das geschieht, müssen Korrespondenten, die den Behörden durch kritische Geschichten negativ aufgefallen sind, zu persönlichen Gesprächen erscheinen. Dort erläutert das Ministerium noch einmal die Haltung des Regimes und macht unmissverständlich klar, dass man die Berichterstattung missbilligt.

Mit der neuen Pressekarte müssen die Journalisten zum Ausländeramt, wo es eigens einen Schalter für Journalisten gibt. Auch dort kann es vorkommen, dass Reporter von Beamten der Staatssicherheit noch einmal befragt werden zu Details ihrer Berichterstattung.

Journalisten werfen den Behörden vor, dass der bürokratische Prozess absichtlich in die Länge gezogen wird, um die Medienleute zu schikanieren. Viele planen einen Heimaturlaub zu Weihnachten. Es kommt vor, dass Korrespondenten ihre lang geplanten Flüge verschieben müssen, obwohl sie sich zeitig um die Verlängerung ihrer Dokumente bemüht haben.

Repressive Medienpolitik zeigt Wirkung

Schlimmstenfalls wird das Visum verweigert. Zuletzt erwischte es 2012 eine amerikanische Mitarbeiterin des arabischen TV-Senders Al Dschasira, die das Land verlassen musste. Wenn sich Ausländer nach Ablauf ihres Visums im Land aufhalten, befinden sie sich illegal auf chinesischem Staatsgebiet und könnte mit einem langfristigen Einreiseverbot belegt werden.

Besonders in Peking ist es an der Tagesordnung, dass Polizeibeamte Journalisten mit dem Entzug ihrer Pressekarte und damit ihrer Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung drohen, wenn ihre Präsenz unerwünscht ist. Das widerspricht allen schriftlich fixierten Regeln zu den Arbeitsbedingungen der Reporter und ist international völlig unüblich. Chinesische Korrespondenten genießen in den USA oder auch in Deutschland umfassende Pressefreiheit.

Die Angst vor dem Verlust der Akkreditierung für die eigenen Journalisten lässt Chefredaktionen und Verlage darüber grübeln, was ihnen die investigativen Resultate ihrer Arbeit wirklich wert sind. Im vergangenen Monat geriet die jetzt betroffene Nachrichtenagentur Bloomberg in den Blickpunkt, als die Verantwortlichen die Veröffentlichung einer brisanten Exklusivgeschichte aus Angst vor Repressionen verhinderten. Später kündigte sie dem Reporter der Geschichte, weil sie ihn beschuldigte, anderen Medien Hinweise auf die Selbstzensur der Chefredaktion gegeben zu haben.

Der Geist von Olympia ist verflogen

Um den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2008 zu erhalten, begab sich die Volksrepublik einst auf den vermeintlichen Pfad liberaler Medienpolitik. Doch mit fadenscheinigen Ausreden wurde regelmäßig die andauernde Behinderung von Journalisten gerechtfertigt.

Spätestens seit Anfang 2011 ist von den liberalen Bekenntnissen rein gar nichts mehr übrig geblieben. Damals fürchtete die allein regierende Kommunistische Partei, dass die Demokratiebewegungen des arabischen Frühlings in die Volksrepublik übergreifen könnten. Seitdem ist der Spielraum für ausländische Medien deutlich eingeschränkt worden. Kontrolle und Restriktionen haben deutlich zugenommen.

Manchmal wenden Polizeibeamte Gewalt an wie im Fall eines Mitarbeiters der RTL- und n-tv-Korrespondentin Pia Schrörs. Der Chinese wurde bei einer Recherche zur katholischen Untergrundbewegung in der Hauptstadt in Gegenwart der deutschen Journalistin von Polizisten ins Gesicht geschlagen und am Arm verletzt.

Ebenfalls im Stadtgebiet von Peking wurde ein Fahrzeug mit einem ARD-Team von einer Gruppe nicht identifizierbarer Personen auf der Autobahn zum Halten gezwungen und die Windschutzscheibe des Fahrzeugs mit Baseballschlägern zertrümmert. Statt die Brutalität zu verurteilen, werfen Sicherheitsbehörden und Außenministerium in solchen Fällen den Journalisten illegale Berichterstattung vor.

Quelle: ntv.de

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