Manfred Güllner über die SPD und Peer Steinbrück "Die können es einfach nicht"
01.05.2013, 12:46 Uhr
So richtig glücklich machen die Umfragen in den vergangenen Monaten niemanden in der SPD.
(Foto: picture alliance / dpa)
Kann die SPD die Wahl noch gewinnen? Die Umfragen prognostizieren Peer Steinbrück ein katastrophales Ergebnis. Mit Arroganz und Geldgier kann man nicht Kanzler werden, sagt Manfred Güllner. Im Gespräch mit n-tv.de erklärt der Forsa-Chef, warum Steinbrück alles fehlt, was Gerhard Schröder einst ausgezeichnet habe.
n-tv.de: Hallo, Herr Güllner, wissen Sie eigentlich, wann die SPD bei Forsa zum letzten Mal über 30 Prozent lag?
Manfred Güllner: Da müsste ich nachgucken, das kann ich aus dem Kopf nicht sagen.
Allensbach, Emnid und Infratest Dimap sehen die SPD bei 27 bis 28 Prozent, Forsa dagegen nur bei 23. Warum liegen die Werte so weit auseinander?
Da müssen Sie bei den anderen nachfragen, warum sie die SPD immer so hoch sehen. Schauen wir mal zurück: Vor der Europawahl 2009 hatten wir die SPD in der Nähe von 20 Prozent, andere Institute hingegen bei 28 Prozent. Das veranlasste damals Herrn Müntefering dazu, große Siegeszuversicht zu verbreiten. Nach dem Motto: Stellt eure Vasen unter dem Fernseher weg, die schwarzen Balken werden nach unten schießen und die roten nach oben. Wie viel bekam die SPD? Es waren kaum mehr als 20 Prozent. Unter dem Eindruck der Wahl gingen die Werte der anderen Institute daraufhin auch nach unten.
Warum steht die SPD in der Gunst der Bevölkerung denn derzeit so schlecht da?
Kaum jemand traut der SPD politische Kompetenz zu. In unseren Erhebungen fragen wir danach, welche Partei mit den Problemen in Deutschland am besten fertig wird. Maximal 10 Prozent nennen daraufhin die SPD, über 30 Prozent dagegen die Union. Es glaubt auch kaum jemand, dass eine rot-grüne Bundesregierung das Land besser regieren würde als Schwarz-Gelb. Anders als 1998 nach 16 Jahren Kohl gibt es heute keine Wechselstimmung im Land. Damals stand die SPD ganz anders da.
Wie sehr liegt das am Kandidaten?
1998 hatte die SPD mit Schröder einen Kandidaten, der einen regelrechten Sog ausgelöst hat. Da konnten sich plötzlich viele vorstellen, die Partei zu wählen, die das vorher nicht getan hatten. Aber das ist bei Peer Steinbrück bisher ausgeblieben. Es gibt keinen Kandidaten-Effekt, ganz im Gegenteil: Steinbrück hat ein so geringes Ansehen, dass er die SPD eher weiter nach unten rückt.
Was hatte Schröder, was Steinbrück nicht hat?
Schröder galt als sympathisch. Seit er 1994 in Niedersachsen die absolute Mehrheit gewonnen hat, empfand man ihn als interessantesten Mann. Er sagte damals: Ich mache nicht alles anders, aber vieles besser. Das traute man ihm auch zu. Steinbrück sagt heute: Wir werden vieles besser und noch mehr anders machen. Aber die Leute wollen nicht, dass alles anders wird. Wenn überhaupt, sollte es besser gemacht werden. Doch das traut man Steinbrück nicht zu. Seine Auftritte haben sich in die Köpfe der Menschen eingegraben. Wenn man fragt, an was die Leute bei Steinbrück denken, dann kommt Geldgier, Arroganz, Ungeschick und unsympathisch. Alles Eigenschaften, die ein Kandidat nicht haben sollte.
Dabei hatte Steinbrück Anfang des vergangenen Jahres, als er noch nicht Kanzlerkandidat war, sehr gute Popularitätswerte.
Bei uns lag er nie vor Merkel. Natürlich hatte er höhere Werte als jetzt, aber seit er nominiert wurde, ist das Bild von ihm deutlich schlechter geworden. Die Menschen schauen genauer hin, und das führt dazu, dass man ihn als jemanden sieht, den man nicht als Kanzler möchte. Das zeigen vor allem die Werte der Kanzlerpräferenz. Nur 20 Prozent der Menschen würden sich für Steinbrück entscheiden, wenn sie den Kanzler direkt wählen würden. Das ist fast so dramatisch wie bei Rudolf Scharping und Kurt Beck. Merkel liegt dagegen bei fast 60 Prozent.

Drei, die vergeblich für die Kanzlerschaft kandidierten (v.l.): Oskar Lafontaine (1990), Hans-Jochen Vogel (1983) und Johannes Rau (1987).
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War die jetzige Krise für Sie schon im vergangenen Jahr absehbar, als noch gar nicht sicher war, wer es in der SPD am Ende machen würde?
Die Partei hat generell das Problem, dass sie ähnlich wie 1982, nach dem Sturz von Helmut Schmidt, keinen rechten Kandidaten hat, der sich herausschält. Damals hat es 16 Jahre gedauert, bis Schröder kam. Die Kandidaten davor galten wie Vogel entweder als kompetent, aber nicht sympathisch, oder wie Rau als sympathisch und wenig kompetent. Oder sie galten wie Lafontaine und Scharping als keines von beidem. Einen solchen Typus wie Schmidt oder Schröder gibt es derzeit einfach nicht. Mit Steinbrück ist es fast aussichtlos, einen Mobilisierungssog zu entfalten. Mit Steinmeier und Gabriel wäre es allerdings auch schwierig geworden.
Sie schauen nicht nur als Forscher auf die SPD, sondern auch als Sozialdemokrat. Inwiefern beeinflusst das Ihre Sicht?
Als Forscher darf man sich nie von persönlichen Ansichten beeinflussen lassen. Die Daten müssen handwerklich sauber erhoben werden, dann muss man mit ungetrübtem Blick darauf schauen, egal, welche persönlichen Meinungen man selbst hat.
Die SPD versucht inzwischen verstärkt, auf einen Themen-Wahlkampf zu setzen. Aber dass viele Forderungen der SPD in der Bevölkerung auf große Zustimmung treffen, hilft nicht. Geht es am Ende gar nicht um Inhalte?
Doch, es geht um Inhalte, aber es hilft nichts, wenn man nicht für fähig gehalten wird, die Probleme zu lösen. Wir wissen seit Jahren, dass die Mehrheit der Bevölkerung für die Einführung eines Mindestlohns und für die stärkere Besteuerung der reichen Einkommensschichten ist. Aber damit gewinnt man keine Wahlen. Denn das bringt der SPD nicht automatisch Vertrauen entgegen. Insgesamt bleibt daher das negative Urteil: Die können es einfach nicht.

Als Gerhard Schröder 2005 aus dem Kanzleramt auszog, wurde Peer Steinbrück Bundesfinanzminister in der Großen Koalition.
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Ist die beschädigte Glaubwürdigkeit der Partei auch ein Erbe der Regierung Schröder?
Nein. 1998 wurde die SPD mit Schröder von über 20 Millionen Wählern gewählt, 2009 ohne Schröder waren es keine 10 Millionen mehr. Die Partei hat in weniger als zehn Jahren die Hälfte ihrer Wähler verloren, die meisten davon erst nach 2005. Die Schrödersche Erneuerungspolitik, das haben Untersuchungen bestätigt, wird von der Mehrheit der Menschen nach wie vor für richtig gehalten. In der SPD wird sie dagegen zerredet.
Es heißt, Schröder habe Umfragen immer sehr ernst genommen, Steinbrück dagegen spielt die schlechten Zahlen seit Monaten herunter. Ist das ein Fehler?
Man darf Politik nie nach Umfragen ausrichten. Aber man sollte das, was sie zutage führen, natürlich auch nicht beiseiteschieben. Wir erfinden ja keine Zahlen, sondern referieren das, was uns Menschen sagen. Dabei passieren auch Fehler, 2005 haben wir etwa die CDU vor der Wahl zu hoch eingeschätzt. Wenn man Umfragen allerdings ignoriert, nehmen die Leute das übel. Denn wer Umfragen nicht ernst nimmt, nimmt die Menschen nicht ernst. Man muss daher die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Zum Beispiel: Wie kann man der SPD wieder die notwendige Kompetenz einhauchen?
Schröder soll sich häufiger bei Ihnen Rat geholt haben. Ist Ihr Verhältnis zu Steinbrück ähnlich gut?
Schröder schätzte meine Bewertungen, deswegen haben wir uns hin und wieder unterhalten. Er hat gesehen, dass meine Zahlen die Realität gut abbilden. Steinbrück kenne ich so gut wie gar nicht. Ich habe ihn nur einmal getroffen, als er noch Ministerpräsident war, aber sonst kann ich ihn nicht beurteilen.
Aber Sie halten Steinbrück für den falschen Mann?
Ich kann nur das sehen, was die Menschen denken: Die halten nicht viel von ihm. Da sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache. Was ich von ihm halte, ist völlig schnuppe.
Mit Manfred Güllner sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de