Politik

Wahlen in der Mongolei Ein Land auf geopolitischer Gratwanderung

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Soldaten in traditionellen Uniformen reiten durch die Hauptstadt Ulaanbaatar.

Soldaten in traditionellen Uniformen reiten durch die Hauptstadt Ulaanbaatar.

(Foto: AP)

Eingequetscht zwischen Russland und China hat die Demokratie in der Mongolei keinen leichten Stand. Bislang balanciert das Land geschickt zwischen den beiden Großmächten. Der Westen spielt dabei häufig die Rolle der Balancierstange.

Die bevorstehenden Parlamentswahlen in der Mongolei haben das Potenzial, die politische Landschaft des Staates nachhaltig zu verändern. Zugleich sorgt eine Kombination aus neuen Regeln und alten Spielweisen für einen ungewissen und damit spannenden Wahlausgang.

Das Land ist 4,5-mal größer als Deutschland, hat aber nur 3,5 Millionen Einwohner und behauptet sich als Demokratie zwischen den autoritären Schwergewichten China und Russland. Daher sind es nicht nur die internen politischen Dynamiken, die das Interesse der Europäischen Union und damit Deutschlands an den Parlamentswahlen in der Mongolei wecken sollten.

Mit der Erweiterung des Parlaments von 76 auf 126 Sitze und der Einführung eines sogenannten Grabenwahlsystems, bei der die Liste für die Direktwahlkandidaten von der Parteiliste getrennt wird, zielen die 2023 verabschiedeten Reformen auf eine Modernisierung des Wahlsystems ab. Von den Reformen versprechen sich die Befürworter eine bessere Repräsentation sowie mehr Transparenz und Fairness in der Politik. Zudem soll der außenpolitische Druck durch China und Russland auf mehrere Parteien verteilt werden.

Trotzdem bleibt die Skepsis: Kritiker befürchten eine Fortsetzung der Dominanz durch die alten politischen Eliten. Die Erwartungen an die bevorstehenden Wahlen sind verhalten. Zu sehr haben anhaltende Korruptionsvorwürfe und geringere Medienfreiheit die letzten Jahre in der Mongolei geprägt. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass die alten Strukturen aufgebrochen werden. Bei den anstehenden Strukturreformen kommt internationalen Akteuren wie den deutschen politischen Stiftungen eine Unterstützerrolle zu.

Russland, China und der "Dritte Nachbar"

Einen leichten Stand hat die Demokratie in der Region nicht. Dennoch sehen über 70 Prozent der Landesbevölkerung diese Regierungsform als die richtige an. Mongolische Politiker können dies nicht ignorieren, ohne den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt massiv zu gefährden.

Mit China und Russland, die offensiv als Gegenspieler des Westens agieren, als einzige Nachbarn und ohne Meereszugang ist die geografische und geopolitische Lage der Mongolei einzigartig komplex. Das Land hat bislang geschickt zwischen diesen beiden Großmächten balancieren können, ohne sich zu stark in deren Interessen einbinden zu lassen.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine nahm die mongolische Regierung eine neutrale Haltung ein und behielt die starken wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zu Russland, ohne gegen die westlichen Sanktionen zu verstoßen. Gleichzeitig wurden die Beziehungen zu China weiter ausgebaut und wirtschaftliche Vorteile genutzt. Letzteres vergrößert die Abhängigkeit: 2023 gingen rund 93 Prozent aller Exporte nach China. Der sogenannte "Dritte Nachbar" - die internationale Gemeinschaft, vor allem der Westen - spielt bei dieser geopolitischen Gratwanderung die Rolle einer Balancierstange. Sie hilft dem Land dabei, die Wirtschaft zu diversifizieren und die Einbindung in die internationale Gemeinschaft zu stärken.

Die Mongolei kann sich nicht voll auf die Seite des Westens stellen

Denn ungeachtet des russischen Überfalls auf die Ukraine und dem damit einhergehenden gravierenden Regelbruch spielt das Völkerrecht aus mongolischer Perspektive weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Sicherung der eigenen Souveränität und Unabhängigkeit. Das neutrale Verhalten im Fall der Ukraine wird dabei jedoch nicht als Widerspruch empfunden, sondern als Bestätigung der eigenen umsichtigen Außenpolitik interpretiert. Das Völkerrecht mag wichtig sein, entscheidend ist jedoch die Realität vor Ort. Die mongolische Politik ist sich der eigenen Lage sehr bewusst.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender wurden im Februar mit militärischen Ehren vom Präsidenten der Mongolei, Ukhnaa Khurelsukh, empfangen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender wurden im Februar mit militärischen Ehren vom Präsidenten der Mongolei, Ukhnaa Khurelsukh, empfangen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die EU und Deutschland haben ihre Beziehungen zur Mongolei zuletzt intensiviert und unterstützen dadurch den mongolischen Kurs. Anfang 2024 besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Land anlässlich des 50. Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Mongolei. Dabei hob er die Kooperation beider Länder auf eine "strategische Ebene". Die Mongolei, reich an Bodenschätzen wie Kupfer und seltenen Erden, könnte sich zu einem wichtigen Partner bei der Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft entwickeln.

Ein stabiles politisches Umfeld, das Investitions- und Rechtssicherheit garantiert, ist dabei entscheidend. Dazu tragen die Europäer mit zahlreichen Projekten bei. Gleichwohl hängt der Erfolg der europäischen Bemühungen nicht zuletzt vom politischen und physischen Zugang zur Mongolei ab. Diesen zu pflegen, ist eine der Herausforderungen im Austarieren zwischen wertegebundener und interessengeleiteter Außenpolitik.

Mehr zum Thema

Die Parlamentswahlen werden die Mongolei nicht aus ihrer geopolitischen Lage befreien. Ungeachtet des Wahlergebnisses wird das Land dem Westen in einem möglichen neuen Systemkonflikt nicht folgen können. Der Westen muss akzeptieren, dass geteilte Werte nicht automatisch in gleichgerichteter Außenpolitik resultieren: Er muss lernen, mit inhaltlichen Differenzen umzugehen und Wertepartner nicht nur dank, sondern auch trotz abweichender Positionen zu unterstützen. Vor allem, wenn diese, wie im Fall der Mongolei, mehr als nachvollziehbar sind.

Der Autor: Viktor Frank leitet das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ulaanbaatar, Mongolei

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen