SPD muss Hürden überwinden Der Weg zur Großen Koalition
17.10.2013, 05:02 Uhr
Künftig werden sie gemeint sein, wenn von "Koalitionsspitzen" die Rede ist: Sigmar Gabriel, Angela Merkel, Horst Seehofer.
(Foto: dpa)
Finanzminister Schäuble rechnet damit, dass eine neue Regierung bereits Mitte November im Amt ist. Das werden Union und SPD kaum schaffen - zu hoch sind die Hürden, die die Sozialdemokraten sich in den Weg gelegt haben. Dennoch ist nicht nur der Zeitplan klar. Sondern auch die Alternative.
Es sei "die Woche der Klarheit", hatte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nach dem zweiten Sondierungsgespräch von Union und SPD gesagt. Dennoch sei "einiges an Nebel vorhanden, der sich in den nächsten Tagen noch aufklären müsste".
Zum größten Teil hat sich der Nebel gelichtet: Die Grünen haben sich aus den Sondierungsgesprächen mit der Union verabschiedet. Einige Termine auf dem Weg zur Bildung einer Koalition stehen damit fest.
Schon am Montag, nach dem Treffen mit der SPD, hatten Dobrindt und sein CDU-Kollege Hermann Gröhe für diesen Donnerstag ein drittes Sondierungstreffen angekündigt. Nach dem Absprung der Grünen ist klar, dass es die SPD sein wird, mit denen sich die 14-köpfige Delegation von CDU und CSU in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft gegenüber vom Reichstag trifft.
Anders als am Montag und Dienstag sieht es dieses Mal nicht nach einer Nachtschicht aus: Man trifft sich schon um 13 Uhr, bereits sechs Stunden später trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy. Auch inhaltlich bewegt man sich aufeinander zu: Trotz Bedenken bei der Union ist der Mindestlohn wohl kein Hindernis mehr.
SPD braucht Zustimmung im Parteikonvent
Alles andere als eine Große Koalition wäre mittlerweile eine echte Überraschung, insofern darf man davon ausgehen, dass die Spitzen von CDU, CSU und SPD ihren Parteien noch am Donnerstag die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen werden. Bei der Union könnte das am Montag passieren: Die nächste CSU-Vorstandssitzung findet am kommenden Montag um 10 Uhr statt, der Vorstand der CDU trifft sich ebenfalls am Montag um 13.15 Uhr.
Schwieriger ist es bei der SPD. Sie hat sich selbst Hürden auf dem Weg zu einer Großen Koalition aufgebaut, um die Parteibasis einzubinden und den Druck auf die Union zu erhöhen. Die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen muss bei der SPD vom Parteikonvent beschlossen werden. Dieses Gremium hatte am 27. September nach kontroverser Debatte auch den Einstieg in die Sondierungsgespräche gebilligt.
Der Konvent kommt am Sonntag zusammen, seine 200 Mitglieder tagen hinter verschlossenen Türen. Nach der Sitzung am 27. September hatte SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner gesagt, es sei zu spüren gewesen, "dass die Neigung, in eine Große Koalition einzutreten, bei der SPD sehr, sehr gering ist". Für SPD-Chef Sigmar Gabriel wird die Kunst darin bestehen, trotz dieser vermutlich kaum veränderten Neigung Zustimmung zu Schwarz-Rot zu bekommen. Der heftige Streit, zu dem es am Montag zwischen Union und SPD gekommen war, dürfte ihm dabei nicht geschadet haben.
Verhandlungen dürften lange dauern
In der kommenden Woche könnten dann die Koalitionsverhandlungen beginnen. Einen Zeitplan gibt es dafür nicht. Am 22. Oktober endet mit der konstituierenden Sitzung des Bundestags laut Artikel 69 des Grundgesetzes zwar die Amtszeit der Bundesregierung. Doch der Artikel regelt auch, dass die alte Bundesregierung "auf Ersuchen des Bundespräsidenten" verpflichtet ist, bis zum Antritt des neuen Kabinetts im Amt zu bleiben.
Allgemein wird mit langen Koalitionsverhandlungen gerechnet, denn die SPD will das Ergebnis am Ende ihren Mitgliedern zur Abstimmung vorlegen und hat daher wiederum ein Interesse daran, dass auch diese Verhandlungen nicht allzu harmonisch verlaufen. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte am Wochenende zwar gesagt, eine neue Regierung könne schon bis zum SPD-Parteitag Mitte November stehen. Doch CSU-Chef Horst Seehofer nannte diesen Zeitplan "sehr anspruchsvoll", SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nannte ihn leicht spöttisch "sportlich". Zeitliche Vorgaben seien ihr "wurscht".
Die Grünen würden noch mal verhandeln
Die Koalitionsverhandlungen im Vorfeld der Großen Koalition 2005 dauerten vier Wochen. Die bislang längsten Koalitionsverhandlungen fanden 1961 statt. Damals konnten Union und FDP den ersten Koalitionsvertrag in der Geschichte der Bundesrepublik nach mehr als sieben Wochen unterzeichnen.
Nach den Unterschriften kommt auf die SPD noch die Urabstimmung zu. Es ist das erste Mal, dass eine Partei ihre gesamte Basis über einen Koalitionsvertrag abstimmen lässt. Sollte die Abstimmung schiefgehen, wäre dies ebenfalls ein Novum: Bislang sind Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene noch nie gescheitert. Für diesen Fall stehen die Grünen offenbar schon bereit: Grünen-Chef Cem Özdemir schloss nicht aus, dass es erneut Gespräche mit der Union gebe.
Dies sei natürlich hoch spekulativ, sagte Özdemir im Deutschlandfunk. "Aber ich wäre doch töricht, wenn ich ausschließen würde, was passiert." Sollte eine Große Koalition nicht zustande kommen, "kann es natürlich sein, dass man noch mal miteinander spricht". Erst wenn auch dieser Versuch scheitert, könnte es Neuwahlen geben.
Quelle: ntv.de