Votum zum Koalitionsvertrag Die CDU murrt, wird aber zustimmen
09.12.2013, 10:51 Uhr
Politik im Zeichen der Raute. Diese Hände gehören allerdings nicht Angela Merkel, sondern einer Wachsfigur bei Madame Tussauds in Berlin.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf einem kleinen Parteitag stimmt die CDU über den Koalitionsvertrag ab. Vom Wirtschaftsflügel und von jüngeren Politikern kommt Kritik. Doch wie üblich bei der CDU: Niemand traut sich, eine Rebellion anzuführen.
Nach dem Ja der Union hängt es noch an den 475.000 Mitgliedern der SPD. Bis Donnerstag lief das Mitgliedervotum, ausgezählt wird am Wochenende. Mit mehr als 300.000 Teilnehmern war das Quorum schnell erfüllt. Während die Jusos sich klar gegen den Vertrag ausgesprochen haben, gilt eine Zustimmung der Basis als sicher. Am 17. Dezember soll Angela Merkel im Bundestag zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden.
Die CDU entscheidet an diesem Montag, ob sie dem Koalitionsvertrag zustimmt. Dazu kommen 200 Delegierte eines kleinen Parteitags, des sogenannten Bundesausschusses, in Berlin zusammen. Theoretisch sind Überraschungen immer möglich, doch wirklich zu rechnen ist nicht mit lautem Widerspruch. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte n-tv.de, die Partei- und Fraktionsmitglieder seien "sehr zufrieden" mit dem Verhandlungsergebnis. Bei der Abstimmung in der Fraktion über den Koalitionsvertrag habe es nur drei Gegenstimmen gegeben. "Das ist gewiss nicht der gesamte Wirtschaftsflügel", so Grosse-Brömer.
Zwei dieser Gegenstimmen kamen vom Wirtschaftsflügel der Union, von dem Vorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann, und vom Chef des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten. Die dritte Gegenstimme kam vom CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel, der unter anderem kritisierte, dass der Koalitionsvertrag den Ausbau von Windkraft in Süddeutschland bremst.
Die Unzufriedenheit in der CDU ist jedoch größer als das Abstimmungsergebnis in der Fraktion nahe legt. Vielen CDU-Politikern ist der Koalitionsvertrag zu sozialdemokratisch. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreiben Linnemann und sein Fraktionskollege Wolfgang Bosbach, wenn sich die Union "alleine auf politisch prognostizierte Wachstumsraten" verlasse, begebe sie sich "auf sehr dünnes Eis". Sie haben den Eindruck, "dass wir uns gemütlich in einem Haus einrichten, dessen Fundament noch nicht die notwendige Tragfähigkeit hat".
Linnemann, von Stetten und der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, wollen dem Koalitionsvertrag beim kleinen Parteitag heute die Zustimmung verweigern. In der "Bild"-Zeitung bezeichnete von Stetten die Rentenpläne als "Verbrechen an der nächsten Generation".
Jüngere CDU-Politiker fordern "Agenda 2020"
Neben den Vertretern des Wirtschaftsflügels hat sich eine Gruppe von meist jüngeren CDU-Politikern zu Wort gemeldet. Auch sie kritisieren die Rentenpolitik der Großen Koalition. "Unsere Sorge, dass das vereinbarte Rentenpaket inklusive der abschlagsfreien Rente mit 63 die Erfolge der Rentenpolitik der letzten 15 Jahre gefährden könnte, bleibt", heißt es in einem Aufruf "CDU 2017", dessen Unterzeichner eine "Agenda 2020" fordern: "Statt Sozialleistungen auszubauen, gilt es vor allem in Bildung, Forschung, Vorsorge und Infrastruktur zu investieren."
Dennoch steht die Zustimmung zum Koalitionsvertrag durch die Delegierten des kleinen Parteitags außer Frage. Denn der viel zitierte Wirtschaftsflügel ist zwar unzufrieden, jedoch viel zu brav um den offenen Konflikt zu wagen. Das zeigt schon der Tonfall, mit dem die Kritiker ihr Anliegen vortragen. Einen Appell, dem Koalitionsvertrag nicht zuzustimmen, sucht man im Artikel von Bosbach und Linnemann vergebens. Noch sehr viel harmloser ist der Aufruf von 57 Jungpolitikern. Die von ihnen kritisierte Mütterrente wird nicht einmal ausdrücklich erwähnt, sie war schließlich ein Kernanliegen von CDU und CSU. Auch Linnemann, von Stetten und Lauk arbeiten sich in einem gemeinsamen Interview mit der "Bild"-Zeitung lieber an der SPD als an der eigenen Partei ab.
Beim Aufruf "CDU 2017" ist die Kritik an der Rentenpolitik versteckt im letzten von acht Punkten. Die anderen sieben Absätze zählen nicht etwa weitere Fehler der CDU auf, sondern beinhalten Passagen wie diese: "Die Große Koalition ist ein Bündnis nur auf Zeit. Nach vier Jahren gehen beide Partner wieder getrennte Wege. Deshalb wollen wir mit der FDP als unserem verlässlichen Partner in früheren Koalitionen im verbindlichen Austausch bleiben. Ebenso stehen wir für einen aktiven Austausch mit den Grünen, um persönliche Kontakte weiter auszubauen und inhaltliche Gemeinsamkeiten zu suchen." Rebellion sieht anders aus.
Kritik wird versteckt
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kann davon ausgehen, dass es beim kleinen Parteitag breite Zustimmung zum Koalitionsvertrag geben wird. "Mir ist bewusst, dass sich der eine oder andere in unserer Partei hier und da manches anders gewünscht hätte", sagte er. "Aber gerade mit Blick auf unsere zentralen Anliegen - Sicherung von Wirtschaftskraft und Beschäftigung - kann sich das Vereinbarte gut sehen lassen."
Und so werden die jüngeren CDU-Politiker über die Rentenbeschlüsse murren, die Wirtschaftspolitiker werden vorsichtig zum Ausdruck bringen, dass ihnen die ganze Richtung nicht passt. Vielleicht schweigen sie aber auch wie zuletzt: "Als es darauf ankam, unsere politischen Ziele auf einem Bundesparteitag in einem Wahlprogramm zu konkretisieren, haben wir dies den Parteiführungen überlassen", schreiben Linnemann und Bosbach zutreffend.
Quelle: ntv.de