Politik

Einfach, niedrig, gerecht Die Rückkehr des gelben Mantras

Guido Westerwelle meldet sich wieder zu Wort.

Guido Westerwelle meldet sich wieder zu Wort.

(Foto: dpa)

Der deutschen Wirtschaft geht es besser als erwartet - das weckt Begehrlichkeiten. SPD-Chef Gabriel möchte den Arbeitnehmern Gutes tun. FDP-Chef Westerwelle kehrt mit einem Klassiker zurück ans politische Tageslicht. Und schlägt sich gleich den Aufschwung zu.

Der schwarz-gelben Regierung droht wegen des unerwartet kräftigen Wirtschaftsaufschwungs eine Neuauflage des Streits über rasche Steuerentlastungen. "Für mich bleibt das Thema: Wie geben wir die Aufschwungdividende an die weiter, die sie erwirtschaften", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle der "Bild am Sonntag". Wo sich Spielräume zeigten, müssten sie zur Entlastung der Mittelschicht genutzt werden, sagte er mit Blick auf die angeblich erwarteten deutlich höheren Steuereinnahmen. Schon bald will Westerwelle das Thema Steuervereinfachung angehen. Die hohen Wachstumszahlen nähren zudem Hoffnungen auf weniger Neuschulden des Staates und Forderungen nach einer Korrektur des Sparkurses.

Die, die das Eisen aus dem Feuer holen, haben bislang wenig partizipiert vom Aufschwung.

Die, die das Eisen aus dem Feuer holen, haben bislang wenig partizipiert vom Aufschwung.

(Foto: dpa)

Die jüngsten Wachstumszahlen für das zweite Quartal haben die Prognosen für das Gesamtjahr bei vielen Experten - nach Medienberichten auch im Bundeswirtschaftsministerium - in Richtung drei Prozent nach oben schnellen lassen. Der Steuerexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IW), Alfred Boss, sagte daher in der "Rheinischen Post" für dieses Jahr elf Milliarden und für das kommenden 15 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen voraus als in der Steuerschätzung vom Mai. Auf "weit über zwei Prozent" hat auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle seine Erwartungen an das Wachstum erhöht. Die offizielle Regierungsprognose beträgt für 2010 noch 1,4 Prozent. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hält inzwischen ein Plus von 2,5 Prozent in diesem Jahr für möglich.

Da war es wieder

FDP-Chef Westerwelle belebte angesichts dessen wieder das Thema Steuersenkungen. Die Entlastungen zu Jahresanfang seien offenbar mitverantwortlich für das "derzeitige Wirtschafts- und Jobwunder". "Der Wirtschaft, dem Arbeitsmarkt und dem Wohlstand für alle tut unsere Regierung gut", sagte Westerwelle. "Diesen Wachstumskurs wollen wir fortsetzen." Die FDP hatte im umstrittenen Wachstumsbeschleunigungsgesetz etwa eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe durchgesetzt und ist seitdem, auch wegen Großspenden aus der Branche, als "Mövenpick-Partei" verschrien. Ziel der Liberalen bleibe ein einfacheres und insbesondere für die Mittelschicht "niedrigeres Steuersystem", wiederholte der FDP-Chef eine altbekannte Formel. Zeitpunkte nannte er allerdings keine. Steuervereinfachungen mit mehr Pauschalen und weniger Aufwand sollen aber schon bald ein Thema werden.

Erwartungen aus der SPD, die Neuverschuldung des Bundes könnte dieses Jahr unter 60 Milliarden Euro sinken, trat das Finanzministerium entgegen. Man gehe weiter von rund 65 Milliarden Euro an neuen Krediten aus, sagte ein Sprecher. Forderungen nach Änderungen am Sparpaket der Regierung, wie sie aus der SPD kamen, wies er zurück. Finanzpolitiker der Koalition unterstützten das. Michelbach forderte, das Wachstum für eine Beschleunigung des Konsolidierungskurses zu nutzen. Für neue Ausgabenprogramme sei nicht die Zeit. CDU-Generalsekretär Gröhe sagte, ein Festhalten am Sparkurs sei zwingend geboten: "Dies schulden wir unseren Kindern und Enkeln." FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke erklärte: "Wer glaubt, wir hätten jetzt mehr Geld, das wir ausgeben können, der irrt sich. Wir haben höchstens weniger neue Schulden."

SPD für Korrekturen

SPD-Chef Gabriel steuert seine Partei zurück in die Vor-Schröder-Ära.

SPD-Chef Gabriel steuert seine Partei zurück in die Vor-Schröder-Ära.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider forderte in der "Bild"-Zeitung, die Regierung solle die günstige Konjunktur zu Änderungen an ihrem Sparpaket und einer sozialeren Ausrichtung ihrer Politik nutzen. Besserverdienende und Wirtschaft müssten stärker zu Kasse gebeten werden. Kürzungen im Sozialbereich solle die Regierung zurücknehmen. Auch vom Arbeitnehmerflügel der CDU kamen Forderungen nach höheren Steuern für Reiche. Der Chef der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Peter Weiß, brachte im "Handelsblatts" eine Anhebung des Steuersatzes für Reiche von 45 Prozent "um ein oder zwei Prozent" ins Gespräch. Schon ein Prozentpunkt mehr würde dem Staat 400 Millionen Euro zusätzlich bringen.

Gewerkschaften fordern angesichts der verbesserten Lage Lohnerhöhungen - auch, um die Binnenkonjunktur anzukurbeln. SPD-Chef Gabriel sagte dazu, es sei wichtig, dass "das nicht nur ein Aufschwung für Boni bei Managergehältern ist". Das heiße, "dass wir endlich Schluss machen müssen mit der Ausdehnung befristeter Arbeitsverhältnisse, mit Billigjobs, mit Niedriglohnsektor. Das gehört dazu genauso, wie angemessene Lohnsteigerungen jetzt wieder möglich sein müssen."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach zudem der schwarz-gelben Bundesregierung das Verdienst für den unerwartet starken Wirtschaftsboom ab. "Ohne die SPD hätte es diesen Aufschwung nicht gegeben", sagte er.

Quelle: ntv.de, jmü/rts/dpa/AFP

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