Politik

Was zerstört eine "dirty bomb"? Das Ziel wäre atomare Verseuchung

Diese Aufnahme des ukrainischen Militärs soll den konventionellen Angriff auf ein russisches Luftabwehrsystem zeigen. Bei einer "schmutzigen" Bombe würde einem Sprengkörper radioaktives Material beigefügt.

Diese Aufnahme des ukrainischen Militärs soll den konventionellen Angriff auf ein russisches Luftabwehrsystem zeigen. Bei einer "schmutzigen" Bombe würde einem Sprengkörper radioaktives Material beigefügt.

(Foto: IMAGO/Cover-Images)

Russland erneuert den Vorwurf, Kiew baue eine "schmutzige" Atombombe. "Verrückt" nennt der US-Politologe Fettweis diese Behauptung. Schließlich würde die Ukraine damit ihr eigenes Staatsgebiet verseuchen.

Russland hat seinen Vorwurf erneuert, die Ukraine arbeite an einer sogenannten schmutzigen Bombe. Die Ukraine sei "in der abschließenden Phase" der Herstellung, erklärte am Montag Generalleutnant Igor Kirillow, der in der russischen Armee für radioaktive, biologische und chemische Substanzen zuständig ist. Der Vorwurf war bereits am Sonntag vom Verteidigungsminister Sergei Schoigu gemacht worden. Die Ukraine und westliche Unterstützer weisen ihn vehement zurück.

Eine schmutzige Atombombe explodiert mit einem konventionellen Sprengkörper, setzt jedoch dabei radioaktives Material in der Umgebung frei. Das kann beispielsweise Cäsium 137, Strontium 90, Kobalt 60 oder auch Plutonium sein. Für eine solche Bombe reicht radioaktives Material in Mengen, wie es etwa in der medizinischen Forschung genutzt wird oder auch in der Industrie. Sie ist technisch wesentlich einfacher herzustellen als Atombomben und hat eine deutlich geringere Zerstörungskraft.

Bei einer herkömmlichen Atombombe, die also einen nuklearen Sprengkörper nutzt, setzt die Atomexplosion vor allem eine enorm große Menge an Wärmeenergie und mechanischer Bewegungsenergie frei. Ihre unmittelbare Zerstörungskraft kann je nach Größe viele Kilometer weit reichen. Die Radioaktivität, die dabei austritt, hat für den militärischen Zweck zunächst keine Bedeutung.

Im Gegensatz dazu ist diese radioaktive Verseuchung bei einer schmutzigen Atombombe jedoch das Ziel der Explosion. Sie verteilt das radioaktive Material etwa in Pellet- oder Pulverform in der Atmosphäre. Wie stark das Explosionsgebiet verseucht wird und bleibt, hängt neben der Menge des radioaktiven Materials auch stark von seiner Halbwertszeit ab.

Halbwertszeit von 30 Jahren

Kobalt 60 hat eine Halbwertszeit von fünf Jahren, es verliert also seine radioaktive Stärke deutlich schneller als Cäsium 137, das in den 1980er-Jahren durch den Reaktorunfall in Tschernobyl freigesetzt wurde und eine Halbwertszeit von 30 Jahren hat.

Doch selbst für Cäsium-137 schätzte das Bundesamt für Strahlenschutz in einer Stellungnahme 2018 die Stärke der radioaktiven Strahlung außerhalb des unmittelbaren Wirkkreises der Explosion als so niedrig ein, "dass spezielle Maßnahmen des Strahlenschutzes, wie etwa das Verweilen im Haus oder gar eine Evakuierung, nicht erforderlich wären".

Anders bewerteten die Strahlenschutzexperten die Gefahr durch Plutonium-239. Die tödliche Kraft dieses radioaktiven Materials ist demnach wesentlich stärker "als alle anderen zu berücksichtigenden Nuklide". Für Plutonium-239 seien Szenarien denkbar, die Notfallschutz "in der näheren Umgebung bis zu wenigen Kilometern Entfernung" erforderlich machen könnten.

Deutlich größere Sorgen machte sich die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) schon vor knapp 20 Jahren mit Blick auf die Gefahren durch eine "dirty bomb". Demnach würde sie zwar unmittelbar kaum Tote fordern, aber das umliegende Gebiet kontaminieren. Lange Zeit würde Ungewissheit darüber herrschen, ob langfristige gesundheitliche Auswirkungen zu befürchten wären. Evakuierungen wären wahrscheinlich nötig.

In Großstädten könnte sie Panik auslösen

Bis heute wurde eine schmutzige Bombe, eine "dirty bomb", wie sie international bezeichnet wird, niemals in einem militärischen Konflikt benutzt, erklärte der US-Politikwissenschaftler Christopher Fettweis der Zeitung "Newsweek on Sunday". Das Gefährdungspotential einer solchen Bombe sahen Sicherheitsexperten international bislang eher darin, dass Terroristen damit gezielt Großstädte attackieren und dort Panik auslösen könnten.

Der von einer Bombe aufgewirbelte radioaktive Staub würde der Windrichtung entsprechend verteilt, das Einatmen würde die Krebsgefahr für die Bevölkerung deutlich erhöhen. Vom Regen würde der Staub gebunden und bliebe lange an Gebäuden und auf Straßen haften. Ginge eine radioaktive Staubwolke dagegen über einem weiten, unbebauten Gebiet auf, würde das die Verbreitung verstärken, der Grad der lokalen Verseuchung wäre jedoch schwächer.

Auf dem Gefechtsfeld hingegen wäre die militärische Wirkkraft einer "dirty bomb" gering. Der Zweck einer solchen Waffe ist deshalb vor allem radioaktive Verseuchung. Die Behauptung, die Ukraine plane die Explosion einer schmutzigen Bombe auf eigenem Staatsgebiet, bewertet Fettweis deshalb schlicht als "verrückt".

Quelle: ntv.de

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