Asylreform von rechts Das Habsburger Revival hakt
08.06.2018, 19:47 Uhr
Italiens neuer Innenminister Salvini will nicht mehr, dass sein Land das "Flüchtlingslager Europas" ist.
(Foto: AP)
Die Innenminister von Italien und Österreich wollen in der Migrationsfrage den Ton angeben. Ihre Parteien, FPÖ und Lega, stehen sich politisch eigentlich nahe. Doch ob sie wirklich am selben Strang ziehen, ist offen.
Der frisch gekürte italienische Innenminister Matteo Salvini, Vorsitzender der rechtsnationalen Lega, kokettiert auffällig mit Österreich. Vor allem, wenn es um die europäische Flüchtlingspolitik geht. Das ist auch nachvollziehbar - immerhin wurde in Wien schon vor Monaten mit der FPÖ eine der Lega gleichgesinnte Partei auf die Regierungsbank gehievt.
Fast könnte man von einem Habsburger Revival sprechen, denn auch den osteuropäischen Visegrad-Staaten, darunter vor allem Ungarn, ist Salvini wohlgesinnt. Vergessen scheint die Aufregung über das Ansinnen der österreichischen Regierung in Wien, den deutschsprachigen Südtirolern die österreichische Staatsbürgerschaft anzubieten. Oder die Drohung von Sebastian Kurz, damals noch Außenminister, heute Kanzler, Truppen zum Brenner zu schicken, um Italien am "Weiterwinken" der Migranten zu stoppen.
Auch Österreichs FPÖ Innenminister Herbert Kickl wendet seinen Blick hoffnungsvoll Richtung Rom. Im Europäischen Parlament gehören seine Partei und die Lega derselben Fraktion namens "Europa der Nationen und der Freiheit" an. Dabei sind auch Marine Le Pens gerade zum "Rassemblement National" umbenannter Front National und Geert Wilders "Partei für die Freiheit".
Dennoch zeigt sich Andreas Mölzer, Vordenker der FPÖ und Herausgeber der österreichischen deutschnational-rechtsextremen Wochenzeitung "Zur Zeit", skeptisch. Er schreibt in einem Kommentar, Kickl und Salvini sei gemein, "dass sie die Irrwege der EU-Asylpolitik beenden wollen". Er fügt aber hinzu: "Man wird sehen, ob Kickl und Salvini die dringend erforderliche Kehrtwende in der EU-Asylpolitik schaffen werden."
Zeit zum Koffer packen?
Bei der radikalen Politik gegen Migranten stimmen Salvini und Kickl tatsächlich überein. Gleich nach der Vereidigung der italienischen Koalition aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung ließ der neue Innenminister die illegalen Migranten wissen, mit dem Leben "in Saus und Braus" sei es jetzt vorbei, sie sollten schon anfangen, ihre Koffer zu packen. Und um die Rückführung zügig voranzubringen, wird er die fünf Milliarden Euro, die jährlich für die Aufnahme benötigt werden, in Zukunft in Abschiebung und straffere Grenzkontrollen stecken.
Doch Mölzers Skepsis hat einen Grund. Der Staatenblock, der vor ein paar Tagen beim Treffen der EU-Innenminister gegen die Reform der Dublin-Regeln gestimmt hat, war breit. Er reichte von den vier Visegrad-Staaten - Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn - über Österreich bis hin zu den Mittelmeerländern. Breit bedeutet allerdings nicht gleichgesinnt. Österreich und die Osteuropäer wollen nämlich exakt das Gegenteil von dem, was Italiener, Griechen und Spanier fordern.
So deckt sich Salvinis Position nicht mit der seines europäischen Parteifreundes Kickl, sondern mit der des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni - ein Sozialdemokrat. Auch dieser lehnt das bisher geltende Prinzip der "Verantwortung" des ersten Ankunftslandes ab, ebenso die Regelung, dass dieses Land acht Jahre lang dazu verpflichtet, Flüchtlinge zurückzunehmen, sollten sie weiterziehen. Mit solchen Festlegungen bürdet das Dublin-Abkommen den Mittelmeerländern ungleich höhere Lasten auf.
Als viel zu vage gilt in Italien zudem das in Aussicht gestellte Angebot, dass im Fall eines neuen Migrantenansturms eine automatische Umverteilung stattfinden müsse. Und als absolut nicht nachvollziehbar wird die Ermäßigung der im vergangenen Jahr von der EU-Kommission vorgeschlagenen Strafzahlung von 250.000 Euro auf 25.000 bis maximal 35.000 Euro pro Flüchtling bewertet. Zu bezahlen hätten diese Summe jene Länder, die sich weigern, Flüchtlinge im Notfall aufzunehmen. "Wir sind doch nicht das Flüchtlingslager der EU", kontert Salvini. Neben einer Abriegelung der Grenzen besteht auch er also weiter auf einer Umverteilung. Doch davon wollen seine Freunde, allen voran die Visegrad-Staaten, nichts wissen.
Bulgarien, das am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft abgibt, ist an der Aufgabe der Asylreform gescheitert. Österreich, das diese dann übernimmt, will laut Kickl einen "Paradigmenwechsel" einläuten. Schon beim informellen Treffen der EU-Innenminister Mitte Juli in Innsbruck gedenkt er, einen neuen Schwerpunkt zu setzen: Migration gänzlich zu verhindern. "Vielleicht ist es so etwas Ähnliches wie eine kleine kopernikanische Wende im Bereich des Asylsystems", sagt er. Damit läge er dann wieder nahe bei Salvini.
Quelle: ntv.de