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Masala will das Land wehrhafter "Dann habt ihr Boris Pistorius ein bisschen hängen lassen"

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Lob gab es von Carlo Masala auch: Deutschland habe im Februar 2022 "viele Dogmen der deutschen Außenpolitik über Bord geworfen".

Lob gab es von Carlo Masala auch: Deutschland habe im Februar 2022 "viele Dogmen der deutschen Außenpolitik über Bord geworfen".

(Foto: picture alliance / Metodi Popow)

Carlo Masalas Stimme wird viel gehört in Deutschland und selten gibt es Grund zur Freude: "Bedingt abwehrbereit" heißt das neue Buch des Sicherheitsexperten, und auch zur Vorstellung in Berlin spart er nicht mit Kritik - diesmal in Richtung seines Gastes, SPD-Chef Lars Klingbeil.

Zu einer militärischen und gesellschaftlichen Reaktion, wie sie Israel nach dem Großangriff der Hamas zeigt, wäre Deutschland nicht in der Lage, so sieht es zumindest der Sicherheitsexperte Carlo Masala. Auch generell hält er die Wehrhaftigkeit Deutschlands für unzureichend. 20 Monate nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine sei das Land noch immer nicht "kaltstartfähig". Dazu gehörten "sämtliche staatliche Institutionen, dazu gehört auch die Bundeswehr".

"Bedingt abwehrbereit" lautet auch der Titel des neuen Buchs, das Masala in Berlin am Dienstag vorstellte, an seiner Seite und bereit zur Kontroverse: SPD-Parteichef und Verteidigungsfachmann Lars Klingbeil. Der hat laut eigener Aussage schon zu Friedenszeiten im Verteidigungsausschuss nicht immer nur Beifall bekommen für die Forderung, Deutschland brauche eine bessere Ausstattung der Bundeswehr. Die 100 Milliarden Sondervermögen sind aus seiner Sicht nun aber ein großer Erfolg. Das sei ein Betrag, von dem er, Klingbeil, zu Beginn der Legislatur "nie gedacht hätte, dass wir das mal haben werden".

Masala, der an der Universität der Bundeswehr in München lehrt, ist deutlich weniger begeistert. Denn das schwere Gerät, das mit den zusätzlichen Milliarden angeschafft wird, erzeugt Folgekosten, die aus dem Verteidigungsetat finanziert werden müssen. Der wird jedoch gemäß der Ampel-Planung in den kommenden Jahren nicht erhöht. "Das heißt, das Delta zwischen dem, was die Truppe braucht, und dem Geld, das zur Verfügung steht, das ohnehin immer groß ist, wird noch größer."

In einigen Jahren werde es einer Regierung unmöglich sein, dieses Delta, das dann 30 bis 40 Milliarden Euro betragen werde, zu schließen. "Wir rennen auf eine absurde Situation hinaus", wenn in vier bis fünf Jahren die Bundeswehr fast voll ausgestattet sei, aber bezogen auf ihre finanziellen Mittel noch schlechter dastehe als vor Februar 2022.

Solche Planungen hält Masala für fatal, das merkt man ihm deutlich an. Gleichwohl bemüht sich der Experte, auch Erfolge wertzuschätzen und lobt etwa, dass Deutschland in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn "viele Dogmen der deutschen Außenpolitik über Bord geworfen und eine Zeitenwende eingeleitet" habe. Danach jedoch sei "dieses ganze System mehr oder weniger zurückgefallen in Friedenszeiten". Zusammengefasst: "Wir haben nicht begriffen."

Erste Republikaner wollen Ukraine-Hilfe umwidmen für Israel

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Auch wenn Masala den Terrorangriff der Hamas auf Israel in seine Argumentation im Buch noch nicht einfließen lassen konnte, vermag er den Bogen live durchaus zu schlagen. Denn seiner Erwartung gemäß wird sich der Krieg in Nahen Osten auf die Bereitschaft der USA auswirken, die Ukraine im bisherigen Umfang militärisch zu unterstützen. Es gebe erste Republikaner, die sagten, man solle die Gelder, die für die Ukraine vorgesehen sind, umwidmen für die Israel-Hilfe.

Seiner Ansicht nach ist es Europas "ureigenstes Interesse", dafür zu sorgen, dass amerikanische Hilfsanteile von Europa ersetzt werden könnten. Dafür sieht Masala Deutschland aber nicht aufgestellt. "Ich finde, dann habt ihr Boris Pistorius ein bisschen hängen lassen", erklärt der Wissenschaftler dem Politiker in Anspielung auf die Haushaltspläne für das kommende Jahr. Der Verteidigungsminister sei mit einer Forderung nach zehn Milliarden Euro zusätzlich ins Rennen gegangen, vielleicht darauf hoffend, vier bis fünf tatsächlich zu bekommen. "Was er letztendlich bekommen hat, war nichts anderes als die tariflich vereinbarte Lohnsteigerung bei den Zivilangestellten und bei den Soldaten."

Für jemanden, "den man ins Amt holt, der einen fulminanten Start hinlegt, die richtigen Weichen stellt, das Problem sieht, den so aufklatschen zu lassen, finde ich problematisch", sagt Masala, und hier wird Klingbeil zum ersten und letzten Mal im Gespräch ungeduldig in Erwartung seiner Antwortmöglichkeit. "Niemand hat Boris Pistorius hängen gelassen, das sehe ich überhaupt nicht", erklärt der SPD-Mann.

Es sei richtig gewesen, dass Pistorius ambitioniert in die Haushaltsverhandlungen reingegangen sei, und sein Ministerium habe als einziges keine Kürzungen gehabt. "Aber nochmal: Wir haben die zwei Prozent als Parlament beschlossen." Es sei beschlossen, dass Deutschlands Verteidigungsausgaben im Mittel zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen würden, und das werde eine Herausforderung. Doch Klingbeil macht klar: "Es muss klappen."

Letztlich ist das Geld aus Sicht Masalas aber nicht allein entscheidend. Viel Geld in ein "dysfunktionales System" zu stecken, bringt aus seiner Sicht nichts. Strukturreformen bei der Bundeswehr sind für den Experten unverzichtbar, er schließe sich der Sicht des Kollegen Sönke Neitzel an: Früher sei es egal gewesen, "ob der Panzer dreimal so viel gekostet hat und 20 Jahre zu spät gekommen jst, denn letzten Endes wusste jeder: Wir brauchen ihn eh nicht". Das Problem sei, "jetzt brauchen wir den Panzer, aber das System funktioniert noch immer mit der gleichen Mentalität".

Quelle: ntv.de

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