"Neuer Sheriff in der Stadt" DeSantis kämpft um Trumps politisches Erbe
19.03.2023, 10:27 Uhr
Floridas Gouverneur Ron DeSantis ist auf Werbetour für sein Buch - das Trump-Lager sieht einen "Schattenwahlkampf" gegen den Ex-Präsidenten.
(Foto: REUTERS)
Wer soll für die Republikaner das Weiße Haus erobern? Ex-Präsident Trump will Kandidat der Konservativen werden, aber ein Rivale könnte ihm seine Basis abspenstig machen: Ron DeSantis. Die beiden präsentieren sich unterschiedlich, schlagen aber in die gleichen Kerben.
Auf dem Weg zu einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Iowa macht Donald Trump einen Zwischenstopp. In der Stadt Davenport läuft er samt Sicherheitsleuten in den "Machinenschuppen", eine kleine Diner-Kette. Der Ex-Präsident plaudert, lässt sich mit Gästen und Obern in Blaumann fotografieren, Handys und Fernsehkameras dokumentieren den Besuch. Trump bestellt Roastbeef und lässt das Mittagessen an die lokale Feuerwehr liefern. Den Kokos-Sahne-Kuchen nimmt er selbst mit - für zu Hause, in Florida.
"Das sagt viel aus, wenn jemand mit solchem Prestige sich die Zeit für die Menschen des Alltags nimmt", zeigt sich der Diner-Chef beeindruckt von Trumps Besuch vor ein paar Tagen. Dann, vor 3500 Menschen in einem Theater der Stadt, spricht der Ex-Präsident mehr als eine Stunde - und lässt danach Fragen aus dem vollbesetzten Saal zu. Es ist deutlich zu sehen: Der Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner hat begonnen.
Es ist früh im Rennen, die Vorwahlen beginnen erst im kommenden Januar im Bundesstaat Iowa, danach folgt ein Marathon kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten. Mediale Beachtung erhalten derzeit insbesondere Ex-Präsident Trump, der seine Bewerbung bereits offiziell erklärt hat, und Ron DeSantis, Gouverneur von Florida. In Umfragen zu den Chancen unter Republikanern erzielen die beiden mit Abstand die besten Werte.
Möglicherweise wird am Ende keiner von beiden der Präsidentschaftskandidat. Aber ihr Ringen gibt Hinweise darauf, in welchem Zustand die Partei ist. Und was auf die USA und danach möglicherweise auf die Welt zukommen könnte. Vorweg: Inhaltlich gibt es viele Parallelen, die beiden unterscheiden sich vielmehr in ihrer Vorgehensweise. Der 44-jährige DeSantis wird deshalb auch als möglicher Erbe der "MAGA"-Wählerbasis, also künftiger Anführer des rechten "Make America Great Again"-Parteiflügels gesehen. Denn Trump ist 76 Jahre alt.
"Fauci-Dystopie" und "Woke Disney"
Bei Trump wie DeSantis geht es häufig dagegen: gegen angebliche Gender-Ideologie und "wokeness", gegen Big Tech, gegen zu viel grüne Energie, dass sich die Lebensweise ändern muss oder soll oder dies sogar schon geschehen ist. So wird eine Mischung aus Ungerechtigkeitsgefühl, Nostalgie, Angst und Wut kanalisiert. Ein Kulturkrieg, so nennen es die US-Medien, der gegen die Demokraten und Progressiven geführt wird. Trump, DeSantis und ihre Unterstützer bei den Republikanern stecken mittendrin.
DeSantis hat seine Bewerbung noch nicht verkündet, eine finale Entscheidung soll im Mai fallen. Im Land unterwegs ist er trotzdem bereits jetzt. Offiziell wirbt er dabei für sein Buch mit dem Titel: "Der Mut, frei zu sein". Das Freiheitskonzept des Gouverneurs ist - euphemistisch gesagt - kreativ. Landesweite Aufmerksamkeit hatte DeSantis in der Covid-Pandemie erhalten, als er sich weigerte, die empfohlenen Schutzmaßnahmen durchzusetzen.
Er habe damit verhindert, dass Florida eine "Fauci-Dystopie" werde, sagte der Gouverneur zuletzt stolz. Sowohl bei Ansteckungen als auch bei Todesfällen liegt der Bundesstaat allerdings deutlich über dem US-Durchschnitt. Er konnte sich dort profilieren, während Trump im Weißen Haus und dort zwischen den Stühlen saß - zwischen seinem wissenschaftlichen Berater Anthony Fauci, der warnte, und seiner Wählerbasis, welche die Gefahr der Pandemie nicht so recht wahrhaben wollte.
"Sag nicht schwul"
Vielleicht eine der wichtigsten Kulturschlachten für den rechten Parteiflügel führt DeSantis aber gegen die sogenannte "wokeness". Das Reizwort unter Konservativen, eigentlich eine Bezeichnung für ausgeprägtes soziales Gerechtigkeitsbewusstsein, haben Rechte zum Kampfbegriff gegen Andersdenkende und Progressive umfunktioniert. In Florida unterschrieb DeSantis vor einem Jahr die Neuregelung, dass Unterhaltungen über sexuelle Orientierungen und Gender in bestimmten Grundschulklassen verbietet. Kritiker nennen es das "Sag nicht schwul"-Gesetz. Rund um das höchst umstrittene Gesetz entwickelte sich ein ungewöhnlicher, öffentlicher Streit.
Der Chef von Walt Disney kritisierte das Gesetz mehrfach, Konservative und DeSantis beschimpften den Unterhaltungskonzern im Gegenzug als "Woke Disney". Das Unternehmen geht mit der Zeit und hat in den vergangenen Jahren einige seiner Inhalte angepasst. Unter anderem wird der Film "Onkel Remus' Wunderland" ("Song of the South") aus dem Jahr 1946, in dem ein früherer schwarzer Sklave einem weißen Kind Geschichten erzählt, wegen rassistischer Darstellungen nicht mehr vertrieben. Auch seinen Vergnügungspark in Florida gestaltete Disney um, veränderte die am Film orientierte Attraktion "Splash Mountain" ebenso wie die zu "Fluch der Karibik". Sie zeigt nun keine Piraten mehr, die Frauen versteigern.
Wegen eines Sonderstatus als Entwicklungszone muss der Vergnügungspark weniger Steuern zahlen und wird von einem fünfköpfigen Gremium seit 1967 selbstverwaltet. Straßen, Feuerwehr und Polizei werden von Disney bezahlt. Zunächst wollte DeSantis dem ein Ende machen, doch dann wären auch die etwa eine Milliarde Dollar Schulden auf die beiden benachbarten Landkreise übertragen worden. Stattdessen brachte der Gouverneur im Februar das Gremium unter seine Kontrolle.
"Das Unternehmenskönigreich gibt es nicht mehr", sagte er danach triumphierend. "Ein neuer Sherriff ist in der Stadt." Republikaner sagen, es gehe darum, fairen Wettbewerb mit anderen Unternehmen zu gewährleisten. Kritiker sehen hingegen eine Racheaktion für die Äußerungen des Disney-Chefs sowie einen Maulkorb für das Unternehmen und seine 80.000 Angestellten im Vergnügungspark.
So schnell wie möglich ausschalten
Wird DeSantis also Trumps Nachfolger, der neue Anführer des rechten Flügels der Republikaner? Der Gouverneur hat eine Vergangenheit als Staatsanwalt und Abgeordneter, er geht strukturierter vor und schafft in Florida Fakten. "Wir können gut arbeiten, weil wir nichts an die Medien durchstecken, keine Palastintrigen haben und kein Drama", brüstete sich DeSantis bei einem Auftritt in Iowa Anfang März: "So gewinnen wir gegen die Linken seit vier Jahren jeden Tag." Bei seinen Auftritten kommt Trump nicht vor, er ist bedacht darauf, kein Öl ins Feuer zu gießen.
Bei Trump sieht das ganz anders aus, er attackiert den Gouverneur immer wieder frontal. Er ist offenbar überzeugt, dass der Konkurrent so früh wie möglich politisch ausgeschaltet oder zumindest entmutigt werden muss. Sein Wahlkampfteam sammelt permanent Schmutz über den Rivalen, auch über dessen Zeit als Staatsanwalt und Abgeordneter, wie US-Medien schreiben. Trump verspottet den Rivalen als "Ron DeSanctimonious", den scheinheiligen Ron. Nach dessen überzeugender Wiederwahl als Gouverneur hatte Trump gewarnt, ein Vorwahlrennen gegen ihn ums Weiße Haus könnte "sehr schmerzhaft" ausgehen. Er drohte mit Enthüllungen aus DeSantis' Privatleben.
Der Gouverneur solle in Zukunft unter anderem bei Kinderpornografie als "extrem nachsichtiger Strafverfolger" negativ dargestellt werden, schreibt "Politico". Demnach werde Trump den Gouverneur als Mitglied des politischen Establishments hinstellen, der als Abgeordneter etwa für Militäreinsätze in Übersee stimmte, und damit für seine Basis unwählbar machen. "Republikanische Abgeordnete staunen darüber, wie früh das Flächenbombardement begonnen hat", schreibt die US-Nachrichtenseite "The Hill" darüber.
Es gibt zwar inhaltliche Unterschiede, aber den eigentlichen Unterschied dürfte die Persönlichkeit machen. Trump will deshalb künftig noch volksnäher sein als früher, noch weniger vom Skript ablesen, noch mehr improvisieren. Wie vor ein paar Wochen in East Palestine, dem Ort des katastrophalen Zugunglücks im Bundesstaat Ohio, wo er unter freiem Himmel mit Politikern und Anwohnern sprach. Die Videos von seiner Reise gingen viral. Sie erzeugten mehr mediale Aufmerksamkeit als mancher seiner Wahlkampfauftritte. DeSantis soll abgegrenzt, als distanziert bis abgehoben hingestellt werden.
Die Veranstaltungen des Gouverneurs sind tatsächlich sichtlich durchorganisierter, Journalisten bislang meist nicht erwünscht. Selbst hinter geschlossenen Türen weicht DeSantis wenig von seinen Schlüsselsätzen ab, nimmt sich aber danach Zeit für das Publikum. Eine von Trumps Lobbygruppen reichte zuletzt Beschwerde bei der Ethikkommission in Florida über DeSantis ein: Der Gouverneur nutze sein Amt für einen "Schattenwahlkampf" und verstoße damit auch gegen die Wahlkampffinanzierungsgesetze. Das könnte man auch anders ausdrücken: Trumps möglicher Erbe übt schon.
Quelle: ntv.de