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Wahl-Risiken bei Illner "Demokratie wird von zwei Seiten in die Zange genommen"

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(Foto: ZDF)

Nach dem schwachen Auftritt von US-Präsident Biden im TV-Duell wachsen die Chancen auf einen Wahlsieg Trumps. Über die Gefahren einer zweiten Amtszeit des Republikaners - und über das Risiko anderer Nationalisten - sprechen die Gäste bei Maybrit Illner.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnt, fürchten die Gäste bei Maybrit Illner. Keine und keiner von ihnen lässt sich als Trump-Befürworter bezeichnen. Die Debatte in der ZDF-Talkshow folgt auf ein für US-Präsident Joe Biden als desaströs zu bezeichnendes TV-Duell gegen seinen Herausforderer Donald Trump in der vergangenen Woche. Biden war teilweise nicht zu verstehen, er war heiser, stammelte, verlor den Faden, redete wirr. Erst jüngst dementierte das Weiße Haus einen Rückzug Bidens als Präsidentschaftskandidat - eine öffentliche Debatte über mögliche Ersatzkandidatinnen und -kandidaten ist trotzdem entbrannt.

Eine Möglichkeit wäre etwa US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Davon geht CNN-Reporter Fred Pleitgen aus. "Sie ist in den USA national zumindest bekannt, hat allerdings das Problem, dass sie sich als Vizepräsidentin in den letzten dreieinhalb Jahren nicht wirklich profilieren konnte", sagt Pleitgen. Als Vizepräsidentin sei Harris relativ blass geblieben. Sollte sich herausstellen, dass Biden aufgeben müsse, wäre sie eine Option. Diese Entscheidung müsse Biden selbst treffen, sagt Pleitgen. Doch sie hänge von vielen Faktoren ab. So könnten die Geldgeber die Finanzierung des Wahlkampfs einstellen, die Spenden könnten ausbleiben, prominente Demokraten könnten sich gegen Biden stellen.

Zu dem Misserfolg von Biden bei der vergangenen Fernsehdebatte gegen Trump sei für die Demokraten noch ein weiterer Schock hinzugekommen, erklärt Constanze Stelzenmüller von der Denkfabrik Brookings Institute in Washington. "Die Demokraten haben gehofft, dass die Gerichte ihnen den Gegner wegnehmen. Doch das ist nach der Entscheidung des Supreme Court offensichtlich nicht der Fall." Das Oberste US-Gericht hatte vor einigen Tagen auch Ex-Präsidenten eine weitgehende Immunität zugesprochen. Stelzenmüller sagt: "Damit ist die Position von Trump nach allgemeinem Urteil eher gestärkt."

"Vermute, Putin hat sich auf die Schenkel geklopft"

In der Talkshow will Moderatorin Illner von ihren Gästen auch wissen, wie groß die Gefahr ist, die von rechten Populisten und Nationalisten ausgeht. Hinsichtlich des schwachen Auftritts Bidens bei dem TV-Duell und eines möglichen Wahlsiegs Trumps sagt die Politologin Daniela Schwarzer von der Bertelsmann Stiftung: "Ich vermute, Wladimir Putin hat sich auf die Schenkel geklopft, als er diese Schwäche gesehen hat." Trump habe angekündigt, er wolle noch vor seinem möglichen Amtsantritt mit dem russischen Präsidenten sprechen und den Krieg in der Ukraine beenden, und er wolle einen Rückbau der Demokratie in den USA. "Das gefällt natürlich den Diktatoren dieser Welt, und dazu gehört Putin", sagt die Politologin.

Doch selbst, wenn Biden erneut zum US-Präsidenten gewählt werden sollte, sei nicht klar, wie entschieden er sein Amt führe und wie stark er durchhalte. "Das ist aus der Sicht von denen, die ein Interesse an der Schwächung der USA und vor allem an der Schwächung der Demokratie in den USA haben, ein gefundenes Fressen."

SPD-Außenpolitiker Michael Roth sorgt sich bei einer zweiten Amtszeit Trumps vor den Folgen für Europa. Ohne Biden werde es für Bundeskanzler Olaf Scholz schwer, sagt der SPD-Außenpolitiker Michael Roth. Das gelte auch für die anderen Politiker im Westen. In den letzten vier Jahren habe man sich zum Beispiel bei der Unterstützung der Ukraine auf die Vereinigten Staaten verlassen können. "Das macht mich so wütend, dass wir es nicht vermocht haben, in den vergangenen Monaten als Europäer uns so aufzustellen, dass wir für unsere eigene Sicherheit und für unsere eigene Stabilität mehr Verantwortung übernehmen", kritisiert Roth.

"Antisemit, Antieuropäer, Deutschlandhasser"

"Wir haben eher Verantwortung delegiert und gehofft, so schlimm werde es schon nicht. Und jetzt sehen wir, dass es möglicherweise wieder zu einer Amtszeit Trumps kommt. Und damit werden wir in Europa auf uns alleine gestellt sein." Roth glaubt, das werde ein langer und beschwerlicher Weg, vor allem für die liberalen Demokratien. "Wir müssen ja das auch unseren eigenen Bevölkerungen verkaufen. Wir brauchen ja auch Akzeptanz." Die Botschaft müsse sein: Man müsse wehrhafter werden und mehr Geld in Sicherheit und Verteidigung investieren.

Drei Tage nach dem Fernsehduell in den USA fuhr das rechtsradikale Rassemblement National bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich einen deutlichen Sieg ein. Auch wenn Politologin Daniela Schwarzer von der Bertelsmann Stiftung nicht davon ausgeht, dass die Partei von Marine Le Pen bei den Stichwahlen am Sonntag die absolute Mehrheit gewinnt, könnte sie demnächst die Ministerpräsidentin stellen. Roth weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass den Demokratien nicht nur eine Gefahr von rechtsradikalen und -populistischen Parteien drohe. Hinsichtlich des neuen Linksbündnisses "Volksfront" in Frankreich sagt er: "Wir haben einen Herrn Mélenchon, einen Antisemiten, einen Antieuropäer, einen Deutschlandhasser, jemand, der auf nationalistische, populistische Politik setzt. Das ist ein Politiker, von dem eine große Gefahr ausgeht. Und damit wird deutlich: Diese liberale Demokratie wird von zwei Seiten in die Zange genommen."

Röttgen: "Streiten einfach zu viel"

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In Deutschland drohe eine Gefahr für die Demokratie vor allem von der in Teilen rechtsextremen AfD, auch da sind sich die Gäste sicher. Wie die demokratischen Parteien darauf reagieren müssten, glauben der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und Roth zu wissen. Roth fordert: "Es muss gut regiert werden, und momentan streiten wir uns einfach zu viel." Zudem macht er klar, dass die Warnungen vor der AfD inzwischen nicht mehr fruchteten. "Viele Menschen sehen in der AfD eine stinknormale Partei, wo man keine Angst mehr schüren muss. Man muss sie inhaltlich stellen."

Und Röttgen fordert: "Klug wäre, wenn jeder Parteivorsitzende einmal bei sich anfangen und überlegen würde, was wir besser machen könnten, damit der Nährboden für diese Partei geringer wird. Und ich glaube, jeder würde etwas bei sich finden."

Quelle: ntv.de

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