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Kommunalpolitik bei Lanz "Die Leichtigkeit ist weg"

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René Wilke ist seit sechs Jahren Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder.

René Wilke ist seit sechs Jahren Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die gestiegenen Flüchtlingszahlen sind eine Herausforderung für die Kommunen. In Frankfurt an der Oder lässt sich die Unterbringung noch bewerkstelligen. Doch an anderen Stellen werde es eng, berichtet der Oberbürgermeister der Stadt, René Wilke von der Linken, bei Markus Lanz.

René Wilke ist 39 Jahre alt. Seit sechs Jahren ist er Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt an der Oder im äußersten Osten Brandenburgs. Wenn er erzählt, merkt man nicht, dass er seit seinem 16. Lebensjahr Mitglied der Linken ist, die noch PDS hieß, als er dort eintrat. Er ist Pragmatiker durch und durch.

Wilke ist einer von drei Kommunalpolitikern, die am Dienstagabend bei Markus Lanz im ZDF über ihre Erfahrungen vor allem mit der Unterbringung von geflüchteten Menschen sprechen.

Dabei hat Frankfurt an der Oder ein zusätzliches Problem: Die Grenzkontrollen. Denn Frankfurt ist eine Doppelstadt. Die deutsch-polnische Grenze geht direkt hindurch. Die wiedereingeführten Kontrollen an der Grenze haben das Leben in der Stadt verändert, erzählt Wilke. Viele Veranstaltungen sind grenzüberschreitend, von Kultur bis Sport, und es gibt tausende deutsch-polnische Familien. Viele Menschen überqueren die Grenze täglich, weil sie im jeweils anderen Teil der Stadt arbeiten. "Ich könnte jetzt nicht sagen, dass die Grenzkontrollen weg müssen, weil sie natürlich mit einem Problem umgehen und da auch für Linderung sorgen. Aber sie sorgen im Alltag unserer Stadt auch für erhebliche Veränderungen", sagt Wilke. Früher sei man über die Grenze gegangen, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Heute sei das anders: "Die Leichtigkeit ist weg." Immer wieder passiere es, dass man auf dem Weg von Frankfurt in den polnischen Teil Slubice kontrolliert werde. Auch die vielen ausländischen Studierenden an der Europauniversität Viadrina fühlten sich auf besondere Weise betroffen. Dennoch merkten viele Bewohner von Frankfurt, dass es an der Grenze immer wieder Zurückweisungen von Menschen gebe, die versuchten, unrechtmäßig nach Deutschland einzureisen. "Dass es einfach nicht so weitergehen kann wie vorher, ist auch klar", sagt Wilke.

"Es knirscht in den Horten"

Mit der Unterbringung von geflüchteten Menschen habe Frankfurt noch wenig Probleme. In der Stadt gebe es eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes. Die sei erst einmal ein wenig abgekoppelt. Zudem gebe es eine Gemeinschaftsunterkunft, wo geflüchtete Menschen fit gemacht werden sollen für das Leben in der Stadt. Doch dann werde es schwierig, sagt Wilke. Nach der Wiedervereinigung haben viele Menschen Ostdeutschland verlassen, und es gab mehr freie Wohnungen als nötig. Das habe sich jetzt geändert. Mittlerweile habe auch eine Stadt wie Frankfurt an der Oder Engpässe auf dem Wohnungsmarkt.

Ein größeres Problem sei die Betreuung von Kindern. Denn auch in Frankfurt sind Kita-Plätze rar. "Wir haben keinen Engpass, aber wir haben immer wieder Situationen, wo es knirscht in den Horten", sagt Wilke. Was ihm besonders Sorgen mache, sei die mangelnde Sprachfähigkeit bei Kindern. Da sei etwas am Kippen, auch bei den deutschen Kindern, in deren Familien immer weniger miteinander gesprochen und immer mehr aufs Handy geschaut würde. "Und dann kommen noch migrantische Kinder dazu, wo die Sprachschwierigkeiten auch noch ein Problem sind", so Wilke.

Abschiebepflichtige Flüchtlinge

Viel mehr Sorgen aber machen dem Linken-Politiker Menschen, die eigentlich das Land verlassen müssten. In Frankfurt liegt deren Zahl bei 90. Das ist erst einmal nicht viel. Zehn von ihnen sind straffällig gewordene Menschen. Wilke: "Da laufen Ausweisungsverfahren mit dem Ziel, sie loszuwerden." Gegen drei Menschen habe die Stadt Frankfurt/Oder Ausweisungen verfügt. Die könnten im Moment nicht stattfinden, weil die Flüchtlinge Gefängnisstrafen abbüßen. "Aber die Frage, ob die danach ausgewiesen werden können oder nicht, die ist noch offen." Das Problem seien die nicht vorhandenen Verträge mit sicheren Herkunftsländern. "Das ist ehrlich gesagt etwas, das finde ich so dermaßen inakzeptabel", so Wilke.

Dennoch gebe es bei den meisten Menschen in der Gesellschaft etwas wie einen Korridor der Akzeptanz. "Es gibt Dinge, wo die meisten sagen würden, unter diesen Prämissen können wir damit ganz gut umgehen", so Wilke. Das betreffe Migranten mit einem plausiblen Fluchtgrund wie dem Krieg in der Ukraine, Frauen mit Kindern und Migranten, die sich integrieren wollen. Vor allem aber sei wichtig, dass Migranten nicht zum Störfaktor würden: "Wenn Menschen aus Schutzgründen hierherkommen und wir dann Schutz vor denen suchen müssen, ist das etwas gänzlich Inakzeptables." Das seien die Maßgaben, an denen er sich zu orientieren und Politik durchzudeklinieren versuche.

"Ich würde mir wünschen, dass Landes- und Bundespolitik das vielleicht auch so macht, weil ich glaube, dass vielleicht 70 Prozent der Menschen sagen würden: Das sind Dinge, da können wir uns hinter versammeln. Das würde uns wahrscheinlich auch nicht überfordern."

Quelle: ntv.de

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