Politik

Im Geiste im Kanzleramt Die FPÖ siegt, auch ohne zu gewinnen

Heinz-Christian Strache hat mit seiner FPÖ die Themen bestimmt.

Heinz-Christian Strache hat mit seiner FPÖ die Themen bestimmt.

(Foto: picture alliance / Georg Hochmut)

Selbst wenn die FPÖ am Sonntag nicht als stärkste Kraft aus den Wahlen in Österreich hervorgeht – sie fühlt sich schon jetzt als Gewinner. Ihre Themen ziehen auf jeden Fall ins Kanzleramt ein.

Im österreichischen Wahlkampf werden so einige vermeintliche Gewissheiten hinweggefegt, eine davon stammt aus der Bibel: Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten, so steht es im Galater-Brief geschrieben. Ein Blick auf die FPÖ beweist: Manchmal heimsen auch andere den Großteil der Ernte ein.

Das klingt nicht fair, und was nicht fair ist, das will Heinz-Christian Strache ändern. Der Chef der Rechtspopulisten steht auf der Bühne am Viktor-Adler-Markt im Wiener Multikulti-Bezirk Favoriten, am Freitag vor der Wahl, zum großen Finale seiner "Fairness-Tour". Wer als ahnungsloser Tourist in die Menschenmenge gespült würde, könnte denken, er höre einem Gewerkschaftsführer zu. Es geht um zu niedrige Renten, zu teure Wohnungen, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit. "Gerechtigkeit, das verdient die österreichische Bevölkerung", sagt Strache, und er muss nicht extra erwähnen, wer für ihn dazu zählt und wer nicht.

 

Die FPÖ hat den Rechtspopulismus quasi erfunden, sie hat die politische Landschaft seit Jahrzehnten beackert und ihre Botschaften tief in sie hineingefurcht. Es ist ein fruchtbarer Boden – von dem aber nicht nur die FPÖ zehrt, sondern auch die anderen Parteien, und besonders der Mann, der die Rechtspopulisten von Rang eins in den Umfragen verdrängt hat: Sebastian Kurz. 

Kurz gilt als sicherer Wahlsieger

Heinz-Christian Strache, den seine Fans mit ihren blau-roten Seidenschals mit FPÖ-Aufdruck um den Hals nur "HC" rufen, nennt Kurz in seiner Rede einen "Spätzünder": Lange habe der Außen- und Integrationsminister behauptet, der Islam gehöre zu Österreich, nur die Freiheitlichen hätten schon immer vor der "Islamisierung" des Landes gewarnt. Erst jetzt, im Wahlkampf, sei Kurz auf die Linie der FPÖ eingeschwenkt.

Eine Beobachtung, der selbst ÖVPler schwerlich widersprechen könnten – zu offensichtlich hat Kurz bei den Rechtspopulisten gewildert. Migration, Islamismus, Sicherheit, die drei Säulen des freiheitlichen Programms übernahm der ÖVP-Chef ungeniert. Der Erfolg gibt ihm recht: Lag die FPÖ von Heinz-Christian Strache bis in den Frühling in den Umfragen vorn, sieht nun Sebastian Kurz wie der sichere Wahlsieger am Sonntag aus.

Die Freiheitlichen haben allerdings etwas anderes gewonnen, egal, ob sie ins Kanzleramt einziehen oder nicht: Seit Jörg Haider in den 80ern Jahren den muffigen deutschnationalen Burschenschafter-Zirkel in eine rechte Avantgarde-Partei verwandelte, eroberten sie Stück für Stück die Diskurshoheit im Land. "Die FPÖ hat weitgehend die Themen des Wahlkampfes bestimmt - wie schon in den letzten Jahren den politischen Diskurs insgesamt", sagt der österreichische Politikwissenschaftler Anton Pelinka im Gespräch mit n-tv.de. Sowohl Kurz‘ ÖVP als auch die SPÖ von Kanzler Christian Kern seien der mit fremdenfeindlichen Zwischentönen unterlegten Polemik gegen Zuwanderung gefolgt.

Lange Zeit waren Pelinkas Kollegen davon ausgegangen, dass diese Taktik der Großparteien nur der FPÖ nutzt – die Schmied/Schmiedl-These besagte, dass die Menschen lieber das Original wählen als die Kopie. Sebastian Kurz beweist gerade das Gegenteil. Noch so eine Gewissheit, die im Wahlkampf zu Grabe getragen wird.

"Merkel wird Kurz an die Kandare nehmen"

Der traditionelle Wahlkampfabschluss der FPÖ am Viktor-Adler-Markt dient in diesem Jahr umso mehr der Selbstvergewisserung: Wir sind das Original. Wer mit denen spricht, die auf der Straße Wahlkampf gemacht haben, hört eine gehörige Portion Trotz heraus. "Ist doch schön, dass unsere Themen so gut ankommen", sagt ein Student in einer blauen FPÖ-Weste. Seinen Namen will er nicht lesen, die Medien sind hier nicht besonders beliebt – aus traditioneller Abneigung, und ein bisschen auch aus aktueller, weil sie Kurz‘ Spiel angeblich mitgemacht haben.

Der Führungszirkel der Partei hat sich hinter der Bühne versammelt, einige trinken Dosenbier, während sie der Rede von Heinz-Christian Strache lauschen. Harald Vilimsky, der Generalsekretär der Freiheitlichen, gibt sich sehr gelassen, wenn man ihn auf Sebastian Kurz anspricht. "Den wird Angela Merkel schon an die Kandare nehmen", sagt der Europaabgeordnete mit einem süffisanten Lächeln auf dem Gesicht. Er setzt darauf, dass sich der "Wunderwuzzi" der ÖVP in der Regierungsverantwortung entzaubert. "Kurzfristig kann er vielleicht punkten, aber mittelfristig hat er keine Chance."

Was Vilimsky nicht so gern sagt: Dass die FPÖ nach der knapp verlorenen Bundespräsidentenwahl nun wohl erneut die Chance auf ein hohes Amt vergeben wird – und zu allem Überfluss mit einem ungeliebten Partner koalieren muss, wenn sie in die Regierung einziehen will. Die Verbindung mit der ÖVP scheint die logische der drei möglichen Koalitionen – eine Fortsetzung der Großen Koalition ist so gut wie ausgeschlossen, eine Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ nur mit viel Fantasie und unter der Voraussetzung möglich, dass die Sozialdemokraten den Kanzler stellen. Aber egal in welcher Konstellation: Auch wenn die FPÖ nicht ins Kanzleramt einzieht, ihre Inhalte werden es auf jeden Fall, sagt Vilimsky: "Der große Gewinner dieser Wahl sind unsere Themen."

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Quelle: ntv.de

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